WHU Start-up erobert den amerikanischen Schuhmarkt
Hochwertige Sneaker zu günstigeren Preisen anbieten, als es die Luxus-Labels tun, und sich damit auch noch direkt auf dem hart umkämpften New Yorker Markt etablieren – das ist WHU-Alumnus Chris Wichert (BSc 2010) mit seiner Luxus Sneaker-Marke KOIO mittlerweile gelungen. Amerikaner aber auch internationale Kunden stehen auf seine eleganten und dennoch sportlichen Schuhmodelle. Wie der Sneaker-Fan und sein Mitgründer Johannes Quodt sich am Anfang ganz ohne Werbung durchgesetzt haben, warum sie vor dem Start der Produktion erst eine Suchaktion in Italien starten mussten und was ihre Schuhe mit Game of Thrones zu tun haben, erzählt er im Interview.
1. Chris, du selbst bist großer Sneaker-Fan. Was schätzt du daran? Und hast du mit „KOIO“ deine Leidenschaft zum Beruf gemacht?
Ja, ich bin seit meiner Kindheit großer Sneaker-Fan, das kann man wohl so sagen. Und in gewisser Weise habe ich damit mittlerweile auch meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Das war allerdings nicht direkt der Fall, sondern ging über Umwege. Nach meinem Studium an der WHU habe ich zunächst im Investmentbanking gearbeitet. Ich war bei J.P. Morgan in Frankfurt für zweieinhalb Jahre, bevor ich mich dann dazu entschlossen habe, einen MBA in den USA zu machen und in eine andere Richtung zu gehen. An der Wharton School in Philadelphia ist mir klar geworden, dass ich mein eigenes Unternehmen aufbauen möchte, und zwar in einem Bereich, der mich persönlich sehr begeistert.
An den Sneakern von großen Luxusmarken hat mich insbesondere die italienische Handwerkskunst, die hochwertigen Ledermaterialien und die tadellose Verarbeitung fasziniert. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass die traditionellen Luxusmarken einige Probleme in ihrem Geschäftsmodell hatten, das sehr stark auf den stationären Einzel- und Großhandel ausgelegt ist. Hinzu kommt, dass traditionelle Luxusmarken sich stark über einen exorbitant hohen Preis und Exklusivität definieren. Sie sprechen damit vor allem wohlhabende, ältere Leute an. Unser Ziel mit KOIO ist es, eine moderne, digitale und zugängliche Luxusmarke für Millennials aufzubauen und die Schwachpunkte traditioneller Luxusmarken zu beheben.
2. Deinen Geschäftspartner Johannes Quodt hast du während des Studiums kennengelernt. Wie ging es von da an weiter, bis es zur Gründung von KOIO gekommen ist?
Johannes und ich haben uns während unseres MBAs kennengelernt und schnell unsere gemeinsame Vorliebe für Sneaker und italienische Handarbeit entdeckt. Wir haben dann sofort angefangen zu überlegen, wie wir eine moderne Luxusmarke im Bereich Sneaker aufbauen können. Anstatt wie üblich ein Praktikum während des Studiums zu machen, sind wir für einen Sommer nach New York gezogen, und haben dort die ersten Schuhe designt und das Business Modell für KOIO konzipiert. Anschließend ging es darum, einen herausragenden Hersteller zu finden. Es war schier unmöglich, einen guten italienischen Hersteller in den USA selbst zu finden.
Wir sind dann kurzerhand während des Studiums selbst nach Italien geflogen und haben uns auf die Suche begeben. In den vier Wochen vor Ort haben wir mehr als 30 Hersteller besucht und uns genau angeguckt, wie dort die Schuhe hergestellt werden. Am letzten Tag unserer Reise haben wir eine familiengeführte Fabrik gefunden, die auch für das französische Luxuslabel Chanel produziert. Die Qualität und Liebe zum Detail in der Herstellung war hier ein völlig anderes Niveau als bei allen Fabriken, die wir zuvor gesehen haben. Wir wollten unbedingt mit genau diesem Hersteller zusammenarbeiten. Letztendlich konnten wir den Besitzer von unserem Konzept überzeugen, die Luxusmarkt für mehr Menschen zugänglich zu machen. Bis heute sind wir das einzige Start-up, das dort produziert. All unsere Schuhe werden seitdem von Hand in dieser Fabrik gefertigt und nutzen das hochwertigste Leder direkt aus der Region.
