Zum einundzwanzigsten Mal fand die Campus for Finance – WHU New Year's Conference 2021 am 20. und 21. Januar statt. Im Rahmen der von Studierenden der WHU — Otto Beisheim School of Management organisierten Finanzkonferenz, gaben fünfzehn hochkarätige Rednerinnen und Redner ihre Einschätzung zum diesjährigen Konferenzthema „Globale Schocks — Können Finanzsysteme die Realwirtschaft retten?“
Eine Pandemie verändert die globalen Finanzmärkte – und die Campus for Finance Konferenz
2020 war ein Jahr des Wandels. Die Welt hat einen Schock globalen Ausmaßes erlebt, eine Pandemie, die unsere Lebens- und Arbeitsweise nachhaltig verändert hat. Auch für die Finanzmärkte hatte dies Konsequenzen: Kursabstürze im März, historisch wenige Fusionen und Unternehmenskäufe sowie ein beispielloser Anstieg der globalen Verschuldung und des Finanzierungsbedarfs im privaten Sektor. Diese und weitere Folgen thematisierte die Campus for Finance – WHU New Year's Conference 2021. Aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen fand die Konferenz in diesem Jahr erstmals in einem hybriden Format statt: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer loggten sich über eine eigens für die Konferenz eingerichtete Plattform ein, die Vortragenden waren teils vom neu eingerichteten Video-Studio der WHU und teils von Zuhause aus zugeschaltet.
Die Finanzmärkte koppeln sich zunehmend von der Realwirtschaft ab
Einer der prominentesten Redner war Christian Sewing, CEO der Deutsche Bank AG. Wie er erklärte, gibt es auf den ersten Blick viele valide Gründe pessimistisch zu sein: Mutationen machen COVID-19 noch infektiöser, Intensivstationen erreichen ihre Kapazitätsgrenzen, und die Zahl an Impfskeptikern wächst kontinuierlich. Stark betroffene Branchen wie Tourismus, Gastgewerbe und Luftfahrt leiden nach wie vor massiv unter dem Lockdown und verzeichnen Rekordverluste. Parallel dazu steigen Aktienindizes auf Allzeithochs. Warum weichen die Erwartungen der Finanzexperten also so deutlich von den verheerenden gesundheitlichen und tatsächlichen ökonomischen Auswirkungen der Pandemie ab? Laut Sewing gibt es dafür mehrere Gründe: Der abgeschlossene Brexit und eine neue US-Administration geben Grund zum Optimismus. Die neuen Impfstoffe von Moderna, BioNTech und Pfizer seien ein wissenschaftlicher Durchbruch. Daher können wir davon ausgehen, so Sewing, dass am Ende des Jahres wieder viele angeschlagene Wirtschaftszweige zum Alltagsgeschäft übergehen können. Eine große Unsicherheit sei somit beseitigt. Ein zweiter wichtiger Grund sei der massive Nachfragerückstau bei Konsum- und Gebrauchsgütern. Sewing geht davon aus, dass sich dieser in der zweiten Jahreshälfte abbauen lässt und Menschen die ausgebliebenen Restaurantbesuche und abgesagten Reisen nachholen werden.
Die Arbeitsweise im Finanzsektor hat begonnen, sich zu verändern
Doch nicht nur der wirtschaftliche Ausblick hat sich über die vergangenen zwölf Monate verändert. Im Verlauf der zweitägigen Konferenz wurde deutlich, dass sich auch die Arbeitsweise im Finanzsektor gewandelt hat. Wie Oliver Behrens, CEO der Morgan Stanley Europe SE, beschrieb, würde er mit Kunden über neue Kommunikationswege interagieren. Zudem müsse er mehr auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen. Auch Dr. Michael Pickel, CEO des Rückversicherers Hannover Rück, schilderte Herausforderungen, welche die neue Arbeitsweise mit sich bringt. So sei es schwierig, neue Kolleginnen und Kollegen virtuell in ein bestehendes Team zu integrieren und nahezu unmöglich, neue Klienten über Videokonferenzen zu gewinnen. Dr. Stefan Povaly, Senior Country Officer von J.P. Morgan Deutschland, sieht jedoch auch Vorteile. In vielerlei Hinsicht seien die Teams besser informiert und vernetzt, da Geschäftsreisen wegfallen, berichtete er. Ohne den direkten Austausch vor Ort müssten die Teammitglieder sich auch mit Materien vertraut machen, die ansonsten eher von ihren Kollegen abgedeckt würden.
Herausforderungen von 2020 werden zu Chancen für 2021
Ob Finanzmärkte eine abstürzende Realwirtschaft somit retten können, bleibt fraglich. In der COVID-19 Pandemie hat sich jedoch gezeigt, dass die globale Finanzlandschaft durchaus zum Aufschwung beitragen kann. Wie Christian Sewing schon zu Beginn der Konferenz ausführte, ständen Banken in ihrer Rolle als Finanzdienstleister im Zentrum der wirtschaftlichen Transformation. Sie interagieren mit den unterschiedlichsten Kundengruppen, Anlegern und Investoren auf der ganzen Welt. Daher sei es nun die Aufgabe der Finanzbranche, die Herausforderungen der Vergangenheit in Chancen für die Zukunft zu verwandeln.