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22.04.2024

Lohnen sich Programme zur Führungskräfteentwicklung? Es kommt darauf an …

Die Nachfrage nach Programmen zur Führungskräfteentwicklung ist hoch – dabei verfolgen Unternehmen häufig eigene Ziele

Pisitta Vongswasdi - 22. April 2024

Tipps für Praktiker

Die Kompetenzen von Führungskräften gezielt zu fördern, ist für Unternehmen ein teures Unterfangen. Dennoch investieren immer mehr Firmen in sogenannte Leadership-Development-Programme (LDPs). Ob sich die Investition tatsächlich auszahlt, bleibt allerdings oft unklar, denn die meisten Firmen überprüfen die Auswirkungen innerhalb ihrer Organisation nicht. Eine neue Studie, die unter anderem an der WHU – Otto Beisheim School of Management entstanden ist, zeigt nun, dass LDPs für die investierenden Unternehmen oft weit mehr sind als ein reines Mittel zur Führungskräfteentwicklung. 

40 Managerinnen und Manager aus acht verschiedenen europäischen Unternehmen wurden dazu befragt, wie sie innerhalb ihrer Organisation Investitionen in LDPs rechtfertigen. Bei der Auswertung der Antworten entdeckten die Forschenden vier verschiedene Sichtweisen auf die Programme. Sie zeigen, dass sich LDPs nicht nur in Bezug auf die Führungsqualitäten der Managerinnen und Manager positiv auswirken. Das ist überraschend, weil die Programme von den Unternehmen mit Hinblick auf die eigentliche Absicht der Führungskräfteentwicklung nur unzureichend evaluiert werden. Aber welche sind die vier unterschiedlichen Perspektiven, die Managerinnen und Manager einnehmen können, wenn es um LDPs geht?   

Empirische Sichtweise

Viele Unternehmen und Organisationen beurteilen LDPs demnach aus einer rein empirischen Sichtweise, das heißt, sie bewerten die Programme als nützlich, weil sie nachweisen können, dass sich das Verhalten der Managerinnen und Manager dadurch spürbar ändert. Wie erfolgreich das Programm ist, hängt aus Sicht der Befragten immer auch stark davon ab, wie die Vorgesetzten ihre Führungskräfte unterstützen – und davon, in welchem Maße das Programm in die alltägliche Arbeit integriert wird. LDPs verändern entsprechend nicht nur das Verhalten der Managerinnen und Manager, sondern haben auch Einfluss auf deren Leistungsfähigkeit bei der Arbeit.

Überzeugte Sichtweise

Andere Unternehmen, die die Programme aus Überzeugung heraus anbieten, schätzen LDPs vor allem deshalb, weil sie glauben, dass die Programme die Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmenden fördern und letztere damit nicht nur zu besseren Führungskräften, sondern auch zu besseren Menschen werden. Unternehmen, die den Effekt von LDPs derart einschätzen, sehen sich generell ethisch dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitenden Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung zu bieten.

Zynische Sichtweise 

Wer eine zynische Sichtweise auf Programme, die zur Führungskräfteentwicklung dienen, einnimmt, steht ihnen generell eher skeptisch gegenüber. Anstatt sie als Entwicklungsmöglichkeiten zu betrachten, sehen Unternehmen mit zynischer Perspektive den Effekt von LDPs vor allem im Bereich der Markenbildung. Sie betrachten die Programme als eine Art „Trend“ und als Möglichkeit, nach außen hin als „guter Arbeitgeber“ wahrgenommen zu werden. Die Programme werden dadurch als Sprossen auf der Karriereleiter betrachtet, die angeboten werden müssen, aber eigentlich verzichtbar sind. 

Pragmatische Sichtweise

Unternehmen, in denen die pragmatische Perspektive vorherrscht, beurteilen Programme zur Führungskräfteentwicklung aus einem strategischen Blickwinkel heraus. Die Frage, die sie sich in Bezug auf LDPs stellen, lautet: Bieten sie einen Mehrwert für unser Unternehmen, und stimmen sie mit unseren generellen Zielen und Strategien überein? Sinn und Zweck der LDPs gehen bei dieser Sichtweise über die individuellen Ergebnisse der Führungskräfte weit hinaus. Die Programme tragen aus Sicht dieser Unternehmen dazu bei, die Werte des Unternehmens mit denen der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen. Zudem fördern sie aus ihrer Sicht den Austausch von Ideen innerhalb des Unternehmens und schaffen Führungsnachwuchs innerhalb der Organisation. 

Diese verschiedenen Sichtweisen auf LDPs zeigen: Programme zur Führungskräfteentwicklung erfüllen in Unternehmen keinen Selbstzweck. Vielmehr machen die Ergebnisse deutlich, dass verschiedene Kriterien untersucht werden sollten, wenn der Effekt von LDPs bewertet werden und die Programme weiterentwickelt bzw. verbessert werden sollen. Jede Sichtweise hat dabei ihre Vorteile: Mit ihrem wissenschaftlichen Ansatz bietet die empirische Perspektive eine gute Möglichkeit, um LDPs zu verfeinern, indem sie Probleme für die praktische Verbesserung aufzeigt und auch die Vorgesetzten in die Pflicht nimmt. Von den Programmen überzeugte Unternehmen regen neue Initiativen an, und erreichen oft ein stärkeres Engagement bei den Teilnehmenden, auch die Programme haben dadurch einen stärkeren Effekt. Anhänger der zynischen Perspektive geben hingegen Impulse für Reformen, indem sie bestehende Führungsnormen kritisch hinterfragen. Schließlich bietet die Sichtweise des Pragmatikers einen strategischen Überblick, der die LDP-Aktivitäten in ein integriertes Organisationssystem einbindet.

Tipps für Praktiker

  • Um alle vier Perspektiven in Leadership-Development-Programmen effektiv einzubeziehen, sollte ein Führungskräfteentwickler zunächst die vorherrschenden Einstellungen und Überzeugungen innerhalb der Organisation in Bezug auf die Programme ermitteln. Das lässt bessere Rückschlüsse auf die eigentliche Intention der Unternehmen zu. 
  • Auf der Grundlage der Ergebnisse der Studie wurde eine diagnostische Checkliste entwickelt, die Aussagen zu den einzelnen Perspektiven enthält. Sie kann verwendet werden, um sowohl die persönlichen als auch die kollektiven Standpunkte zur Führungskräfteentwicklung zu verstehen.

Literaturverweis

- Vongswasdi, P./Leroy, H./Claeys, J./Anisman-Razin, M./van Dierendonck, D. (2023): Beyond Developing Leaders: Toward a Multinarrative Understanding of the Value of Leadership Development Programs. Academy of Management Learning & Education, (ja), amle-2021. doi-org.eur.idm.oclc.org/10.5465/amle.2021.0231 

Co-Autorin der Studie

Jun.-Prof. Dr. Pisitta Vongswasdi

Pisitta Vongswasdi ist Juniorprofessorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Ihre Forschungs- und Lehrinteressen liegen in den Bereichen Entwicklung von Leadership, Diversitätsmanagement und Achtsamkeit in Unternehm Wertschätzung erfährt. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, inwiefern empirische Daten dabei helfen können, die Zukunft der Arbeit auf humane und produktive Weise zu verändern.

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