Wie interne Differenzen das Verhältnis zwischen Partnerorganisationen beeinflussen
Dries Faems / Anna Brattström - 25. März 2021
Die Zusammenarbeit zwischen zwei Partnerorganisationen, ganz gleich welcher Art, kann zu einer heiklen Angelegenheit werden, wenn zwischen den Partnern Differenzen auftauchen. Schnell geht Vertrauen verloren bis zu dem Punkt, an dem das Projekt oder die gesamte Zusammenarbeit in Frage gestellt wird. Während zu Konflikten zwischen zwei Partnerorganisationen bereits viel geforscht wurde, blieben die Auswirkungen von Differenzeninnerhalb einer Organisation und welche sie auf die Beziehung zwischen den Partnern haben, lange unbeleuchtet. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass unterschiedliche Interessengruppen innerhalb von Unternehmen einen bedeutenden Einfluss auf die externen Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Partnerunternehmen haben können.
Strategischer Partner oder ein Zulieferer unter vielen?
Im Zentrum der Längsschnittsstudie, an der zwischen 2012 und 2016 gearbeitet wurde, stehen ein Automobilproduzent (Alpha) und einer seiner Zulieferer (Beta; Namen geändert). Beide Unternehmen haben eine ähnliche Größe, unterhalten eine eigene Abteilung für Forschung und Entwicklung und sind global tätig. Alpha hegt die Absicht, sich strategisch neu aufzustellen und seine Produktion von manuell gefahrenen Autos mit Verbrennungsmotoren auf Fahrzeuge, die das autonome Fahren mit Elektroantrieb ermöglichen, umzustellen.
Dabei setzen die Geschäftsführer von Alpha auf eine tiefgehende Allianz mit Beta für ein neues Forschungsprojekt zur Umsetzung der Strategie. So sollen beispielsweise Kostenbeteiligungen an der Entwicklung, ein umfassender Wissenstransfer und sogar die teilweise Offenlegung des Geschäftsmodells des Automobilkonzerns stattfinden. Durch ein bestehendes Forschungsprojekt und Lieferbeziehungen kennen beide Seiten sich gut, und Beta würde zusehends von einem beliebigen Zulieferer zu einem privilegierten Partner aufsteigen. Durch diese enge Kooperation verspricht sich die Geschäftsführung von Alpha, die gemeinsamen Innovationen besser vorantreiben zu können.
Die Leiter der Technologieabteilung von Alpha sehen darin eine große Gefahr. Sie befürchten eine starke Kostensteigerung, wenn einzelne Zulieferer privilegiert werden, weil sie mit diesem Status nicht mehr dem Gefüge des Marktes unterliegen würden. Weiterhin bestünde für das eigene Unternehmen das Risiko der Abhängigkeit. Zudem sehen sie eine Gefahr für die dauerhafte Entwicklung des Unternehmens, wenn zu viel eigenes und selbsterarbeitetes Wissen einfach an Partner, die in derselben Branche tätig sind, weitergegeben wird. Letzten Endes könnte ihre eigene Stellung in der Forschung und Entwicklung von Alpha in Frage stehen, weil sie zumindest in Teilen durch die Kooperation mit einem spezialisierten Unternehmen möglicherweise obsolet würden. Die Technologieleiter plädieren daher für eine normale Partnerschaft mit Beta als Zulieferer, die nicht über das Maß der Zusammenarbeit mit anderen Zulieferern hinausgeht.
Die Differenzen zwischen der Geschäftsführung und der Technologieabteilung von Alpha sorgen für einen sich abzeichnenden Konflikt. Die Problematik liegt also zunächst nicht zwischen den Partnerorganisationen Alpha und Beta, sondern bei den unterschiedlichen Interessengruppen innerhalb von Alpha.
Keine Organisation ist eine monolithische Einheit
Beziehungen zwischen Partnerorganisationen können in der Praxis vielfältig sein. Sie reichen von strategischen Allianzen bis hin zu Joint Ventures zwischen zwei Firmen. Keine Organisation stellt dabei eine monolithische Einheit ohne Partikularinteressen dar. Sie bestehen intern in Wirklichkeit aus unterschiedlichen Koalitionen mit eigenen Zielen, Perspektiven und Erwartungen. Diese können die Beziehungen zwischen zwei Partnerorganisationen als Schlachtfeld für ihre eigenen politisch motivierten Vorhaben nutzen. Umgekehrt zeigte die Studie, dass die externen Beziehungen zwischen Partnern Einfluss auf die interne Zersplitterung der Gruppen innerhalb eines Unternehmens und deren Streitigkeiten nehmen können.
Signale an die Partnerorganisation – ein politischer Akt
Wie sich die jeweilige Fraktion eines Unternehmens gegenüber der Partnerorganisation verhält, ist eine politische Entscheidung. Denn sie zielt darauf ab, die eigene Position zu stärken oder die eigene Agenda durchzusetzen. Im vorliegenden Beispiel nutzte die Technologieabteilung von Alpha ihre aufkommende Chance, die eigene Vorstellung der Partnerschaft mit Beta als regulärem Zulieferer durchzusetzen. So kolportierten die Ingenieure an den Partner Beta, dass das bereits laufende gemeinsame Forschungsprojekt gestoppt würde. Dies entsprach zwar der Wahrheit, erfolgte jedoch ohne Abstimmung mit der eigenen Geschäftsführung, die um eine gütliche Einigung und sanftere Beilegung des Projekts bemüht gewesen war. Die Leitung von Beta war überrascht und fühlte sich ausgenutzt, während das Management von Alpha brüskiert war. Einer von Beta gestellten Rechnung wäre in dieser Situation beinahe ein handfester Rechtsstreit gefolgt.
