Wie unterschiedliche Generationen sich gewinnbringend bei der Arbeit unterstützen können
Fabiola Gerpott - 30. November 2020
Der demographische Wandel schreitet unaufhaltsam voran. Sukzessive zieht dabei auch das Renteneintrittsalter nach. Ältere Menschen arbeiten zunehmend länger, bevor sie in Rente gehen, während junge Menschen durch frühere Schul- oder Studienabschlüsse zeitiger auf den Arbeitsmarkt drängen. Das sorgt in vielen Unternehmen mittlerweile für stark heterogene Altersstrukturen. Doch nicht immer gelingt den unterschiedlichen Generationen das Miteinander am Arbeitsplatz reibungslos. Dabei könnten sie stark voneinander profitieren. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Reaching the Heart or the Mind? Test of two Theory-Based Training Programs to Improve Interactions Between Age-Diverse Coworkers“. Die Studie zeigt, dass zwei Arten von Interventionstrainings am Arbeitsplatz dabei helfen können, entweder das persönlicheVerhältnis oder den Wissensaustausch zwischen Kollegen mit größerem Altersunterschied zu verbessern. Denn auch wenn viele Firmen mit der Integration und dem konstruktiven Austausch von Mitarbeitern unterschiedlicher Altersklassen werben, arbeiten diese in der Firma nicht automatisch effizient zusammen.
Wie lässt sich ein produktiveres Verhältnis zwischen Jung und Alt fördern?
Um sich realistisch und alltagsnah mit möglichen Schwierigkeiten zwischen Mitarbeitern mit größerem Altersunterschied auseinanderzusetzen, haben die Autoren der Studie zwei Altersdiversitäts-Trainings konzipiert: eines mit einem identitätsorientierten und eines mit einem wissensorientierten Ansatz.
Das identitätsorientierte Training bezieht sich auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Teilnehmer und trägt dem Umstand Rechnung, dass Kollegen unterschiedlicher Altersklassen sich im ungünstigsten Szenario voneinander abgrenzen und Stereotype entwickeln: Dies kann sogar zu offenen Konflikten führen. So möchte sich ein älterer Kollege von einem jüngeren möglicherweise nicht in seine Arbeit „hereinreden“ lassen, weil er davon ausgeht, dass dem Einsteiger die Berufserfahrung fehlt. Umgekehrt wollen Berufseinsteiger sich beweisen und ihre Fähigkeiten in der Praxis anwenden und unterstellen dabei möglicherweise, dass andere Methoden antiquiert sind. Daraus können sich schnell Missverständnisse und Unmut entwickeln.
Der wissensorientierte Trainingsansatz zielt auf das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter ab. Es ist oft erstaunlich, wie viel Knowhow in beiden Generationen vorhanden ist, über das aber nie geredet wird, weil Mitarbeiter denken, dass sich ihre Kollegen dafür nicht interessieren oder ohnehin darüber Bescheid wissen. Hier schlummern verborgene Potenziale, die durch das Training nutzbar gemacht werden. Ein vorurteilsfreier Austausch ist jedoch die Bedingung dafür.
Viele Mitarbeiter realisieren nicht, wie stark sie ihre eigene Arbeit dadurch einschränken, dass sie ihre Kollegen nicht richtig kennen oder deren Wissen nicht wertschätzen oder anerkennen. Am Arbeitsplatz sorgt das für eine geringere Produktivität und häufigere personelle Wechsel. Das bessere Kennenlernen und Erkennen von Gemeinsamkeiten soll schließlich zu einem ergiebigeren Austausch führen.
Trainiert wurden für die Studie 58 Zweiergruppen von Mitarbeitern zwei Schweizer Unternehmen. Die teilnehmenden Kollegen-Paare wurden gleichmäßig einem identitätsorientierten Training, einem wissensorientierten Training oder einer Kontrollgruppe zugeteilt. Mit Vorträgen, Gruppendiskussionen und gemeinsamen Aufgaben wurden sie in einem eintägigen Training sensibilisiert und geschult.
Konfliktbewältigung und Verständnis durch Training
Beide Trainingsprogramme zeigten nachhaltige Wirkung, wirkten aber auf unterschiedliche Erfolgsparamater der altersdiversen Zusammenarbeit. Die Teilnehmer des identitätsorientierten Trainingsansatzes entwickelten ein höheres Verständnis für ihre altersdiversen Kollegen, und die Teilnehmer räumten ein, dass sie die jeweils andere Gruppe zuvor zu eindimensional betrachtet hatten. Gleichzeitig nahmen die Kollegen stärker wahr, dass beide Altersgruppen sich ähnlicher waren, als zunächst angenommen. Mit Hilfe des Trainings konnten Barrieren zwischen den Altersgruppen abgebaut und die Entstehung von Stereotypen eingedämmt werden. Den Teilnehmern gelang es, ihren Umgang miteinander zu verbessern und stärker als zuvor eine gemeinsame Identität zu entwickeln – zu ihren eigenen Gunsten und zu Gunsten ihres Unternehmens.
Das wissensorientierte Training förderte ein stärkeres Bewusstsein dafür, über welches Wissen der altersdiverse Kollege verfügt und wie nützlich dieses Wissen für die Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit sein kann. Nach Abschluss des wissensorientierten Interventionstrainings gaben die Teilnehmer ihr Wissen häufiger an die jeweils andere Altersgruppe weiter.n.
Tipps für Praktiker
- Orientieren Sie sich an realistischen Beispielen aus dem Arbeitsalltag und gehen Sie nicht davon aus, dass Mitarbeiter unterschiedlichen Alters automatisch als Einheit funktionieren!
- Wenn die Zusammenarbeit in verschiedenen Altersklassen nicht harmonisch funktioniert, finden Sie heraus, wo das Problem liegt! Spezielle Trainings können helfen, Barrieren zwischen Kollegen zu überwinden und eine konstruktivere Zusammenarbeit zu fördern.
- Setzen Sie auf evidenzbasierte Trainingsprogramme. Es werden oft Weiterbildungen verkauft, deren Nutzen fraglich ist. Das ist nicht nur teuer, sondern verschärft im schlimmsten Fall Generationenkonflikte am Arbeitsplatz.
Literaturverweis
- Burmeister, A./Gerpott, F./Hirschi, A./Scheibe, S./Pak, K./Kooij, D. (2020): Reaching the Heart or the Mind? Test of two Theory-Based Training Programs to Improve Interactions Between Age-Diverse Coworkers, in: Academy of Management Learning & Education. Juni 2020.
Co-Autorin der Studie
Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott
Fabiola H. Gerpott ist Expertin für Leadership, Diversitätsmanagement und organisationales Verhalten an der WHU – Otto Beisheim School of Management und Inhaberin des Lehrstuhls für Personalführung. Sie engagiert sich dafür, dass Vielfalt von Führungskräften und Mitarbeitern in Organisationen mehr Wertschätzung erfährt. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, inwiefern empirische Daten dabei helfen können, die Zukunft der Arbeit auf humane und produktive Weise zu verändern.