„Familienunternehmen brauchen pragmatische und nicht ideologische Lösungen“, waren die Worte von Bernhard Simon, Vorstandsvorsitzender des Logistikdienstleisters Dachser und neben Alfred Ritter ebenfalls Schirmherr des diesjährigen Campus for Family Business (CfFB), mit denen er die Konferenz begann. Zuvor hatte Prof. Dr. Nadine Kammerlander, Inhaberin des Lehrstuhls für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management, den Campus offiziell eröffnet und kurz ihre jüngsten Forschungsergebnisse zu inhabergeführten Unternehmen in Deutschland vorgestellt. Das übergeordnete Thema der Veranstaltung in der Stadthalle Vallendar: Nachhaltiges Unternehmertum – Generationenkonflikt oder Wettbewerbsvorteil?
Schirmherr Bernhard Simon trat bereits zuvor beim CfFB auf und überzeugte in der Vergangenheit schon mit seinen Erkenntnissen. Auch dieses Mal klang seine Rede nach. Er beschrieb, wie sein Unternehmen und dessen Fuhrunternehmer zu den Hochzeiten der COVID-19-Pandemie auch in Wuhan oder Bergamo unterwegs waren, um die Versorgung dieser Gebiete sicherzustellen. Mit dem Ergebnis zeigte er sich zufrieden: Durch Flexibilität und Verlässlichkeit konnte Dachser in der Krise sogar Kunden dazugewinnen. Der Schirmherr konstatierte, dass Familienunternehmen am Kundennutzen und nicht am Shareholder Value orientiert sein müssten. „Nachhaltige Unternehmer müssen in ein Morgen investieren, in dem wir gerne leben wollen“, so der Familienunternehmer.
Wie sämtliche Veranstaltungen stand auch der CfFB in diesem Jahr unter dem Eindruck der Corona-Regularien. So musste die Veranstaltung in die Stadthalle Vallendar ausweichen, um ausreichenden Abstand zu gewährleisten – nur eine von zahlreichen Maßnahmen. „Der – sowohl personelle als auch finanzielle – Aufwand für die Corona-konforme Durchführung der Veranstaltung war erheblich. Wir mussten unter anderem ein tragfähiges Hygiene-Konzept erstellen, einen Sicherheitsdienst engagieren, genügend Desinfektionsmittel und Masken bereitstellen und die Technik-Ausstattung hochfahren. Aber es hat sich gelohnt. In Summe – vor Ort und digital Teilnehmende zusammengengezählt – hatten wir in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung“, so Prof. Kammerlander. Die Ausrichter hatten im Vorfeld dafür gesorgt, dass die Teilnehmenden auch online bei Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden aktiv mitmachen konnten.
Spannende Inhalte und Best-Practice-Beispiele gab es so auch im hybriden Format zu erleben, beispielsweise bei der Podiumsdiskussion "Nachhaltige Führung mit Vision". Denn zu den sechs Mittelständlern der Runde zählte auch Martin Kind, vielen möglicherweise eher als ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Hannover 96 bekannt, statt als Geschäftsführer der Kind-Gruppe. Er erläuterte, dass die strategische Grundausrichtung eines Familienunternehmens zwar feststehen sollte, aber dennoch Raum für Anpassungen gegeben sein muss. Laut Kind muss die neue Generation beim Einstieg ins Unternehmen auch Innovationen mitbringen. Einen ähnlichen Blick auf die nachfolgende Generation hatte auch Unternehmerin und Diskutantin Karen Queitsch. Sie ist seit 2019 Geschäftsführerin "Nachhaltigkeit und Innovation" der SUND Holding. In der Podiumsdiskussion sprach sie sich dafür aus, branchenübergreifend Nachhaltigkeit, Unternehmenstätigkeit und Kommunikation auf den neuesten Stand zu bringen, um möglichst ressourcenschonend zu arbeiten.
Spannende Vorträge gab es unterdessen auch von Schirmherr Alfred Ritter und Aya Jaff. So hat Ritter als Enkel des Gründers das Familienunternehmen Ritter Sport in den vergangenen Jahren entscheidend in Richtung ökologischer Nachhaltigkeit und fairer Löhne transformiert. Die Firma erwarb Land in Nicaragua und stieg selbst in die Produktion nachhaltigen Kakaos für die Produktion von Schokolade ein. Das führte nicht nur zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die lokalen Bauern, sondern erfüllt auch die Kriterien einer Zertifizierung des Anbaus unter Umweltaspekten und Sozialstandards. Programmiererin Aya Jaff dagegen, die als Kind aus dem Irak fliehen musste, gilt heute vielen als Wunderkind der deutschen Tech- und Börsen-Szene. Sie erweiterte das Thema Nachhaltigkeit noch um eine digitale Komponente, im Bezug auf den möglichst einfachen Zugang von Wissensgütern für Menschen weltweit.
Zusätzliche gewinnbringende Erkenntnisse lieferte Natalie Mekelburger, CEO und Vorsitzende der Geschäftsführung der Coroplast Group, in ihrem Vortrag. Sie plädierte dafür, die marktwirtschaftlichen Kräfte zu nutzen, um die bestehenden Herausforderungen insbesondere mit Hinblick auf den Klimawandel zu überwinden. Neben diesen interessanten Einblicken konnten die Teilnehmer des CfFB sich intensiv in Workshops weiterbilden, die sich mit der Nachhaltigkeit in Familienunternehmen, Stiftungen und dem Krisenmanagement in Familienunternehmen beschäftigten. Eine der Lehren war, dass mit gründlicher Vorbereitung Generationenkonflikten in Familienunternehmen aus dem Weg gegangen werden kann.
Co-Gastgeberinnen des CfFB sind die WHU-Professorinnen Nadine Kammerlander und Christina Günther zusammen mit ihren jeweiligen Lehrstühlen für Familienunternehmen und für kleine und mittlere Unternehmen an der WHU. „Wir hatten viele spannende, teils auch kontroverse Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit in Familienunternehmen, angereichert durch praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Da konnten alle etwas für sich mitnehmen“, bilanzierte Nadine Kammerlander. Viel Anerkennung für die Durchführung einer Veranstaltung in der Größenordnung des CfFB gab es auch von Seiten anderer Hochschulen – dort überlegt man das hybride Konzept und die Hygienemaßnahmen für eigene Veranstaltungen zu adaptieren.