MBA-Programm

Arbeitsmarkt für MBA-Studierende in Deutschland in Zeiten von Corona

Die Leiterin des MBA Career Center der WHU, Dr. Christine Menges, gewährt Einblick in den aktuellen Arbeitsmarkt für MBA-Studierende in Deutschland.

(bereits am 9. April 2020 über LinkedIn gepostet)

In meinem vorherigen Artikel habe ich dargelegt, wie MBA-Studierende ihre Karriere während der Corona-Pandemie steuern können.

Daran möchte ich nun anknüpfen und ausführlicher darauf eingehen, wie sich der aktuelle Arbeitsmarkt für MBA-Studierende besonders in Deutschland darstellt. Wie bereits erwähnt haben manche Branchen und Unternehmen unter der Krise schwer zu leiden, während andere davon profitieren. Ich stütze meine Analyse auf aktuelle Studien und eigene Gespräche mit Recruitern, die unsere MBA-Studierenden einstellen, sowie Fachleuten aus verschiedenen Branchen.

„Wirtschaft unter Schock“ bedeutet nicht, dass auch MBA-Studierende in Schockstarre verfallen sollten.

Für Arbeitssuchende klingen die aktuellen Nachrichten nicht sehr ermutigend: Die kürzlich veröffentlichte Gemeinschaftsdiagnose für Deutschland trägt den Titel „Wirtschaft unter Schock“. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen davon aus, dass die Coronavirus-Pandemie in Deutschland eine schwere Rezession auslöst. Diese Institute erwarten, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 4,2 Prozent sinken und die Arbeitslosenquote auf 5,9 Prozent steigen wird. Für das kommende Jahr prognostizieren sie jedoch eine Erholung mit einem Wachstum von 5,8 Prozent, da sich die Regierung aufgrund der günstigen finanziellen Situation in Deutschland weitreichende Maßnahmen zur Abfederung der kurzfristigen negativen Folgen für Unternehmen und Privathaushalte leisten kann.

Wenn sich diese Prognosen bewahrheiten, werden die wirtschaftlichen Perspektiven und der Arbeitsmarkt für MBA-Absolventen im nächsten Jahr sehr positiv sein, und selbst aktuell gibt es in bestimmten Unternehmen und Branchen durchaus Beschäftigungsmöglichkeiten.

Unternehmen suchen nach wie vor nach Talenten, und deshalb sollten MBA-Studierende nicht in Schockstarre verfallen und die Stellensuche aufgeben, sondern vielmehr aktiv werden, positiv bleiben und weiterhin netzwerken und sich bewerben! Auf dem deutschen Arbeitsmarkt gibt es durchaus freie Stellen!

Welche Branchen stellen ein?

Eine aktuelle Studie zu „Recruiting in Zeiten von Corona“, die das Institute for Competitive Recruiting (ICR) unter mehr als 500 Recruitern im deutschsprachigen Raum durchgeführt hat, zeigt, dass zwar 60 % der Recruiter damit rechnen, dass Recruitingmaßnahmen während der Krise insgesamt nachlassen werden, aber immerhin 10 % der Recruiter eine antizyklische Entwicklung erwarten. Sie gehen davon aus, dass das Recruiting zunehmen wird, insbesondere in den Branchen und Unternehmen, die von der Wirtschaftskrise weniger stark betroffen sind. Laut dieser Studie wollten die Recruiter in den folgenden Branchen ihre Recruiting-Aktivitäten verstärken: IT, Beratung, Elektronik/Mechanik, Öffentlicher Sektor, Gesundheitswesen.

Laut einer Studie der Stellenbörse Jobteaser, an der sich 250 Unternehmen beteiligten, stellen die folgenden Branchen nach wie vor Arbeitskräfte ein: IT, Gesundheitswesen, Großhandel sowie Transport und Logistik. Fast die Hälfte der Teilnehmenden sagte aus, sie hätten seit Beginn der Krise weiterhin Personen eingestellt, allerdings nur für einige Aufgabenbereiche, 31 % hatten nach eigenen Angaben Einstellungen gestoppt oder aufgeschoben, 23 % stellten weiterhin Personen für alle Aufgabenbereiche ein und 3 % hatten die Anzahl der Neueinstellungen sogar erhöht.

In meinen Gesprächen mit unseren Unternehmenspartnern erfuhr ich, dass in den Branchen Technologie/IT, Konsumgüter, Gesundheitswesen/Pharmazie sowie bei einigen Beratungsunternehmen nach wie vor eingestellt wird.

Somit sollten MBA-Studierende sich besonders auf diese Branchen konzentrieren, indem sie Nachrichten aus der Branche verfolgen, Branchenfachleute in sozialen Medien ausfindig machen und deren Artikel lesen und kommentieren sowie Forschungs- und Trendberichte aus der Branche studieren (Vault ist eine sehr gute Quelle).

Welche Unternehmen stellen ein?

