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25.02.2021

COVID-19 beschleunigt Tech-Innovationen im europäischen Wintersport

Experten prognostizieren die Auswirkungen von COVID-19 auf die Zukunft der Branche

Sascha L. Schmidt - 25. Februar 2021

Schlüsselerkenntnisse für die Industrie

Bis 2025 wird die europäische Wintersportbranche eine technologische Revolution durchleben. Diese Prognose lässt sich aus der neuen Delphi-Studie “The Impact of Technology on the Future of Winter Sports, in times of COVID-19” ableiten, an der 53 Wintersport-Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Feldern teilnahmen. Die europaweite Studie ergab, dass aufgrund von COVID-19 mehr als die Hälfte der Befragten (56 %) eine langfristige Veränderung der Wintersportbranche erwarten.

Der umfassende Bericht mit Erkenntnissen und Prognosen von Wintersport-Insidern aus 15 europäischen Ländern ist das Resultat der zweiten Wintersport-Trendstudie, nachdem 2020 bereits die Delphi-Studie „The Future of Winter Sports“ durchgeführt wurde. Die Ergebnisse verdeutlichen coronabedingte Herausforderungen der Branche sowie

Möglichkeiten und Chancen, die das Wintersporterlebnis zukünftig verbessern könnten. Durch die Pandemie haben einige Entwicklungen nun deutlich an Fahrt aufgenommen

Kontaktloses Wintervergnügen bis 2025

Der Betrieb der Wintersportbranche hat sich aufgrund von Corona stark verändert. Dies zwingt viele Bergbahnbetreiber dazu, den Ablauf an den Pisten zu überdenken. Drei Viertel der Experten gehen davon aus, dass kontaktlose Technologien in der Branche weiterhin zunehmen werden. NFC, die Nahfeldkommunikation für den drahtlosen Austausch von Daten, könnte bis 2025 komplett kontaktlose Zahlungen, Verpflegung, Skiverleih, oder auch Hotel Check-Ins ermöglichen. Im Vorjahr hielten nur 62 Prozent der befragten Experten diese technologische Entwicklung für wahrscheinlich.

Christian Rau, Country Manager Mastercard Austria, kommentiert den aktuellen Stand der Technologie: „Als langjähriger Partner der Hahnenkamm-Rennen investieren wir kontinuierlich in modernste Innovationen für den Wintersport. 2020 führten wir erstmals die Ski2Pay Hybridkarte ein, die Zahlung und Skipass auf einem kontaktlosen, tragbaren Gerät (Wearable) vereint. Zusätzlich arbeiten wir auf Hochtouren daran, dass auch der Zugang zu Hotels und dem Nahverkehr in diese Karte integriert werden kann. Diese Ansätze schaffen nicht nur neuen Komfort – in Hinblick auf die aktuelle Situation leisten sie auch einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Wintersportliebhaber.“ Letztes Jahr konnte die kontaktlose Hybridkarte bereits in über 100 Skigebieten auf der ganzen Welt eingesetzt werden.

Tech-Boost trägt zur Erholung der Branche bei

Die Hälfte der Branchenkenner prognostizieren, dass der Skitourismus nicht vor 2023 auf das Vorkrisenniveau zurückkehren wird. Wichtiger Treiber für diese besser als erwartete Prognose ist der rasch ansteigende Einsatz von Technologien im Wintersport. Neueste Erkenntnisse verdeutlichen den weltweiten Digitalisierungsschub aufgrund der Pandemie: So wurde etwa der erwartete Anstieg des Digitalisierungsgrades von fünf Jahren auf acht Wochen reduziert. Dieser globale Trend spiegelt sich auch im europäischen Wintersport wider. Die befragten Experten erwarten ebenso einen coronabedingten Innovationsschub für die Branche.

Die wachsende Digitalisierung ist für den Wintersport eher überraschend, denn tendenziell suchen Skifahrer im Wintersport eine gewisse Verbundenheit mit der Natur und eine Auszeit vom digitalisierten Alltag. Bis 2025 gehen Branchenkenner davon aus, dass die Pandemie erhebliche technologische Auswirkungen auf drei Bereiche des Skisports haben wird: Trainings-, Vorbereitungs- und Erholungsplanung für Sportler (54 %), allgemeiner Komfort für Profi- und Hobby-Skifahrer (56 %) und Optimierung der Skilifttechnologie zur Minimierung der Verbreitung von Viren (41 %).

Smarte Gadgets und verbessertes Streaming in Planung

Technologische Errungenschaften werden in den kommenden Jahren nicht nur das Erlebnis auf den Pisten verbessern. Unterschiedliche Ausrüstungshersteller haben sich zum Ziel gesetzt, neue Innovationen zu erforschen und zu entwickeln. Bis 2025 werden modernste Materialien zu den größten Neuerungen der Pisten-Ausrüstung zählen. Dafür sind bereits neuartige Isolationsmaterialien für wärmere und leichtere Skibekleidung bis hin zu intelligenter Schutzausrüstung (Smart-Protection) mit GPS-Trackern und biometrischen Daten von Skifahrern in der Pipeline. Die größte Änderung erwarten 73 Prozent der Experten bis 2025 allerdings im Bereich des verbesserten Fan-Erlebnisses. Dazu zählt etwa ein digitales Streaming-Angebot von Skisport-Veranstaltungen, das Fans detaillierte Informationen zur Leistung der Athleten in Echtzeit bietet.

