Über die Erfahrungen von Gründerinnen, die Minderheiten angehören auf ihrem Gründungsweg in der Startup-Szene ist nicht viel bekannt. Eine aktuelle…
Julia de Groote / Pisitta Vongswasdi - 16. Dezember 2024
Drei junge Männer stehen auf einer Bühne und erklären Wagniskapitalgebern enthusiastisch die Idee hinter ihrem neuesten Start-up: Ein Bild, das vielen aus der deutschen Start-up-Szene vertraut vorkommen dürfte. Wenn Gründer weiß und männlich sind, garantiert ihnen das zwar nicht das Kapital für ihr Vorhaben, aber ihre Chancen auf eine Finanzierung stehen deutlich besser als die von Menschen mit anderen Eigenschaften.
Zahlreiche Analysen belegen, dass Frauen bei der Vergabe von Venture Capital für ihr Start-up strukturell benachteiligt werden und bei gleicher Eignung seltener eine Finanzierung erhalten als ihre männlichen Mitbewerber. Die spezifischen Gründe dafür sind jedoch weitgehend unbekannt. Eine aktuelle Studie von Julia de Groote, Janine Heinrich und Pisitta Vongswasdi von der WHU – Otto Beisheim School of Management und Jamie Ladge vom Boston College ist nun das Thema analytisch angegangen. Mittels einer ausführlichen Befragung von 30 Gründerinnen, die im Start-up-Ökosystem in Berlin aktiv waren, wurde untersucht, welche Auswirkungen es auf ihre Erfolgsaussichten hat, wenn sie als Gründerinnen zu einer ethnischen Minderheit gehören (im Folgenden FMF für Female Minority Founders).
Damit nehmen die Forscherinnen eine intersektionale Perspektive ein, die nicht nur das Geschlecht von Gründerinnen berücksichtigt – auf welches Ungleichbehandlungen bisher häufig reduziert wurden – sondern auch deren weitere Eigenschaften und Identität. Denn FMFs sind keineswegs eine homogene Gruppe, sondern unterscheiden sich durch zahlreiche Merkmale.
FMFs sehen sich beim Wettbewerb um Kapital drei Hindernissen gegenüber
FMFs, die im Berliner Start-up-Ökosystem für den Erfolg ihres Start-ups kämpften, sahen sich nach den Ergebnissen der Studie insbesondere drei Hindernissen gegenüber.
1. Hindernis: Kein Zugang zu informellen Informationsflüssen und Netzwerken
Die FMFs kritisierten, dass sie von informellen Informationsflüssen und Netzwerken ausgeschlossen waren. Dies ist im Start-up-Ökosystem besonders folgenreich, weil der Zugang zu Investoren und sogenannten Acceleratoren- und Incubator-Programmen zumeist wesentlich einfacher ist , wenn eine bekannte Person bereits den ersten Kontakt hergestellt hat. FMFs dagegen waren bei der Anbahnung erster Kontakte häufig auf sich selbst gestellt.
2. Hindernis: Prove-it-again-Bias
FMFs hatten den Eindruck, sich vor Investoren – oftmals weiße Männer – immer und immer wieder beweisen zu müssen, auch wenn ihre zuvor gesammelten Erfahrungen und die erworbene Bildung für sie sprachen. FMFs empfanden es bei Pitches regelmäßig so, dass ihre Kompetenz angezweifelt wurde, während dies bei männlichen Mitbewerbern mit ähnlicher Qualifikation nicht der Fall war.
3. Hindernis: Diversity washing
Problematisch empfanden viele FMFs auch das so genannte „diversity washing“: Entscheidende Personen im Entrepreneurship-Ökosystem gaben demnach vor, an der Förderung von Vielfalt (Diversity, Equity und Inclusion) interessiert zu sein. Eigentlich ein Vorteil, schließlich sollte das FMFs zusätzliche Möglichkeiten geben. Aber: „Optisch werden wir zwar gesehen, aber eine tatsächliche Finanzierung oder einen Platz am Tisch bekommen wir nicht. Das ist frustrierend“, berichtete eine der FMF, die für die Studie befragt wurden. Entscheidern ginge es nur um das Ansehen ihrer eigenen Organisation, indem sie beispielsweise dem Anschein nach Gründerinnen of Color förderten, um Vielfalt zu demonstrieren, jedoch ihren Worten kaum Taten folgen ließen. Der Nutzen aus diesen Projekten für FMFs blieb dadurch marginal, diese symbolischen Handlungen änderten wenig am Status quo.
