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28.03.2024

Wer will den digitalen Euro?

Forscher bewerten den tatsächlichen Nutzen der von der EZB geplanten digitalen Währung

Michael Frenkel - 28. März 2024

Überweisungen, Bezahldienste oder Kryptowährungen – es gibt bereits zahlreiche Wege, digital und sicher zu bezahlen. Bald könnte eine weitere hinzukommen: der digitale Euro. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) zusammen mit den Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten eine Untersuchungsphase für das elektronische Zahlungsmittel durchgeführt hat, läuft seit November 2023 die Vorbereitungsphase für eine mögliche Einführung. Über den Eintritt in eine voraussichtlich dreijährige Implementierungsphase wird noch entschieden. Bislang wurde jedoch hauptsächlich untersucht, ob und wie es technologisch machbar ist, den digitalen Euro einzuführen. Wissenschaftler haben nunmehr geprüft, ob ein digitaler Euro für die Nutzer überhaupt einen Vorteil gegenüber bestehenden Zahlungsmethoden hätte.

Was ist der digitale Euro?

Der digitale Euro ist ein elektronisches Zahlungsmittel, das von der EZB ausgegeben wird. Es soll eine Ergänzung zum Bargeld sein, welches ebenfalls von der EZB ausgegeben wird, und für jeden EU-Bürger kostenlos nutzbar sein. Der digitale Euro ist keine Kryptowährung und als Zentralbankgeld sehr sicher, weil er von der EZB abgesichert ist. Im Gegensatz dazu ist das sogenannte Giralgeld auf dem Bankkonto eine Forderung gegenüber einer Privatbank, bei der der Kunde auf die Liquidität der jeweiligen Bank angewiesen ist. Der digitale Euro soll im gesamten Euroraum als digitales Zahlungsmittel in Geschäften, online oder zwischen Privatpersonen verwendet werden können. 

Welche Absicht der EZB steckt hinter der Einführung?

Die EZB will mit der Einführung des digitalen Euro ihre geldpolitische Souveränität und die eigene Währung stärken. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie haben sich die Zahlungsgewohnheiten der Menschen immer weiter vom Bargeld hin zu digitalen Methoden verlagert. Einige skandinavische Länder sind sogar schon auf dem Weg in eine weitgehend bargeldlose Gesellschaft, und dieser Trend setzt sich auch in anderen europäischen Ländern fort. Deshalb ist für die EZB eine digitale Zentralbankwährung der nächste logische Schritt hin zu diesem Ziel.

Ein weiterer Grund, der für die die EZB für eine Einführung spricht, ist die global zunehmende Stärke von Kryptowährungen. 2023 gab es bereits um die 10.000 Kryptowährungen mit einer kombinierten Marktkapitalisierung von 1,1 Billionen Euro – Tendenz steigend. Demgegenüber stehen Euro-Banknoten und -Münzen mit einer Marktkapitalisierung von 1,6 Billionen Euro. Um der Popularität von Kryptowährungen wie dem Bitcoin Rechnung zu tragen und deren zunehmenden Einfluss zu begrenzen, spricht für die EZB einiges dafür, selbst auf digitales Zentralbankgeld zu setzen. Außerdem besteht die Gefahr, dass das europäische traditionelle Bezahlsystem an Bedeutung verliert, wenn Menschen immer öfter innovative und benutzerfreundliche Bezahldienste nutzen, die von internationalen Fintechs entwickelt wurden. 

Bietet der digitale Euro tatsächlich einen Mehrwert?

Den digitalen Euro einzuführen, ist technologisch grundsätzlich machbar, so viel ist inzwischen klar, auch wenn es noch offene Fragen hinsichtlich einiger Ausgestaltungsmerkmale gibt. Eine andere wichtige Frage wurde bislang aber noch nicht beantwortet: Lohnt sich die Einführung für Verbraucher überhaupt? Heute schon stehen den Menschen eine Vielzahl digitaler Zahlungsmöglichkeiten zur Verfügung, und neue Bezahlsysteme und Kryptowährungen erfreuen sich großer Beliebtheit. Damit sich der erhebliche Aufwand und die Kosten bei der Einführung einer digitalen Zentralbankwährung lohnen, wäre eine hohe Nachfrage unter den EU-Bürgern erforderlich. Dafür müsste der digitale Euro aber zusätzliche Vorteile in Form von Bequemlichkeit, Erträgen, geringeren Kosten und Risiken, Transaktionsgeschwindigkeit oder beim Datenschutz gegenüber den bisherigen Bezahlsystemen bieten. Ob das der Fall ist, ist bisher allerdings fraglich.

Im Hinblick auf die Bequemlichkeit sind keine besonderen Vorteile zu erwarten, da Zahlungen und Überweisungen bereits mit den vorhanden Bankkarten und Bezahldiensten in Europa möglich sind. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen außerhalb Europas können zumeist problemlos Kreditkarten genutzt werden. Darüber hinaus ist noch fraglich, ob der digitale Euro auch außerhalb der Eurozone als Zahlungsmittel anerkannt wird. Zudem ist geplant, das Wallet, in dem der digitale Euro gespeichert werden soll, für den digitalen Euro zunächst nur in der EU ansässigen Menschen zur Verfügung zu stellen. 

