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15.07.2024

Frauenfußballteams könnten mehr Zuschauer anziehen

Integrierte Fußballvereine könnten der Schlüssel zu größeren Zuschauermengen sein – aber nur, wenn das Vereinsmanagement genau hinschaut

Julian Hadwiger / Sascha L. Schmidt / Dominik Schreyer - 15. Juli 2024

Der Frauenfußball erlebt derzeit einen beispiellosen Popularitätsschub und zieht die Aufmerksamkeit von Fans und Unternehmen gleichermaßen auf sich. Dieses Wachstum zeigt sich in zwei bemerkenswerten Entwicklungen: Erstens verzeichnete die FIFA-Frauen-Weltmeisterschaft 2023 rekordverdächtige TV-Zuschauerzahlen, was das zunehmende globale Interesse an diesem Sport zeigt. Zweitens erreichen sowohl Investitionen als auch Sponsoringverträge neue Höchststände, was das wachsende kommerzielle Potenzial des Frauenfußballs widerspiegelt.

Das Wachstum des Frauenfußballs fördern

Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu beobachten, dass im Fußball zunehmend Frauen- und Männerteams zu integrierten Fußballvereinen zusammengeführt werden. Solche integrierten Vereine wie Arsenal London im Vereinigten Königreich, Barcelona in Spanien oder Paris Saint-Germain in Frankreich haben kürzlich regelmäßig mit Rekordbesucherzahlen für positive Schlagzeilen gesorgt. Gleichzeitig haben die Dachverbände begonnen, Richtlinien zu entwerfen, um solche strategischen Integrationen zu beschleunigen und das Interesse am Frauenfußball weiter zu steigern. Die Begründung hierfür ist klar: Integrierte Vereine können ihre etablierten Marken nutzen, um das Bewusstsein für den Frauenfußball zu erhöhen und neue, bisher nicht interessierte Stadionbesucher anzuziehen.

Vielversprechende anekdotische Beweise

Erste anekdotische Beweise deuten tatsächlich darauf hin, dass diese Strategie in Europa in letzter Zeit gut funktioniert hat. In Spanien zum Beispiel füllte der FC Barcelona Femení das Stadion der Männer, das Camp Nou, und stellte mit 91.533 Zuschauer:innen einen neuen Weltrekord auf. In Frankreich und Deutschland wiederum konnten Paris Saint-Germain und Werder Bremen kürzlich Spiele vor 43.255 bzw. über 20.000 Zuschauer:innen austragen. Im Vereinigten Königreich kündigte der Arsenal Women Football Club, derzeit auf Platz 13 der gefragtesten Fußballvereine, an, dass das Emirates Stadium mit einer Kapazität von etwa 61.000 Sitzplätzen in der Saison 2024/25 acht Spiele der Women's Super League und drei Spiele der UEFA Women's Champions League ausrichten wird. Auch wenn diese Beispiele in eine Richtung deuten, mangelt es bislang noch an umfassenden empirischen Belegen.

Integrierte Frauenfußballteams können größere Zuschauermengen anziehen

Etwas überraschend unterstützt unsere Analyse eines umfangreichen Datensatzes von 1.506 Spielen, die über 11 Saisons vor und nach der COVID-Pandemie in Deutschland, Frankreich und Schweden gespielt wurden, unsere anfängliche Hypothese nicht, dass integrierte Frauenfußballteams per se größere Zuschauermengen anziehen. Stattdessen deutet sie eher auf das Gegenteil hin und spiegelt bestehende anekdotische Beweise für die geringe Stadionnachfrage nach Reserveteams der Männer wider.

Obwohl dies wie eine enttäuschende Nachricht für Sportverbände und Ligen erscheinen mag, die die systematische Integration von Männer- und Frauenfußballteams fördern, stellen wir auch fest, dass integrierte Frauenteams innerhalb einer bestimmten Saison größere Menschenmengen anziehen können. Dies geschieht jedoch nicht automatisch. Führungskräfte, die integrierte Vereine leiten, müssen die erwarteten Synergieeffekte, wie beispielsweise positive Markeneffekte, proaktiv freisetzen. Zum Beispiel kann die vorübergehende Verlagerung ins Heimstadion des Männerteams die Zuschauerzahlen durch verbesserte Kommunikation und Werbemaßnahmen steigern. Allerdings reicht es nicht aus, das Frauenteam einfach zu verlagern, ohne zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen.

