Thorsten Truijens, seit 15 Jahren Dozent im MBA-Studiengang an der WHU, vermittelt den Studierenden einen reichen Schatz an Wissen und Kenntnissen aus der Praxis. Nach Tätigkeiten in der Bank- und Automobilbranche entdeckte er in St. Gallen seine Liebe zur Lehre und stellte fest, dass er komplizierte Zusammenhänge so aufbrechen kann, dass andere sie leicht verstehen. Wir möchten von ihm mehr über seine Schwerpunkte, das Veränderungspotenzial eines MBA und die Führungskompetenzen der Zukunft erfahren.
Wieso halten Sie es für wichtig, dass die Lehrbeauftragten aktiv in der Forschung/Wirtschaft tätig sind?
Als Professor und Berater mit praktischen Erfahrungen kann ich tiefere Einblicke in verschiedene Branchen vermitteln, die sich zum Teil schnell ändern. Oft kommt es vor, dass Führungskräfte ihre Branche für stabil halten und erforderliche Änderungen nicht antizipieren. Eine solche Einstellung kann in Phasen des Umbruchs fatal sein. Selbst eine vermeintlich stabile Branche wie die Pharmaindustrie wird in den nächsten Jahren einen entscheidenden Wandel erleben.
Wir rüsten unsere Studierenden dafür, Wandel zu antizipieren und als Chance wahrzunehmen. Sobald man Veränderungen nicht mehr fürchtet, kann man daraus produktiv Potenzial schlagen. Wer Veränderungen gegenüber aufgeschlossen ist, hat langfristige bessere Erfolgsaussichten.
Wie fördern Ihre Kurse im MBA-Programm die Fortschritte der Studierenden und wieso sind sie für kompetente Führungskräfte wichtig?
Ich unterrichte Management Accounting. In einem solchen Kurs erwarten die Studierenden keine spannenden Themen. Ich versuche jedoch, in dem Kurs zu vermitteln, wie Finanzmanagement, strategische Planung und Organizational Behaviour ineinandergreifen. Beispielsweise indem wir die Auswirkungen der Digitalisierung und neuer Geschäftsmodelle auf bestehende Geschäftsmodelle diskutieren. Ich helfe den Studierenden dabei, die Zusammenhänge zu erkennen. In unserem Kurs geht es daher nur um Zahlen, sondern um ein größeres Ganzes. Da es sich dabei um einen der letzten Kernkurse des Studiengangs handelt, möchte ich verschiedene Inhalte, die den Studierenden bereits vermittelt wurden, miteinander verbinden und damit weit über reine Zahlenspiele hinausgehen.
An welchen Forschungsthemen/Projekten arbeiten Sie gerade?
Ich arbeite seit über 30 Jahren an Beratungsprojekten in verschiedenen Branchen, von Pharma über Speditionswesen bis hin zur Kraftfahrzeugindustrie. Vor zehn Jahren berieten wir unsere Kundschaft zur Leistungsbeurteilung und Kalkulation der Produktkosten, doch mittlerweile ist das angesichts Digitalisierung und Predictive Analytics weniger gefragt. Wir betrachten weniger die aktuelle Rentabilität von Produkten oder Dienstleistungen, sondern vielmehr die Rentabilität eines Produkts, einer Dienstleistung oder eines Kunden über die gesamte Lebensdauer. Wir versuchen also beispielsweise den Customer Lifetime Value zu bestimmen.
Mein großes Anliegen ist es, Unternehmen dazu zu bewegen, weniger Wert auf kurzfristige Jahresergebnisse zu legen und sich stärker um die langfristige Liquiditätssteigerung zu bemühen. Wir beurteilen den gesamten Kundenzyklus, und dazu benötigen wir belastbare Zahlen. KI kann dabei in der heutigen Zeit wesentlich bei der Ermittlung belastbarer Zahlen helfen.
Das zweite große Thema besteht darin, die Geschäftsführung zu einer umfassenden Sicht auf das gesamte Unternehmen zu bewegen, weg von der Analyse einzelner Funktions- oder geografischer Silos. Geld lässt sich nur mit externer Kundschaft verdienen. Große Unternehmen hingegen investieren viel Energie in Diskussionen über interne Transferpreise und Kostenzuweisung.
Was möchten Sie künftigen Studierenden über das MBA-Programm an der WHU sagen?
Als ich vor vielen Jahren mein MBA-Studium abschloss, war mir nicht klar, wie sehr dieser Abschluss mein Leben verändern würde. Ohne dieses Studium hätte ich heute kein eigenes Unternehmen und wäre nicht dort, wo ich gerade bin. Ein MBA eröffnet Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung, die weit über das hinausgehen, was man sich beim Abschluss des Studiums vorstellen kann. Ich würde sagen: Unterschätzen Sie den Mehrwert eines MBA nicht!
Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Kompetenzen, die MBA-Studierende künftig benötigen?
Als ich vor 30 Jahren meine Stelle bei einer Bank aufgab, waren meine Eltern darüber gar nicht glücklich. Sie hatten gedacht, ich würde mein ganzes Berufsleben bei dieser Bank verbringen. Schließlich galt das Bankwesen als äußerst stabile Branche. Das hat sich mittlerweile sicherlich geändert. Gleiches gilt für den Automobilhersteller, für den ich tätig war. Alles ist im Wandel, alte Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand. Deshalb muss das entscheidende Ziel darin bestehen, die strategischen und organisatorischen Kompetenzen zu erwerben, mit denen sich Veränderungen antizipieren und zum Vorteil gestalten lassen sowie die daraus resultierenden notwendigen Veränderungen durch einen überzeugenden Führungsstil umzusetzen.