Eine aktuelle Studie der Karriereplattform Karriere.de zeigt, dass 40 % der DAX-30-Konzerne (der 30 wichtigsten deutschen Unternehmen, die an der Frankfurter Börse gehandelt werden) trotz der aktuellen Krise nach neuen Talenten suchen. Zu den Unternehmen, die gegenwärtig einstellen, zählen Adidas, Allianz, Beiersdorf, Covestro, Deutsche Post/DHL Group, Deutsche Telekom, Henkel, Infineon, Merck und Siemens. 30 % können in der aktuellen Situation nicht reagieren und die übrigen Unternehmen stellen aktuell aus verschiedene Gründen nicht ein. Zu den Gründen für den Einstellungsstopp gehören Umstrukturierungen aufgrund von Fusionen und Übernahmen sowie Budgetunsicherheiten. Insgesamt stellen große, finanziell gut aufgestellte Konzerne nach wie vor Personen für strategisch wichtige Posten und als Fachkräfte ein.

Nach meinen Gesprächen und Nachforschungen zu urteilen konzentrieren sich viele mittelständische Unternehmen auf die Sicherstellung der Liquidität und finanziellen Stabilität und sind deshalb vorläufig eher zurückhaltend. Sie sichern lieber das Budget für laufende Projekte, statt neue zu initiieren. „Entbehrliche“ Projekte wie Innovationsprojekte werden aufgeschoben. Unklar ist noch, ob sie nach der Krise in Digitalisierungsprojekte investieren werden und ob dies über internes Recruiting oder mithilfe externer Berater erfolgen wird. Vorläufig finden bei den meisten keine Neueinstellungen statt.  

Bei Start-ups ist die Lage unterschiedlich. Je nach Branche, Geschäftsmodell und Finanzlage werden Neueinstellungen vorgenommen, aufgeschoben oder ganz gestoppt. Das jeweilige Profil können Sie auf Crunchbase einsehen; dort gibt es auch Informationen zu den Finanzierungsrunden, Übernahmen, aktuellen Einstellungen und relevanten Presseberichten.

Stellen Sie sich die Unternehmen zusammen, die vermutlich Neueinstellungen vornehmen, und suchen Sie direkt auf deren Website nach Stellenangeboten oder erkundigen sich telefonisch, ob Bewerbungen angenommen werden. Versuchen Sie, Kontaktpersonen/Alumni bei diesen Unternehmen zu ermitteln und nehmen Sie zu diesen Personen Kontakt auf, um mehr über die Unternehmenssituation und die Konzernkultur zu erfahren und sich ein möglichst umfassendes Bild zu machen, damit Sie Ihre Bewerbungsunterlagen entsprechend gestalten können.

Welche Kompetenzen sind gefragt?

Nach den Angaben von Karriere.de suchen Unternehmen insbesondere nach IT-Kompetenzen, vornehmlich im Zusammenhang mit der jeweiligen Branche. Daten- und Geschäftsanalytiker, Softwareentwickler sowie Fachleute für das Internet of Things (Iot) und Sicherheit sind besonders gefragt. Erwünschte Eigenschaften sind zudem ein agiles Mindset, Kreativität und Erfahrung mit Start-ups. In meinen Gesprächen mit Recruitern wurden darüber hinaus hervorragende analytische Fähigkeiten, Finanzkompetenz und Erfahrung mit Fusionen und Übernahmen genannt.

Die meisten MBA-Studierenden sind „T-förmige Personen“: Der senkrechte Strich des T steht für die Expertise in einer bestimmten Funktion, während der Querstrich ausdrückt, dass sie mit Fachleuten aus anderen Bereichen zusammenarbeiten können. Dieserlernen sie, während sie im Rahmen ihres MBA allgemeine Managementkenntnisse erwerben und mit Gleichgesinnten aus anderen Fachbereichen an Gruppenprojekten arbeiten.

Mit ihren exzellenten Analysefähigkeiten, ihrem fundierten Finanzwissen, ihrem Geschäftssinn und ihren Sozialkompetenzen werden MBA-Studierende durchaus Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben. Das gilt umso mehr für alle, die aus dem IT-Bereich kommen, Erfahrung mit Fusionen und Übernahmen haben oder sich mit Prozess-/Lieferketten auskennen! Sie sollten also Ihre Kompetenzen prüfen, bereits vorhandene Erfahrungen nutzen und ermitteln, was Sie für das Unternehmen, bei dem Sie sich bewerben, einzigartig und wertvoll macht.

Insgesamt gilt: Während die Wirtschaft unter Schock ist, sollten Sie als MBA-Studierende nicht in Schockstarre verfallen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um aktiv zu werden, gezielt Kontakte zu knüpfen, zu netzwerken und sich zu bewerben! Es wird eine Zeit nach Corona geben, und Sie sollten für die Zukunft gerüstet sein. Schon der römische Philosoph Seneca sagte eins: „Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“

Von Dr. Christine Menges

Besuchen Sie unsere virtuelle Fragerunde mit Dr. Christine Menges, der Leiterin des MBA Career Center, am 2. Juni 2020!