Sonderdividenden, die Abspaltung weniger rentabler Unternehmenszweige oder die strengere Einhaltung von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, gute Unternehmensführung) – das sind Beispiele für Forderungen aktivistischer Aktionäre. Diese aggressiv auftretenden Gruppen von Aktionären sind bei börsennotierten Unternehmen in Deutschland auf dem Vormarsch. Sie möchten ihren Einfluss geltend machen, nicht selten über einen Sitz im Aufsichtsrat, um ihre Positionen durchzusetzen, den Wert des Unternehmens zu steigern und letztlich die Gewinne für die Aktionäre zu erhöhen. Auch wenn die Wertsteigerung eines DAX-Konzerns prinzipiell auch für dessen Führungsetage wünschenswert ist, kann der massive Einfluss einer Investorengruppe sich längerfristig negativ auf die strategischen Entscheidungen des Managements auswirken. Wie eine neue Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management und FTI Strategic Communications zeigt, stehen Unternehmen diesem Problem aber nicht schutzlos gegenüber. „Je transparenter die Finanzprognose eines Konzerns, desto weniger Lücken lässt das Management zwischen dem vermuteten und dem realisierten Wert”, kommentiert Christian Andres, Professor für Empirical Corporate Finance an der WHU. „Und wer keine Lücke zwischen dem vermuteten und dem am Kapitalmarkt realisierten Wert lässt, gibt einem aktivistischen Aktionär wenig Raum, zu argumentieren, dass das Unternehmen unter seinen Möglichkeiten bleibt.“
Zwei Verteidigungsstrategien gegen aktivistische Aktionäre
Die Ergebnisse von WHU und FTI zeigen, dass Unternehmen insbesondere dann durch aktivistische Aktionäre angreifbar waren, wenn sie nur vage und kurzfristige Finanzprognosen für das laufende Geschäftsjahr veröffentlichten. Nachweisen konnten die Autoren der Studie das anhand von 33 öffentlichen Angriffen von Aktionären der letzten zehn Jahre auf Unternehmen, die im Dax, MDax, SDax oder TecDax gelistet sind. Derartige Angriffe traten durch die nach dem Corona-Crash steigenden Aktienkurse zuletzt seltener auf. Sie werden jedoch wieder zunehmen, wenn die Kurse konsolidieren und bei Unternehmen wieder Schwächephasen im Vergleich zu Mitbewerbern auftreten. Die Analyse dieser Problematik zeigte, dass zwei Strategien Konzerne besonders resistent gegen die Angriffe von Investoren machen.
Zunächst sollten börsennotierte Unternehmen eine kontinuierliche Schwachstellenanalyse betreiben. So sind sie argumentativ auf alle Einwände der Aktionäre vorbereitet und können Kritikpunkte antizipieren. Manager sollten nachvollziehbar erläutern können, wie sich Strategie und Geschäftsmodell positiv auf die Ertragskraft des Unternehmens auswirken werden. Dabei sollten sie besonderen Wert auf einen mittel- und langfristigen Ansatz legen, um so auch über einen längeren Zeitraum die Renditeerwartungen darlegen zu können.
Die zweite Strategie, um aktivistischen Aktionären keine Angriffsfläche zu bieten, besteht darin, die Finanzprognosen der Unternehmen so transparent wie möglich zu treffen. Die Studie zeigt einen direkten Zusammenhang zwischen vagen und kurzfristigen Finanzprognosen und dem Risiko, ins Visier aktivistischer Aktionäre zu geraten. So fanden die Forscher heraus, dass jene Unternehmen, die in der Vergangenheit von Aktionären attackiert worden waren, deutlich seltener konkrete Finanzkennzahlen veröffentlicht hatten als jene, die nicht angegriffen wurden. Während fast alle untersuchten Unternehmen einen Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr gaben, fehlten bei einigen Unternehmen Prognosen zu Umsatz, Gewinn oder Cash Flow für das darauffolgende Jahr (mittelfristig) und die Jahre danach (langfristig). Gerade diese Unternehmen waren es, die die bevorzugten Ziele für die teils radikalen Forderungen von Aktionären wurden. Umgekehrt wurden Unternehmen, die mittel- und langfristig zumindest Umsatzziele herausgaben, deutlich seltener Opfer von Attacken. „Gerade Konzerne mit vielen direkten, börsennotierten Wettbewerbern, wie etwa in der Automobilindustrie, müssen einen Blick nicht nur in die nahe, sondern auch in die weitere Zukunft wagen“, erklärt Florian Bamberg, Director Strategic Communications bei FTI Consulting, Co-Autor der Studie und Alumnus der WHU. „Denn sonst kaufen Investoren ihre Peers. Das führt zu einem schwachen Aktienkurs und lässt so das Tor weit offen für den Angriff eines aktivistischen Aktionärs, der sich in diesem Fall relativ einfach die Unterstützung der übrigen Aktionäre sichern kann.“
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