Kontaktlose Technologien werden auch in der Wintersportbranche bald Standard sein, so die überwiegende Einschätzung der Experten. Zudem geht die Entwicklung hin zum smarten, personalisierten Erlebnis durch Technologie, wie zum Beispiel Head-up-Displays im Helm. Die in Echtzeit eingeblendeten Informationen versorgen Fahrer mit individuellen Routenplänen, die auf die Fähigkeiten und Vorlieben des Benutzers zugeschnitten sind oder Sensoren im Skischuh, die den Fahrern dabei helfen, ihre Technik zu verbessern. In diesen Bereichen wird es in den kommenden Jahren viele Innovationen geben, die Skifahrern ein noch sichereres und besseres Erlebnis bieten werden.

Helmut Holzer, Director Anticipation and Advanced Research bei Atomic Ski, erklärt: „Wir sehen noch Potenzial im Bereich integrierter Messsysteme direkt am Equipment, vor allem für Profiathleten. Rückmeldungen der Athleten wie ‘etwas fehlt noch hier‘ oder ‘es ist instabil dort‘‚ könnten wir damit verifizieren. Teilweise ist es sogar schwierig, das Verhalten der Ausrüstung überhaupt in Worte zu fassen. Auch dort erhoffen wir uns Erkenntnisse durch integrierte Messsysteme. Im Amateurbereich geht es viel um Individualisierung. Für jeden Sportler das individuell passende Produkt zu finden – zum Beispiel bei unterschiedlichem Leistungsniveau im gleichen Produkt – ist eine Herausforderung. Zu guter Letzt wird Nachhaltigkeit noch wichtiger

werden. Klimafreundlichere Materialien werden zunehmen, zum einen um der Nachfrage danach gerecht zu werden, zum anderen um regulatorische Vorgaben einzuhalten, u.a. von der EU.“

Echt virtuell: Potential für eSports

Ein weiterer Bereich mit erheblichen technischen Neuerungen, den Experten bis 2025 prognostizieren, ist der eSport. Virtuelle Sportarten erfreuten sich im Jahr 2020 rasch wachsender Beliebtheit, seit Präsenz-Veranstaltungen aufgrund von COVID-19 abgesagt oder verschoben wurden. Jedoch sind Wintersportarten bislang noch nicht für ihr virtuelles Pendant bekannt, mit der Ausnahme von Kult-Spielen wie SSX Tricky. Gut ein Drittel der Experten gehen jedoch davon aus, dass eSports bis 2025 virtuelle Pisten für Menschen auf der ganzen Welt öffnen wird – auch dort, wo Skifahren von Natur aus nicht möglich ist. Darüber hinaus schätzen 43 Prozent der Branchenkenner, dass virtuelle Simulationen einen erheblichen Einfluss auf die Zugänglichkeit haben werden. Auch Menschen mit einer Behinderung könnten so den Sport virtuell erleben.

Schlüsselerkenntnisse für die Industrie

  • Die Wintersport-Branche wird bis 2025 eine technologische Revolution erleben. COVID-19 wird den Wintersport langfristig verändern und bereits angestoßene Entwicklungen deutlich beschleunigen.
  • Alle Abwicklungen während des Wintersport-Erlebnisses könnten zukünftig komplett kontaktlos geschehen. Zahlungen, der Erwerb von Verpflegung, der Skiverleih oder auch Hotel-Check-Ins sind bis 2025 voraussichtlich komplett ohne Kontakt möglich.
  • Die Ausrüstung für Wintersportler wird immer sicherer und komfortabler: Neuartige Isolationsmaterialien für wärmere und leichtere Skibekleidung, Head-up-Displays im Helm sowie Smart-Protection mit GPS-Trackern und biometrischen Daten der Skifahrer sind in absehbarer Zeit verfügbar.
  • Der Wintersport wird digitaler: Verbesserte Streaming-Angebote mit Live-Informationen und virtuelle Abfahrten werden das Angebot für Wintersportfans zusätzlich erweitern.

Literaturverweis und Methodik

Die Studie wurde im anonymen Delphi-Format vom WHU Center for Sports and Management durchgeführt. Delphi-Studien sind wissenschaftliche Untersuchungsmethoden, bei denen die Meinungen einer Gruppe von Experten in einem sich wiederholenden Umfrageprozess eingeholt werden. Die ausgewählten Experten bewerten vorformulierte Zukunftsthesen und evaluieren sie hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts, ihrer Wirkung und danach, wie wünschenswert sie sind.

Zu den TeilnehmerInnen gehörten 53 internationale Experten im Bereich Wintersport zwischen 25 und 65 Jahren, darunter Sportler, Funktionäre, Medienvertreter, Akademiker, Resort-Manager und Führungskräfte der Sporttechnologie. Die Delphi-Studie wurde von Prof. Dr. Sascha L. Schmidt, Nicolas Frevel, Sebastian Flegr und Daniel Beiderbeck vom Center for Sports and Management der WHU – Otto Beisheim School of Management durchgeführt. Die Studien aus diesem und vergangenem Jahr wurden von Mastercard in Auftrag gegeben.

Co-Autor der Studie

Prof. Dr. Sascha L. Schmidt

Sascha L. Schmidt ist Leiter des Center for Sports and Management und Professor for Sports und Management an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Zudem ist akademischer Direktor der SPOAC - Sports Business Academy by WHU. Zusätzlich ist er Mitglied der Digital Initiative an der Harvard Business School (HBS), affiliert mit dem Labor für Innovation Science in Harvard (LISH) und Forscher an der Emlyon Business School Asia. Sascha Schmidt ist Co-Autor verschiedener sportbezogener HBS Fallstudien und einer der Initiatoren und einer der leitenden Dozenten des MIT Sports Entrepreneurship Bootcamp. Seine Forschung fokussiert sich auf Wachstums- und Diversifikations-Strategien sowie die Vorbereitung des Profisports auf zukünftige Entwicklungen..

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