Lehrstuhl für Entrepreneurship, Innovation, and Technology

Meinungen: Epische Schlacht zwischen EPIC Games und Apple

Prof. Dr. Dries Faems analysiert, warum wirtschaftliche Ökosysteme fragil sein können.

Jeden Tag ziehen Millionen von Teenagern in die Schlacht. Sie kämpfen im Strategiespiel „Fortnite“   der Firma EPIC Games. Heute ist das Spiel selbst zum Gegenstand einer ganz anderen Schlacht geworden: jener zwischen den Giganten EPIC Games und Apple

Der Grund: Seit kurzem bietet EPIC Games seinen Spielern ein eigenes, mobiles Zahlungssystem an, über das sie Fortnite Tools kaufen können, ohne das Zahlungssystem von Apple zu nutzen. Sie erhalten dann einen Rabatt auf ihren Einkauf.  Für Apple bedeutet dies, dass das Unternehmen seine 30 Prozent Provision für diese Käufe von jenen Nutzern verliert, die zwar auf der mobilen Apple Plattform spielen, ihre Einkäufe aber nicht über das Apple Bezahlsystem abwickeln. Apple hat darauf reagiert und Fortnite aus seinem Online Shop verbannt. Nutzer können das beliebte Spiel nun nicht mehr über Apple Store herunterladen.

Das Ergebnis war eine öffentliche Auseinandersetzung, in der EPIC Games Apple beschuldigte, seine Marktmacht auszunutzen. Zudem postete EPIC Games im Internet eine Parodie des berühmtem Apple-Werbespot aus 1984 (https://www.youtube.com/watch?v=bPn_PGuYesw).

Dieser Kampf zweier Giganten der New Economy zeigt eindrucksvoll, wie wichtig intakte wirtschaftliche Ökosysteme für den Erfolg von Unternehmen und wie verwundbar diese sind. Analog zu biologischen Ökosystemen bestehen wirtschaftliche Ökosysteme (Business Ecosystems) aus einer Gruppe von Unternehmen, die miteinander interagieren und strategische Partnerschaften eingehen. Sie kombinieren Ressourcen, die sich gegenseitig ergänzen, und schaffen so gemeinsam einen Mehrwert für ihre Kunden. Im Videospiel-Sektor haben bereits einige Betreiber von Plattformen (Apple, Google, Microsoft, Sony, Nintendo) damit begonnen, Ökosysteme zu entwickeln und zu pflegen. So entstehen vielfältige Partnerschaften zwischen den jeweiligen Plattformen und einer Vielzahl von Spieleentwicklern und -anbietern.

Ökosysteme dieser Art können enorme Vorteile für die beteiligten Unternehmen mit sich bringen. Für Spieleentwickler ist es wichtig, mit mehreren Betreibern von Plattformen zusammenzuarbeiten, um die Anzahl der potenziellen Nutzer zu maximieren. Gleichzeitig wollen die Plattformbetreiber sicherstellen, dass beliebte Spieleentwickler wie EPIC Games auf ihrer Plattform vertreten sind, denn durch sie wird die Plattform für viele Spieler attraktiver. Am Ende ist in einem Ökosystem der Kuchen für beide Seiten – Spieleentwickler und Plattformen – größer. Sie alle profitieren von der Zusammenarbeit.

Der aktuelle Konflikt zwischen EPIC Games und Apple zeigt jedoch, dass wirtschaftliche Ökosysteme auch zu heftigen Konflikten zwischen den Beteiligten führen können. Instabil wird ein Ökosystem vor allem dann, wenn einer der Akteure die Aufteilung des gemeinsam geschaffenen Kuchens als ungerecht empfindet. Dann entstehen leicht Spannungen, die die Stabilität des Ökosystems erheblich beeinträchtigen – so auch im Fall Fortnite. Bei EPIC Games war der Eindruck entstanden, dass Apple zu viele Vorteile aus der strategischen Partnerschaft gezogen hatte. Die Einführung des alternativen Zahlungssystems war ein strategischer Schritt, um aus der Perspektive von EPIC Games eine gerechtere Verteilung zu schaffen. Dies wiederum löste Vergeltungsmaßnahmen von Apple aus, denn dort sah man die Dinge anders.

Lernen kann man aus diesem Konflikt, dass der Aufbau eines erfolgreichen Ökosysteme nicht nur die gemeinsame Schaffung eines größeren Kuchens erfordert. Auch die Verteilung dieses Kuchens unter den Partnern muss mit viel Sorgfalt gemanagt werden. Denn wenn die Akteure das Gefühl haben, dass ihr Anteil am Kuchen nicht groß genug ist, ist absehbar, dass sie miteinander in Konkurrenz treten und so die Stabilität des gesamten Ökosystems erheblich gefährden.

Dies gilt bei Weitem nicht nur für die Videospiel-Branche. So suchen zurzeit eine Reihe von Einzelhändlern und Online-Shop-Betreibern nach neuen Wegen für ihr Internetgeschäft, mit denen sie das dominante Amazon-Ökosystem umgehen möchten. Darüber hinaus versuchen junge Startups, mithilfe von Blockchain-Technologie dezentrale und autonome Organisationsstrukturen zu entwickeln, in denen Nutzer und Anbieter von Dienstleistungen direkt miteinander interagieren können, ohne auf die Ökosystem-Plattformen mächtiger Vermittler wie Uber und AirBNB angewiesen zu sein.

Die Instabilität der aktuellen Ökosysteme führt somit zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und möglicherweise zur Disruption gerade jener Konzerne, die die großen Disruptionen des Internet-Zeitalters hervorgerufen haben.

 

Dieser Artikel ist im Original in Englisch im Blog WHU Innovation Ecosystem Hub von Professor Dr. Dries Faems erschienen.

 

Professor Dr. Dries Faems

ist Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship, Innovation and Technological Transformation an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er ist Experte in den Bereichen Kooperation und Innovation. In seiner Lehre und in seiner Forschungsarbeit konzentriert er sich auf Allianzen in Forschung und Entwicklung, auf Kooperationen in Zusammenhang mit der digitalen Transformation sowie auf Ökosysteme im Zusammenhang mit Innovationen. Darüber hinaus ist Professor Faems Koordinator des WHU Innovation Ecosystem Hubs, einer Plattform für den Austausch und die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern bei Innovationen.