Nach unserem Studium sind Johannes und ich endgültig nach New York gezogen und haben dort unseren Firmensitz zunächst in Brooklyn und nach der ersten erfolgreichen Finanzierungsrunde in Soho eröffnet. Mittlerweile haben wir neben unserem Online-Geschäft auch vier eigene Läden, die sich in New York, Los Angeles, San Francisco und Miami befinden.
3. Ihr konntet viele namhafte Investoren gewinnen, schaltet aber keine Werbung. Wie funktioniert das und warum habt ihr euch für eine Gründung in den USA entschieden?
Anfangs haben wir tatsächlich keine Werbungen geschaltet. Mittlerweile gehört Online-Werbung aber auch zu unserem Marketing-Programm. Zum Start von KOIO haben wir unsere Marke primär über drei verschiedene Wege aufgebaut: 1. Offline-Events, 2. Presse und 3. Kooperationen.
Wir mussten zunächst feststellen, dass es sehr schwer ist, im Internet Produkte einer komplett unbekannten Marke zu verkaufen, die einen durchschnittlichen Preis von 250 bis 300 Dollar hat. Dementsprechend blieb uns nichts anderes übrig, als kreativ zu werden. Erster Schritt war es, die Bekanntheit unserer Marke über Offline-Events zu steigern. Wir sind durch Soho gelaufen, haben uns mit Ladenbesitzern angefreundet und gefragt, ob wir für ein Wochenende aus ihrem Store heraus Schuhe verkaufen können. Das hat tatsächlich funktioniert, und wir haben schon bald viele Leute in der Stadt mit unseren Schuhen herumlaufen gesehen. Das Erfolgsrezept für uns war, Kunden persönlich von der Produktqualität zu erzählen, sie das Leder anfassen und die Schuhe anprobieren zu lassen. Sobald sie die Schuhe anhatten, wollten sie diese meistens sofort kaufen, da sie von der Passform, vom Preis und von der Produktqualität überzeugt waren.
Ein anderes wichtiges Konzept war die Pressearbeit. Wir haben mit extrem vielen Presseleuten in New York Kontakt aufgenommen und ihnen leidenschaftlich von unserer Marke und unserem Konzept erzählt. Das half uns extrem, die Bekanntheit der Marke zu steigern. Wir profitierten so von sehr positiven Berichten in Magazinen wie GQ, Vogue und Forbes. In einer Abstimmung im Männermagazin Esquire wurde KOIO im Jahr 2015 in der Kategorie „Coolste Sneaker“ auf Platz 1 gewählt.
Außerdem haben wir von Beginn an auf die Zusammenarbeit mit interessanten Künstlern gesetzt. Zusammen mit den Künstlern haben wir limitierte Sneaker-Serien designt. Dabei haben wir zum Beispiel Produktlinien zusammen mit dem bekannten Tattoo-Künstler JonBoy, der Surferin Quincy Davis und dem Balletttänzer James Whiteside produziert. Aber wir haben auch mit größeren Marken zusammengearbeitet. Highlights waren die Produktion von Schuhen für die siebte Staffel von Game of Thrones und eine limitierte Auflage für das bekannte Beverly Hills Hotel in Los Angeles. Auf diese Weise konnten wir uns kosteneffizient neue Zielgruppen erschließen, einzigartige Produkte gestalten und inhaltsreiche Stories dazu erzählen.
4. Wie hat sich das Land in letzter Zeit in eurer Wahrnehmung gewandelt? Habt ihr eine Veränderung in der Mentalität unter Trump gespürt, und welche Auswirkungen hatte Corona auf euer Geschäft?
