WHU Campus for Controlling

Den Wandel aktiv mitgestalten

2016: Kann man die digitale Transformation im Controlling tatsächlich als disruptiv bezeichnen?

Muss sich der Controller neu erfinden? Ist nicht der Computer der bessere Controller? Und wie verändern Unternehmen wie SAP oder ENBW ihre Planungsprozesse?

Die Themen des diesjährigen WHU Campus for Controlling spiegelten wider, was Praktiker und Wissenschaftler auch außerhalb des Kongresses zurzeit am meisten beschäftigt: der Wandel des Controllings. Gastgeber Professor Jürgen Weber zeigte anhand von Daten des WHU Controller Panels auf, dass bereits in den letzten zehn Jahren eine deutliche Veränderung im Controlling stattgefunden hat, wesentlich angestoßen von der Entwicklung der IT-Basis. Sie hat der Business-Partner-Rolle eine zentrale Bedeutung verschafft, ohne aber die bisherigen Rollen überflüssig zu machen. Auf diesem Weg der Veränderung konnten und können Controller vom Austausch mit der Wissenschaft profitieren, so Weber. Die von der Wissenschaft zur Verfügung gestellten Benchmarks und Impulse lieferten wichtige Argumente, um notwendige Änderungen wirkungsvoll zu kommunizieren und tatsächlich durchzusetzen.

Ganz in diesem Sinne entwarf Professor Utz Schäffer als zweiter Gastgeber des Campus ein eindrucksvolles Bild der mit der Digitalisierung der Geschäftswelt einhergehenden Veränderungen, die auch die Zukunft des Controllings wesentlich prägen werden. Dadurch, dass sie keinen Bereich der Wirtschaft auslassen würden, hätten sie eine deutlich höhere Tragweite als frühere Disruptionen. Sehr systematisch und handlungsorientiert machte Schäffer klar, wie grundlegend Controller umdenken müssten – und dies auch noch in kurzer Zeit. Trotz aller Veränderungen war er sich aber am Ende sicher: „Controller werden nicht überflüssig werden“.

Passgenaues Controlling bei Covestro

Frank H. Lutz, CFO der Covestro AG, zeigte, wie sein Unternehmen den Carve-out aus dem Bayer Konzern in einem schwierigen Marktumfeld meistern konnte. Einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Abspaltung der ursprünglichen Bayer MaterialScience leistete das Controlling. Mit Mut zu radikalen strukturellen Veränderungen wie der Fokussierung auf wenige zentrale Controlling-Einheiten hatte es sich gezielt auf die Bedürfnisse des neuen Unternehmens ausgerichtet. Heute steht das Controlling der Covestro AG in konsequentem Kontakt mit den Business Units. Lutz hob auch die große Bedeutung der veränderten Unternehmenskultur hervor, die den Wechsel in die unternehmerische Freiheit begleite. Heute dürfe man durchaus Fehler machen – wenn man aus diesen lernte.

Digital Boardroom unterstützt neue Planung bei SAP

Auch Wolfgang Jany, Leiter Controlling und CoE Master Data bei SAP, nahm auf den Wandel Bezug, von Veränderungen des Geschäftsmodells – weg von den traditionellen Software-Lizenzen (On-Premise Software) hin zu Cloud-Lösungen – bis zu einem neuen Planungsprozess. Dieser orientiert sich heute stark an den Werttreibern im Unternehmen. Er findet erhebliche Unterstützung durch den sogenannten Digital Boardroom. Hier stehen den Entscheidern nicht nur Vergangenheits- und Zukunftsdaten in Realtime zur Verfügung, sondern diese sind auch durch Werttreiberbäume miteinander verknüpft. So ist eine Vielzahl von Simulationen als Entscheidungsgrundlage möglich. Der mögliche Realtime- und Self-Service-Zugang für das Management, so Jany, bedeutet aber mitnichten den Verlust der Steuerungsrolle für die Controller. Sie sind mehr denn je gefragt als Storyteller, die Nutzer des Digital Boardrooms davor bewahren, sich zu sehr in Detailfragen zu verlieren.

Den Wandel wagen bei EnBW

Auch EnBW Energie Baden-Württemberg AG hat den Planungsprozess neu aufgesetzt. In einem höchst volatilen Umfeld wie dem der Energiewirtschaft war es notwendig, den Planungsprozess signifikant zu verkürzen und auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dr. Oliver Strangfeld, Leiter Controlling Erzeugung Nuklear EnBW, griff das Postulat von einem Controlling auf, das nicht nur Einzelprozesse, sondern das große Ganze im Blick hat. Wer Veränderungen wagt, so Strangfeld, müsse zunächst das übergreifende Problem identifizieren. Der Controller müsse seinem Umfeld vermitteln, warum Veränderungen notwendig sind. Nur so könne er auf volle Unterstützung bei der Umsetzung zählen. EnBW hat es gegen Widerstände geschafft, innerhalb einer langfristigen Strategie sein Controlling zentral zu organisieren und nach Konzernprozessen und Geschäftseinheiten auszurichten. Mittels einer Fokussierung auf Werttreiber, einem Top-down-Prozess und sonstiger Maßnahmen konnte die Mittelfristplanung erfolgreich von 16 auf drei Wochen verkürzt werden.

Mensch oder Computer?

Mit der Frage, ob Controller durch Computer ersetzt werden können, beschäftigte sich schließlich der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck. Dazu erläuterte er, wie das Gehirn neue Ideen erzeugt. Leistungen des Gehirns basieren auf seiner Unvollkommenheit, und Innovationen setzen Fehler im System voraus. Daten seien nicht mit Informationen und Informationen nicht mit Wissen gleichzusetzen, so Beck, denn das Gehirn sei viel besser vernetzt als ein Computer. „Damit etwas Neues entstehen kann, müssen Ideen sich berühren.“ Diese Erkenntnis übertrug er auf Organisationen. Hier komme es insbesondere auf die Gestaltung der Schnittstellenpositionen an. Er plädierte für einen offenen Wissensaustausch, um Probleme zunächst zu identifizieren und die Möglichkeit zu schaffen, bestehenden Wissen zu verknüpfen, um neue Wege zu finden. Sein Auftrag: „Stay hungry! Stay foolish!“

Die wichtigste Erkenntnis, die sich durch alle Vorträge auf dem Campus zog: Um den anstehenden Wandel zu bewältigen, muss das Controlling selbst veränderungsfähig werden, Innovation zulassen und Bestehendes stets in Frage stellen. Feste Strukturen und starke Veränderungen sind nicht vereinbar. Controlling anpassungsfähig zu machen, erfordert ein intelligentes Verbinden von Analytik und Intuition, einen wachen Blick auf notwendige Anpassungen, eine Kultur des offenen Informationsaustauschs und des kritischen Hinterfragens. Es bleibt spannend.