Gibt es Zinsen auf die Einlagen in einer digitalen Wallet, so bietet der digitale Euro einen Vorteil gegenüber Bargeld. Jedoch gibt es Zinsen auch bei kommerziellen Banken, sodass diese in Konkurrenz zur EZB stünden. Sollte die EZB Zinsen auf den digitalen Euro gewähren, so würden die Privatbanken ihren Zinssatz für Einlagen wahrscheinlich angleichen oder sogar darüber hinausgehen, wodurch der digitale Euro keine zusätzliche Attraktivität gewinnen würde. Sollte es dagegen keine Zinsen durch die EZB geben, wenn gleichzeitig Banken für ihre Einlagen bei der EZB Zinsen erhalten, käme es zu einer schwer zu begründenden Ungleichbehandlung.

Mit der Transaktionsgeschwindigkeit könnte der digitale Euro privaten Nutzern zwar einen Vorteil bieten, denn es ist zu erwarten, dass diese Zahlungen sehr zügig oder sogar in Echtzeit ablaufen könnten. Für Zahlungen von Waren und Dienstleistungen sind jedoch auch bereits extrem schnelle Bezahldienste verfügbar. Diese sind im Gegensatz zum digitalen Euro auch für Zahlungen an Personen außerhalb der Eurozone möglich .

Erwartet wird außerdem, dass Zahlungen mit dem digitalen Euro – wo verfügbar – kostenlos sein werden, während bei Banken und digitalen Bezahldiensten häufig Gebühren anfallen, besonders was Transaktionen außerhalb des Euroraums angeht. Dennoch entstehen der EZB bei Transaktionen im internationalen Umfeld und bei der Einführung der digitalen Währung Kosten. Nutzer des digitalen Euro könnten damit zwar günstiger als bisher Geld transferieren, mittelbar müssten aber die Steuerzahler in der EU für die Ausgaben der EZB aufkommen.

Was das Risiko angeht, könnte der digitale Euro Nutzern einen entscheidenden Vorteil bieten, weil er eine direkte Forderung gegenüber der Zentralbank darstellt und nicht gegenüber einer Privatbank, die insolvent gehen kann. Jedoch sind auch die Guthaben von Privatbankkunden durch die gesetzliche Einlagensicherung bis zu einer Höhe von 100.000 Euro abgesichert. Zudem soll zunächst auch die digitale Wallet bei der EZB auf 3.000 bis 4.000 Euro begrenzt sein, wodurch sich keine zusätzliche Absicherung gegenüber Privatbanken ergibt.

Wie sich der digitale Euro beim Datenschutz schlägt, ist umstritten. Gegenüber Privatbanken, bei denen sämtliche Transaktionen registriert und gespeichert werden, reduziert die Währung das Risiko unberechtigter Zugriffe auf private Daten. Eine digitale Währung ist jedoch niemals so anonym wie die Nutzung von Bargeld und die Eröffnung eines digitalen Wallet bei der EZB – ebenso wie bei der Kontoeröffnung bei einer Privatbank – würde die Hinterlegung persönlicher Daten erfordern. Offen bleibt, ob die EU-Bürger genug Vertrauen in die Zentralbank haben, ihre privaten Daten bei solchen Finanztransaktionen zu schützen. 

Der digitale Euro bietet seinen potenziellen Nutzern nur in Teilen und in geringem Umfang Vorteile gegenüber Bezahldienstleistern oder Konten bei Privatbanken. Ob die Nachfrage nach seiner möglichen Einführung groß sein wird, bleibt daher zweifelhaft. Da mit der Einführung der digitalen Währung aber auch politische Ziele verbunden sind, und bereits in die Erprobung des digitalen Euro investiert wurde, ist zu erwarten, dass er bald als neues Zahlungsmittel eingeführt wird. 

Literaturverweis

- Frenkel, M. (2023): Will the Digital Euro Be Attractive Enough to Generate Significant Demand?, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Vol. 92 (2023), Iss. 3, S. 23–36. DOI: doi.org/10.3790/vjh.92.3.23

Autor der Studie

Prof.Dr. Michael Frenkel

Michael Frenkel ist Prorektor für Internationale Beziehungen und Professor für Makroökonomik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er ist außerdem Direktor des Center for EUropean Studies (CEUS) an der WHU. Seine umfangreichen internationalen Erfahrungen sammelte er bei seiner mehrjährigen Tätigkeit für den Internationalen Währungsfonds und bei Aufenthalten als Gastprofessor, die er neben zahlreichen weiteren an der Harvard University absolvierte. Professor Frenkel war als Berater für den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die Europäische Kommission tätig. Viele Jahre lang war er im Auswärtigen Amt für die wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung junger deutscher Diplomaten zuständig. Professor Frenkel hat mehr als 100 Publikationen in den Bereichen Makroökonomik und internationale Finanzen veröffentlicht und ist Mitglied des Redaktionsbeirats des Global Finance Journal, des International Journal of Business, des Journal of Economics and Statistics und des Journal of Markets and Ethics.

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