Identität fördern statt nur ein weiteres Team managen

Generell weist dies auf eine weitere wichtige Überlegung hin: Um das Wachstum des Frauenfußballs zu fördern, sollten Führungskräfte ihre Frauenteams nicht nur als nachgeordnete zweite Teams betrachten, sondern ihnen die Möglichkeit geben, eine eigene Identität zu entwickeln. Andernfalls könnten erzwungene Integrationsrichtlinien trotz der besten Absichten nach hinten losgehen.

Literaturverweis

Die Forschung zur Nachfrage nach Frauensportarten ist bislang rar. Trotz der oben genannten vielversprechenden ersten Befunde gibt es nur begrenzte umfassende empirische Unterstützung für die Frage, ob integrierte Frauenfußballteams tatsächlich größere Zuschauermengen anziehen. Interessanterweise spiegelt dies den allgemeinen Zustand der empirischen Literatur zur Stadionnachfrage wider, die Frauensportarten bisher weitgehend vernachlässigt hat.

Der vorliegende Artikel beruht auf folgender Forschung:

- Hadwiger, J./Schmidt, S. L./Schreyer, D. (2024): Integrated women’s football teams can attract larger stadium crowds, in: European Sport Management Quarterly, 1–23. https://doi.org/10.1080/16184742.2024.2347287

Autoren der Studie

Julian Hadwiger

Julian Hadwiger ist Doktorand am Center for Sports and Management der WHU. In seiner Forschung kombiniert Julian seine Begeisterung für Unternehmensstrategien und Finanzkennzahlen mit seiner Leidenschaft für Sport. Zuvor beriet er Unternehmen zu strategischen Fragestellungen von Diversifikation über M&A bis zu Restrukturierungen als Unternehmensberater bei McKinsey & Company und Analyst bei Linde plc. Als Stipendiat absolvierte er sein Masterstudium in Management an der London Business School, welches er mit Auszeichnung abschloss. In seiner Jugend spielte er als Verteidiger am DFB-Stützpunkt Fußball und war ein glühender Verfechter der geordneten Grätsche. Seit seiner Kindheit hält er treu zu seinem HSV und lebt dadurch jene Tugend vor, die er am meisten schätzt – Loyalität.

Prof. Dr. Sascha L. Schmidt

Sascha L. Schmidt ist Inhaber des Lehrstuhls für Sport und Management an der WHU – Otto Beisheim School of Management und akademischer Direktor des dort ansässigen Center for Sports and Management (CSM). Er ist zudem Mitglied des Lab of Innovation Science an der Harvard University und der Digital Initiative an der Harvard Business School (HBS). Professor Schmidt ist Mitautor mehrerer sportbezogener HBS-Fallstudien und Initiator des MIT Sports Entrepreneurship Bootcamp. In seiner Forschung konzentriert er sich auf Wachstums- und Diversifizierungsstrategien professioneller Sportclubs, insbesondere mit Blick auf deren Zukunftsfähigkeit.

 

Prof. Dr. Dominik Schreyer

Dominik Schreyer ist außerplanmäßiger (apl.) Professor für Sportökonomie an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf, Deutschland, und Direktor des Center for Sports and Management (CSM). In seiner überwiegend empirischen Forschung konzentriert sich Dominik Schreyer besonders auf die Analyse der Sportnachfrage (z. B. das Nicht-Erscheinen von Fußballzuschauern) und auf Fragen der Stadionökonomie (z. B. Heimvorteilsforschung). Er hat mehr als 40 Artikel in internationalen, peer-reviewten Fachzeitschriften veröffentlicht, darunter Economic Inquiry, European Sport Management Quarterly, Games and Economic Behavior, Technological Forecasting & Social Change und Journal of Vocational Behavior.

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