Wir haben uns für eine Gründung in New York entschieden, weil wir die Energie und Dynamik in dieser Stadt sehr mögen. Hier ist in den vergangenen Jahren neben San Francisco ein zweites kreatives Zentrum für Start-ups entstanden. Aber im Vergleich zu San Francisco ist in New York der Mode-Aspekt deutlich größer. New York ist weltweit einer der größten Luxusmärkte und damit ideal geeignet für eine neuartige Luxusmarke, die wir mit KOIO aufbauen wollen. Ein Nachteil in New York sind natürlich die hohen Kosten. Es ist wirklich so, dass hier alles sehr viel teurer ist und man deutlich mehr Ressourcen benötigt, um eine Marke aufzubauen. Trotzdem haben wir den Schritt, nach New York gegangen zu sein, nicht bereut und denken, dass es für uns die perfekte Location ist.
Wir haben natürlich riesige Auswirkungen durch die Corona-Pandemie auf unser Business feststellen müssen. Wir waren und sind sowohl auf der Nachfrage als auch der Angebotsseite stark betroffen.
Auf der Angebotsseite fing es damit an, dass in Italien unsere Hersteller und Zulieferer schlagartig ausgefallen sind. Wir produzieren ausschließlich in Italien, und dieses Land war nun einmal als eines der ersten von Corona betroffen. Das führte zum sofortigen Produktionsstopp und dem Stopp unserer Forschung und Produktentwicklung. Dabei haben wir leider viel Zeit für die Weiterentwicklung unseres Geschäfts verloren.
Auf der Nachfrageseite sind von einem Tag auf den andern die Leute zu Hause geblieben. Das bedeutete zunächst, dass wir unser Büro aber auch unsere vier Stores schließen mussten. Darüber hinaus brauchen die Leute leider auch keine Schuhe mehr, wenn sie nur zu Hause sein können. Wir haben das Ganze durch kreatives Marketing und neue Produkte versucht aufzufangen, wie zum Beispiel durch ein Work-from-Home-Kit, das Hausschuhe und Socken beinhaltet. Aber unser Hauptgeschäft war natürlich trotzdem stark beeinträchtigt. Wir sehen jetzt so langsam, dass es wieder aufwärts geht. Aus der Krise gehen wir aus einer sehr guten Lage hervor und sind besser aufgestellt als vorher.
5. Was unterscheidet eure Sneaker von anderen, und wie sieht die Zukunft von KOIO aus?
Mit unseren Sneakern wollen wir italienische Handwerkskunst, hervorragende Materialien, Nachhaltigkeit, Komfort und einen angemessenen Preis kombinieren. Wir bieten unseren Kunden ein wahrhaftiges Luxusprodukt, das in einer der besten Fabriken der Welt handgefertigt wird.
In den nächsten Monaten werden wir deutlich stärker auf das Thema Nachhaltigkeit setzen. Das bedeutet für uns, dass wir noch bessere Materialien und besseres Leder für unsere Sneaker nutzen werden. Dieses kommt von Farmen, von denen wir genau wissen, wie die Kühe behandelt und wie das Leder bearbeitet werden. So können wir sicherstellen, dass weniger Chemikalien im Gerbungsprozess verwendet werden. Darüber hinaus werden wir die Plastikkomponenten in unseren Schuhen stark reduzieren und durch recyclte Materialien ersetzen.
Aktuell fokussieren wir uns als Marke insgesamt sehr stark auf Sneaker. Wir werden unser Produktportfolio in diesem Jahr aber deutlich erweitern und sind sehr gespannt, wie das bei unseren Kunden ankommen wird.
Über Chris Wichert:
Chris Wichert hat an der WHU – Otto Beisheim School of Management Betriebswirtschaftslehre studiert. Seinen Bachelor-Abschluss machte er 2010 als Bester von 118 Studierenden seines Jahrgangs. Danach arbeitete er als Analyst und im Investment Banking bei J.P. Morgan. 2013 entschied er sich dazu, an der Wharton School, Universität Pennsylvania, seinen Master in Betriebswirtschaft zu machen. Dort lernte er auch seinen späteren Geschäftspartner und Co-Founder Johannes Quodt. 2015 gründeten sie die Marke KOIO und sind damit bis heute erfolgreich.