Warum selbst gewählte und zufällig zusammengestellte Teams unterschiedliche Stärken haben
Rainer Michael Rilke - 18. April 2023
Alle Menschen arbeiten gerne mit Kollegen zusammen, die ihnen ähnlich sind – dies liegt in der psychologischen Natur des Menschen. In homogenen Teams entsteht jedoch oft auch Druck, der mehrheitsfähigen Meinung zu folgen, um nicht als Quertreiber dazustehen oder die Harmonie in der Gruppe zu gefährden. Weil dadurch stellenweise bessere Lösungsansätze ungehört bleiben oder gar nicht geäußert werden, treffen Teams manchmal suboptimale Entscheidungen. Die jüngere Forschung zeigt jedoch auch immer deutlicher, dass Menschen in diversen Teams motivierter sind, mehr leisten, kreativere Ergebnisse erzielen und risikobewusster handeln. Wie Arbeitgeber ihre Teams zusammenstellen sollten, scheint somit klar – oder etwa doch nicht?
Agile Arbeitsmethoden fördern homogene Teams
Viele Unternehmen folgen dem Trend und führen agile Arbeitsmethoden ein, um so Arbeitsprozesse flexibler zu gestalten. Ein wesentlicher Aspekt dieser Methoden ist es, Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, Teams selbstständig zusammenstellen zu können oder festzulegen, mit welchen Kollegen sie aufgabenbezogen zusammenarbeiten möchten. „Self-Selection“ oder Selbstselektion nennt sich diese Herangehensweise. Die selbst getroffene Entscheidung über die Teamzugehörigkeit soll dazu führen, dass sich die Mitarbeitenden stärker mit dem Team und ihrer Aufgabe identifizieren, was wiederum zu besseren Leistungen und Arbeitsergebnissen führen soll.
Die Zusammenstellung diverser Teams steht jedoch der menschlichen Tendenz, sich mit Menschen zu umgeben, die ähnliche Interessen, Persönlichkeitsmerkmale und Fähigkeiten haben wie sie selbst, entgegen. Im Volksmund ist sie in der Redewendung „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ bekannt. Die Sozialpsychologie beschreibt sie als „Homophilie“. Teams, die sich selbst zusammengefunden haben, identifizieren sich auf der einen Seite besser mit ihrer Aufgabe und dem Team, auf der anderen Seite vernachlässigen sie aber die Vielfalt und neigen dazu, ihre Ähnlichkeit überzubetonen.
Wer agiert erfolgreicher? Selbst zusammengestellte oder zufällig bestimmte Teams?
In welchen Fällen wirkt sich Selbstselektion nun positiv und in welchen negativ auf die Leistungsfähigkeit von Teams aus? Im Experiment mussten die Teilnehmenden in Zweierteams über zwei Monate hinweg an verschiedenen Aufgaben arbeiten. Eine Hälfte der Teilnehmenden durfte ihr Team per Selbstselektion zusammenstellen, das heißt, sie durften sich ihre jeweiligen Kolleginnen und Kollegen selbst aussuchen. Die andere Hälfte der Teilnehmenden wurde zufälligen Zweierteams zugeordnet.
Bevor die Teams ihre Arbeit aufnahmen, zeigten sich erste spannende Resultate bei der Zusammensetzung. Der menschlichen Neigung zur Homophilie entsprechend, fanden sich bei den Teilnehmenden, die sich ihre Teammitglieder selbst aussuchen durften, häufig jene von gleichem Geschlecht zusammen; Zufällig zusammengestellte Teams waren in dieser Hinsicht wesentlich diverser aufgestellt. Zusätzlich wählten die Teilnehmenden bei der Selbstselektion deutlich häufiger Partner, die über ähnliche kognitive Fähigkeiten – ob gut oder schlecht – wie sie selbst verfügten als bei der zufälligen Bestimmung. Auch dabei waren die Teams der Zufallsauswahl wesentlich diverser.
