Uwe Böttcher ist Direktor der Bibliothek an der WHU - Otto Beisheim School of Management. Im Interview erklärt er, wie er und sein Team auf die krisenbedingten Einschränkungen reagiert haben und wie sich die Arbeit der Bibliothek dadurch verändert hat.
Herr Böttcher, aufgrund von Corona musste auch der Service der WHU Bibliothek weitgehend digital laufen. Wie digital war die Bibliothek zuvor schon aufgestellt?
In Bezug auf die klassischen Dienstleistungen – Beschaffung und Bereitstellung von Fachliteratur und Daten – hat sich für die Bibliothek durch die Corona-Pandemie wenig geändert. Da wir seit über 10 Jahren konsequent daran arbeiten, unsere Informationsangebote möglichst digital vorzuhalten, lag der digitale Anteil des Gesamtumsatzes bereits vor Beginn der Pandemie bei ca. 75-80%.
Auch den Beratungsdienst wickelt die Bibliothek schon seit längerer Zeit neben der persönlichen Beratung vor Ort zu einem großen Teil digital ab – per Telefon, E-Mail, Video-Fernunterstützung und mit Hilfe eines Ticketsystems zur Verwaltung der Anfragen.
Lediglich alle Arbeitsabläufe, die physische Medien wie gedruckte Bücher und Zeitschriften betreffen, mussten wir auf die neue Situation anpassen. Dazu gehören die Buchausleihe und -rückgabe. Sie wurden wegen des zeitweise bestehenden Betretungsverbots für Studierende auf Postversand umgestellt bzw. wurde für die Rückgabe vor Ort während der Servicezeiten eine Rückgabekiste aufgestellt. Die Bestellung von Büchern erfolgt per E-Mail, Fehlendes haben wir wo immer möglich kurzfristig als E-Book beschafft. Auch die stark orts- und objektgebundene Arbeit der Medienbeschaffung und -einarbeitung wurde im Arbeitsablauf so angepasst, dass sie in Teilen auch im Homeoffice bewältigt werden konnte.
Durch die Anpassungen wurden alle Prozesse insgesamt etwas langsamer, konnten aber weiter uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir diese Änderungen auch im Laufe der Zeit wieder zurücknehmen können.
Insgesamt hat die Pandemie also bislang keine dauerhaften Veränderungen in der Bibliothek bewirkt.
Die Bibliothek ist nicht nur ein Ort des Wissens, sondern auch der Konzentration und Ruhe und wird darum von vielen Studierenden zum Lernen aufgesucht. Wie fiel die allgemeine Reaktion auf die Schließung der Bibliothek aus?
Wir haben zur Schließung des Lesesaals und des PC-Labs kaum direkte Rückmeldung von den Studierenden erhalten. Dies hing vermutlich damit zusammen, dass viele aufgrund der plötzlichen Schließung des gesamten Campus verlassen und nach Hause zurückgekehrt sind.
Wir hoffen jedoch, dass wir den Lesesaal und das PC-Lab im kommenden Herbstsemester wieder weitgehend uneingeschränkt öffnen können, denn beide Räumlichkeiten werden als Orte des gemeinsamen Lernens von den Studenten immer sehr geschätzt und gerne genutzt.
Das Semester ist vorüber, alle Prüfungen sind geschrieben. Wie sehr nutzen die Studierenden das Angebot im Moment, und wie wird es in den kommenden Sommermonaten aussehen?
Das Angebot wurde von den Studierenden sehr positiv aufgenommen und insbesondere während der Prüfungsphase gut genutzt. Mittlerweile ist der ausgehende Postversand stark rückläufig, sodass wir beschlossen haben, diesen Service nur noch bis zum Beginn des neuen Semesters aufrecht zu erhalten.
Seit dem 8. Juni ist die Bibliothek auch wieder für Studierende zugänglich, sodass aktuell für die Sommerpause weitgehend dieselben Bedingungen bestehen wie in früheren Jahren. Wir gehen davon aus, dass das ausreichend ist, sind aber darauf vorbereitet, auf besondere Situationen flexibel und individuell zu reagieren.
Die aktuelle Nutzung der Bibliothek ist „saisongemäß“, das heißt, bedingt durch die vorlesungsfreie Zeit, weitgehend auf das akademische Personal der WHU beschränkt.
Wie haben die Vorbereitungen für die Wiederöffnung der Bibliothek für Studierende ausgesehen? Gab es besondere Bedenken oder Probleme, die Hygienestandards einzuhalten?
Vorweg: Die Bibliothek war zu keinem Zeitpunkt vollständig geschlossen, lediglich für Studierende aufgrund der allgemeinen Beschränkungen für den Campus nicht zugänglich. Dennoch wurde unser Angebot vor Ort weiterhin von den Doktorandinnen und Doktoranden und vom Personal der WHU genutzt. Insofern mussten wir schon frühzeitig die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, die sich zeitweise im Wochentakt veränderten, wenigstens provisorisch umsetzen.
Mit der Zeit haben wir in Zusammenarbeit mit dem Rektorat und dem Facility Management einen Plan erarbeitet, der die Maßnahmen der Bibliothek zur Einhaltung der Hygienestandards beschreibt und der regelmäßig an die sich weiterhin verändernden Vorgaben angepasst wird.
Nennenswerte Probleme gab es bei der Umsetzung der Maßnahmen nicht, zumal die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen wirklich sehr positiv und reibungslos verlief.
Welche Veränderungen könnten sich in Bezug auf die Digitalisierung im Literaturkonsum in der Zeit nach Corona durchsetzen?
Ich kann aktuell noch keine durch Corona generierten Veränderungen im Medien- oder auch Datenkonsum erkennen, da die Bibliothek ja bereits vor der Pandemie in einem sehr hohen Maß digital genutzt wurde.
Dennoch beobachten wir das Nutzungsverhalten immer sehr genau und passen uns stets dem jeweiligen Bedarf an. Sollte also in Zukunft ein verändertes Verhalten erkennbar sein, werden wir uns auch darauf wieder entsprechend einstellen.
Ungeachtet dessen bereiten wir derzeit einige neue Serviceangebote speziell im Bereich des Forschungsdatenmanagements vor. Diese Schritte haben wir jedoch schon vor Beginn der Pandemie begonnen und sehr konsequent vorangetrieben. Corona hat diesen Prozess bislang weder beeinflusst noch in seiner Geschwindigkeit verändert.
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