Fortan war das Verhältnis zwischen Alpha und Beta für das neue Forschungsprojekt von Konflikten und Enttäuschungen geprägt. Während sich die Geschäftsführungen zwar gegenseitig der engen Kooperation und gemeinsamen Kostenübernahme versicherten, belegen E-Mails und Interviews, dass große Zweifel an den wirklichen Absichten des Gegenübers bestanden, die sich teils in offenem Misstrauen widerspiegelten. Die Leitung der Technologieabteilung von Alpha hatte somit erfolgreich ihre eigene Politik verfolgt und eine starke strategische Allianz mit Beta zurückgedrängt. Dieses Verhalten führte auf beiden Seiten des Verhandlungstisches zu gemischten emotionalen Reaktionen, die zwischen Hoffnung und Enttäuschung schwankten.
Kooperation zwischen Hoffnung und Enttäuschung
Das Empfinden zwischen Partnerorganisationen ist im Austausch häufig von zwei Dynamiken wechselnder Intensität geprägt: Der Enttäuschung über Verhaltensmuster in der Vergangenheit und der Hoffnung auf eine zukünftig erfolgreiche Zusammenarbeit. So kann es zu der paradoxen Situation kommen, dass trotz abnehmenden Vertrauens zwischen Organisationen an der Partnerschaft festgehalten und sogar an einer noch tiefergehenden Kooperation gearbeitet wird. Trotz der Enttäuschung bei Beta über die Einstellung des bisherigen Forschungsprojekts und bei Alpha über die scheinbar unzureichende Würdigung Betas, zum neuen privilegierten Partner gemacht worden zu sein, bestand auf beiden Seiten weiterhin die Hoffnung auf die erfolgreiche Realisierung des neuen Projekts.
Bei der Analyse des Verhältnisses zwischen Partnerorganisationen ist nicht nur der aktuelle Status der Kooperation ausschlaggebend, sondern auch eine geteilte auf die Zukunft gerichtete Zuversicht, was die gemeinsame Arbeit angeht. Zudem sind nicht nur Konflikte zwischen Organisationen wichtig für die Betrachtung des Verhältnisses, sondern auch, wo diese herstammen und welche Strömungen von Einzelinteressen innerhalb der Unternehmen Einfluss darauf nehmen.
Tipps für Praktiker
- Wenn Sie das Verhältnis Ihrer Organisation zu einer Partnerorganisation betrachten, berücksichtigen Sie immer auch die Gemengelage innerhalb der beiden Organisationen! Häufig gibt es unterschiedliche Gruppen, die aus politischen Gründen ihre eigene Agenda verfolgen. Keine Organisation ist eine monolithische Einheit.
- Unterschiedliche Vorstellungen über Herangehensweisen innerhalb Ihres Unternehmens sorgen für uneinheitliche Signale und Frustration bei der Partnerorganisation. Sorgen Sie nach außen hin für ein möglichst geschlossenes Auftreten!
- Beurteilen Sie Ihre Partnerorganisation nicht nur nach dem aktuellen Stand der Dinge. Eine gemeinsame Zukunftsperspektive kann ein Treiber für eine verstärkte Zusammenarbeit sein!
Literaturverweis und Methodik
In einer Längsschnittstudie haben Prof. Dr. Dries Faems von der WHU – Otto Beisheim School of Management und seine Co-Autorin Prof. Dr. Anna Brattström von der Lund Universität in Schweden untersucht, welche Auswirkungen unterschiedliche Interessengruppen in Firmen auf die externen Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Partnerunternehmen haben. In ihrer Arbeit „Inter-Organizational Relationships as Political Battlefields“, die im Academy of Management Journal veröffentlicht wurde, zeigen sie ein detailliertes Beispiel und einen neuen daraus resultierenden Forschungszweig auf.
- Brattström, A./Faems, D. (2020): Inter-Organizational Relationships as Political Battlefields: How Fragmentation within Organizations Shapes Relational Dynamics between Organizations, in: Academy of Management Journal, Vol. 63, No. 5.
Autoren der Studie
Prof. Dr. Dries Faems
Prof. Dr. Dries Faems ist Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship, Innovation and Technological Transformation an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er ist Experte für Zusammenarbeit bei Innovationen. In seiner Forschung und Lehre befasst sich Prof. Faems mit Inhalten wie Allianzen für Forschung und Entwicklung, Zusammenarbeit bei der digitalen Transformation und Innovations-Ökosysteme. Er koordiniert außerdem den WHU Innovation Ecosystem Hub, der darauf abzielt, Wissenschaft und Praxis bei der Zusammenarbeit für gemeinsame Innovationen zu vernetzen.
Prof. Dr. Anna Brattström
Prof. Dr. Anna Brattström ist spezialisiert auf die menschliche Komponente bei Innovationen und Unternehmertum: Dabei geht es beispielsweise darum, wie Menschen zusammenarbeiten, um neue Technologien und Unternehmen zu entwickeln. Ihre meisten Arbeiten basieren auf Längsschnittuntersuchungen, deren Daten bei neu zusammengestellten Projekt-Teams oder bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zwischen Unternehmen erhoben wurden. Sie werden regelmäßig in renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht.