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WHU-Studierende putzen „Stolpersteine“

Jeder geputzte Stolperstein ist eine Verneigung vor den Opfern

„Die Erinnerungskultur ist nach 70 Jahren nicht einfach vorbei“, sagt Julius Reichel während des alljährlichen Stolpersteinputzens. Als Vorsitzender des christlich-demokratischen Studentenverbund Vallendars ist der 20-Jährige auch dieses Jahr wieder auf den Straßen Vallendars unterwegs, um mit weiteren WHU-Studierenden die Stolpersteine von dem Schmutz der vergangenen zwölf Monate zu befreien. Gewappnet mit Lappen und Scheuermilch macht sich die Truppe in Zweier-Teams auf die Suche nach den Menschen, deren Tragödien sich damals in dem heutzutage so beschaulichen Vallendar ereigneten.

Der 27. Januar ist in Deutschland der offizielle Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Vor 76 Jahren wurde das Konzentrationslager in Auschwitz befreit. Auch in Vallendar lebten damals Juden, die vertrieben oder in Konzentrationslager transportiert wurden. Zum Gedenken an sie begann der deutsche Künstler Gunter Demnig daher in den neunziger Jahren damit, kleine Gedenktafeln aus Messing in den Boden einzulassen. Dabei repräsentiert jeder sogenannte Stolperstein einen Menschen, der im Nationalsozialismus verfolgt, deportiert oder ermordet wurde. Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 70.000 solcher Gedenksteine, einige befinden sich in Vallendar.

Wie Julius Reichel erklärt, ist es wichtig, auch nach über 70 Jahren die Erinnerungskultur am Leben zu halten. Jeder Stein erzähle seine ganz eigene Geschichte. Durch das Putzen würde man dem Verstorbenen Würde verleihen, ihn oder sie nicht vergessen. Beim Schrubben eines jeden Steins hält Julius kurz inne. Am Anfang könne er nicht erkennen, um wen es sich handelt, erzählt er später. Nach und nach würde er dann mehr erfahren, erst den Namen der Person, dann das Geburtsdatum und schließlich den Todestag. Erst wenn der Stein wieder frei von Schmutz ist, würde er realisieren, dass ein Menschenleben dahintersteckt. Ein beklemmendes, schmerzliches Gefühl.

Kommendes Jahr hofft Julius wieder in einer größeren Gruppe die Stolpersteine putzen zu können. Dann möchte er auch wieder eine Mahnwache veranstalten, um gemeinsam mit Kommilitonen und Bürgern Vallendars der Opfer zu gedenken, in den Dialog zu treten und ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. „Denn die Geschehnisse von damals“, so sagt er, „dürfen wir niemals vergessen.“