Je nachdem wie die Teams zusammengestellt waren, zeigten sich deutliche Unterschiede bei den Arbeitsergebnissen in Abhängigkeit von der Aufgabe. Im Experiment mussten sich alle Zweierteams zwei unterschiedlichen Aufgabenformaten stellen. Bei der ersten Aufgabe mussten die Teams ihre Lösungen auf einem Arbeitsblatt einreichen, bei der zweiten sollten sie zusammen eine kurze Videopräsentation zu ihren Ergebnissen halten. Die Ergebnisse waren erstaunlich: Während die Teams, die zufällig zusammengestellt wurden, bessere Lösungen bei Aufgaben auf einem Arbeitsblatt erzielten, erreichten die Teams, die ihre Partner selbst bestimmen durften, bessere Resultate bei gemeinsamen Videopräsentationen.
Im Schnitt zeigte sich, dass selbst zusammengestellte Teams dann stärker sind, wenn ihre Aufgaben mit einem höheren Koordinationsaufwand verbunden sind und stärkere Zusammenarbeit erfordern. Bei der Videopräsentation beispielsweise kommt diesen Teams ihre Ähnlichkeit zugute, weil sie sich leicht miteinander abstimmen können und sich mühelos verstehen. Umgekehrt zeigten zufällig zusammengestellte Teams die besseren Ergebnisse, sofern Aufgaben verhältnismäßig wenig Koordination oder Zusammenarbeit erforderten und die Fähigkeiten des einzelnen Teammitgliedes bedeutender für den Teamerfolg waren. Wenn Letzteres der Fall ist, sorgt der Zufall zumeist dafür, dass in jedem Team mindestens ein sehr fähiges Teammitglied ist, während sich in selbst zusammengestellten Teams häufig ausschließlich sehr gute aber teilweise auch nur schwächere Teammitglieder zusammenfinden, die über ähnliche kognitive Fähigkeiten verfügen.
Tipps für Praktiker
- Beachten Sie, dass es zwangsläufig zu weniger Diversität innerhalb der Teams führt, wenn Mitarbeitende selbst über die Zusammensetzung entscheiden dürfen („Gleich und gleich gesellt sich gern“). Diese Teams werden weniger divers, aber dafür hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkeiten ähnlich sein.
- Berücksichtigen Sie, dass es stark von der Art der Aufgabe abhängt, ob zufällig oder selbst zusammengestellte Teams leistungsfähiger sind. In der Praxis sollte daher zunächst evaluiert werden, welche Anforderungen die zu bewältigende Aufgabe stellt. Erfordert sie viel Abstimmung und Koordination und weniger kognitive Fähigkeiten, sollte den Mitarbeitenden die Auswahl ihrer Kollegen für diese Aufgabe überlassen werden. Sollte die Aufgabe hohe kognitive Fähigkeiten und nur geringe Koordination verlangen, sollten Sie als Manager auch mal den Zufall entscheiden lassen.
Literaturverweis und Methodik
- Fischer, M., Rilke, R.M., & Yurtoglu, B. (2023): When, and Why, Do Teams Benefit from Self-Selection? Experimental Economics 26, 749–774 (2023). doi.org/10.1007/s10683-023-09800-2.
Co-Autor der Studie
Juniorprof. Dr. Rainer Michael Rilke
Rainer Michael Rilke ist Juniorprofessor für Business Economics am IHK-Lehrstuhl für kleine und mittlere Unternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er forscht und lehrt auf dem Gebiet der experimentellen Ökonomie und der Untersuchung menschlichen Verhaltens in sozialen Kontexten. Er untersucht in seiner Forschung Themen im Zusammenhang mit Ehrlichkeit, Lügen und Korruption in Kontexten wie Teamanreizen, Führung und von künstlicher Intelligenz unterbreiteten Vorschlägen. Insgesamt zielt seine Forschungsagenda darauf ab, Einblicke in die Faktoren zu gewinnen, die menschliches Verhalten in sozialen und wirtschaftlichen Umgebungen prägen, und darauf, wie Anreize gestaltet werden können, um eine ethische und effiziente Entscheidungsfindung zu fördern.