Welche Faktoren und Überlegungen für Start-ups entscheidend sind
Stephan Schubert - 27. Januar 2021
-Best Practice-
Die passende Verkaufsstrategie liegt manchmal nicht auf der Hand, auch wenn das Produkt gut ist. So gingen wir bei der Gründung von Onvista davon aus, dass wir Kunden Finanzinformationen, Aktienkurse und ähnliches würden direkt im Abo verkaufen können (B2C). Das stellte sich jedoch als nicht praktikabel heraus. Stattdessen gelang es dem Online-Portal aber auf anderen Wegen Einnahmen zu generieren. Nämlich über das Bereitstellen von Werbeflächen und über Partnerschaften auf der Seite. Auch E-Mail-Adressen, die über Registrierungen eingingen, konnten zukünftig als Währung eingesetzt werden. Zudem ergab sich ein völlig neuer Absatzmarkt, der für das Startup gar nicht eingeplant war. So waren Banken am Kauf der Programme von Onvista interessiert (B2B), um ihren Kunden die Finanzdienstleistungen auf ihrer Webseite anbieten zu können. Eine zunächst verborgene Chance, denn so hatte sich die Verkaufsstrategie vom B2C- um ein B2B-Modell ergänzt.
B2C oder B2B
Für Unternehmen und insbesondere frisch gegründete Start-ups macht es einen fundamentalen Unterschied, ob sie den Vertrieb B2C oder B2B aufnehmen. Der B2C-Vertrieb konzentriert sich auf eine große Gruppe von Privatkonsumenten, die in der Regel nicht persönlich angesprochen werden können. Da die absoluten Gewinne beim Verkauf dort oft geringer sind als beim B2B-Verkauf, müssen Gewinne durch ein größeres Verkaufsvolumen erzielt werden. Der B2B-Vertrieb richtet sich dagegen oft an wenige Firmen oder Dienstleister, mit denen die Startup-Gründer in direktem Kontakt stehen. Entsprechend sind die absoluten Gewinne bei Großkunden meist höher. Eine individuelle Vertriebsstrategie und die direkte Kontaktaufnahme sind für diesen Fall entscheidend. Das Produkt sollte mit persönlicher Ansprache bekannt gemacht werden, denn Firmen werden ansonsten keine Kenntnis von dessen Existenz haben und dementsprechend auch nicht aktiv danach suchen. Dabei kommt es weniger stark auf Performance-Marketing an, sondern mehr auf eine passend entwickelte Verkaufsstrategie. Sechs von zehn Gründen, warum neue Startups sich nicht am Markt halten können, stehen im Zusammenhang mit einem unzureichenden Vertriebskonzept.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Wessen Produkt auch ohne Aufmerksamkeit zu erregen von den Kunden nachgefragt wird, kann sich glücklich schätzen. Er oder sie muss zum Verkauf einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Noch unbekannte Produkte müssen dagegen aktiv beworben, vorgestellt oder erklärt werden. Dieser „push“-Ansatz verliert heutzutage zwar an Popularität, ist oftmals jedoch erfolgreicher. Durch die individuelle Ansprache sind Kunden häufiger zum Kauf geneigt. Denn Performance-Marketing funktioniert nur, wenn potenzielle Kunden auch aktiv nach dem Produkt suchen.
In meiner Erfahrung sind riesige Marketingbudgets ebenfalls keine Erfolgsgaranten. Vielmehr geht es um den intelligenten Einsatz der Mittel. Auch wenn es für manche Branchen mittlerweile nicht mehr schwierig ist, viel Kapital anzusammeln, sollten Start-ups nicht um jeden Preis schnell wachsen wollen. Oft führt auch gut umgesetztes, kontrolliertes Wachstum, das dann meist viel weniger Kapital benötigt, zu schnellen und sehr großen Erfolgen. Nützlich für ein Start-up ist außerdem eine ausgewogene Mischung unterschiedlicher Charaktere. Extrovertierte Persönlichkeiten eignen sich beispielsweise häufig für den Vertrieb und dieses Persönlichkeitsmerkmal ist kaum zu erlernen.
Tipps für Praktiker
- Setzen Sie nicht nur auf Performance-Marketing! Ein gut funktionierender Vertrieb und eine erfolgreiche Verkaufsstrategie sind die Wege zum Erfolg.
- Machen Sie sich bei Ihrer Verkaufsstrategie vorher Gedanken darüber, ob sie B2C oder B2B aktiv sein wollen! Sollte eines davon nicht funktionieren, steht möglicherweise noch der andere Weg offen.
- Setzen Sie beim B2B-Verkauf auf persönliche Ansprache! Firmen die Ihr Produkt nicht kennen, können es auch nicht nachfragen. Erklären Sie Ihre Produkte und stellen Sie sie dem Kunden vor.
- Bauen Sie bei der Gründung eines Startups auf ein Team möglichst unterschiedlicher Charaktere! Dadurch können sich Synergien ergeben. Nicht jede Charaktereigenschaft kann einfach erlernt werden.
Autor des Artikels
Stephan Schubert
Stephan Schubert ist Unternehmer, Business Angel und einer der bekanntesten Alumni der WHU. Er hat sein Studium an der WHU 1994 mit dem Diplom abgeschlossen. Seine Karriere startete er im Anschluss bei McKinsey. 1998 gründete er Onvista, Deutschlands erstes Finanzportal für hochklassige Finanzmarktinformationen und Analysewerkzeuge, das er später an Société Générale verkaufte. Er gründete drei weitere Firmen bei denen er erfolgreiche Exits schaffte: Ligatus, IS Teledata und Finanzen 100. Heute ist er einer der aktivsten, am besten vernetztesten und erfahrensten Business Angeln in Deutschland.