Ein ungleiches Spielfeld
So divers wie die Hintergründe von FMFs sind, so unterschiedlich sind auch ihre Erfahrungen im Berliner Start-up-Ökosystem. So kann eine finanziell schlecht gestellte weiße Frau beispielsweise durch Geschlecht und sozioökonomischen Status vor Hürden stehen, während sie durch ihre Ethnie privilegiert ist. Stimmen Merkmale wie beispielsweise der Hochschulabschluss oder der Akzent von FMFs mit jenen des Prototypen im Start-up-Ökosystem überein, werden ihnen dadurch Privilegien bei Kapitalgebern und anderen Stakeholdern zuteil oder Benachteiligung zumindest abgefedert. Stimmen derartige Merkmale nicht überein, werden FMFs häufig benachteiligt. Die Benachteiligung fällt umso stärker aus, je mehr ihre persönlichen Merkmale sich vom Gründer-Prototyp unterscheiden. Umso wichtiger ist eine intersektionale Betrachtung, weil die Ausprägungen verschiedener Eigenschaften im Entrepreneurship-Ökosystem zu einer Abmilderung oder Verstärkung der Benachteiligung von FMFs oder anderer Minderheiten führen können.
„Wir möchten diese Hindernisse überwinden“, sagte eine der Gründerinnen. „Wir möchten Investoren fragen, warum investiert ihr nur in Menschen in eurem eigenen Netzwerk, wenn es doch so klein ist und ihr euch damit stark limitiert. Geht doch den anderen Weg und sorgt dafür, dass Gründende diverser werden.‘“
Welcher Ausweg bietet sich FMFs in Zukunft?
Aufgrund der zahlreichen Hürden scheitern manche Start-ups von FMFs schon, bevor sie richtig Schwung aufnehmen konnten. Dadurch gehen nicht nur innovative Geschäftsmodelle verloren, die ökonomische Wertschöpfung bleibt aus und potenzielle Arbeitsplätze entstehen erst gar nicht.
Die Autorinnen der Studie plädieren in diesem Zusammenhang für eine spezielle Förderung von FMFs. So soll deren Diversität nicht als Hindernis, sondern als Potenzial ihrer Gründunganerkannt werden. FMFs sollten über das Mentoring und die Finanzierung hinaus unterstützt werden.
FMFs benötigen speziell auf sie zugeschnittene Förderprogramme. So sollte ihnen besserer Zugang zu Acceleratoren gewährt werden. Diese sollten neben den üblichen Ressourcen auch Programme bereitstellen, die es FMFs ermöglichen, Identitätskonflikte zu überwinden.
Solche Trainings sollten umgekehrt auch für Wagniskapitalgeber:innen, Banker:innen und Investor:innen angeboten werden. Das könnte helfen, Vorurteile abzubauen und besser zu verstehen, dass sich der Umgang mit FMFs und prototypischen Gründern unterscheidet – und dass die Berücksichtigung dieser Faktoren für alle ein Gewinn wäre.
Literaturverweis und Methodik
Für die Studie befragten die Forscherinnen 30 Gründerinnen, die Teil des Entrepreneurship-Ökosystems in Berlin sind bzw. waren und einer ethnischen Minderheit angehörten (die meisten Teilnehmer*innen identifizierten sich als Schwarz oder asiatisch).
Die Forscherinnen beschränkten sich auf Gründerinnen, deren Geschäftsmodelle mit jenen von Unternehmen im Silicon Valley vergleichbar sind. Besonders in diesem Bereich ist der Prototyp des westlichen, männlichen Unternehmers dominant, während FMFs marginalisiert werden.
- Vongswasdi, P./de Groote, J./Heinrich J./Ladge, J. (2024): Beyond the Prototype: Unpacking the Intersectional Identity and Image Work of Female Minority Founders in a Startup Context, in: Journal of Applied Psychology, Online First Publication, 8. August 2024.
Co-Autorinnen der Studie
Jun.-Prof. Dr. Julia de Groote
Julia de Groote ist Inhaberin der Merck-Finck-Juniorprofessur für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Ihre Forschungs- und Lehrinteressen konzentrieren sich auf die Überschneidung von Innovation, Unternehmertum und Organisationsverhalten. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Frage, wie Firmen sich in einem sich schnell verändernden Umfeld zurechtfinden, indem sie Innovationen und Kooperationen nutzen.
Jun.-Prof. Dr. Pisitta Vongswasdi
Pisitta Vongswasdi ist Juniorprofessorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Ihre Forschungs- und Lehrinteressen liegen in den Bereichen Entwicklung von Leadership, Diversitätsmanagement und Achtsamkeit in Unternehmen. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, inwiefern empirische Daten dabei helfen können, die Zukunft der Arbeit auf humane und produktive Weise zu verändern.