Juniorprofessorin Pisitta Vongswasdi über Diversity Beliefs
In den vergangenen Jahren hat das Themenfeld Diversität & Inklusion (D&I) sowohl in Unternehmen als auch der Wissenschaft an Bedeutung gewonnen. Während Unternehmen allmählich beginnen, das Potential von diversen und inklusiven Arbeitsumfeldern zu erkennen, erforschen Wissenschaftler:innen die zugrundeliegenden Faktoren und testen potenzielle Stellschrauben. Pisitta Vongswasdi, Juniorprofessorin für Diversität an der WHU – Otto Beisheim School of Management, legt in ihrer Forschung einen Schwerpunkt auf die Frage, was Unternehmen tun können, um die Einstellung der Beschäftigten gegenüber Vielfalt zu verändern und das Verhalten entsprechend anzupassen. Dabei konnte sie zwei Faktoren identifizieren, die die Überzeugung von der Vielfalt („Diversity Beliefs“) positiv beeinflussen.
Diversität als zweischneidiges Schwert
In der öffentlichen Debatte wird Vielfalt oftmals als vorteilhaft und nützlich für Unternehmen dargestellt. So weist Vongswasdi darauf hin, dass Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen verschiedene Ideen, Meinungen und Perspektiven einbringen. Dies steigere wiederum die Kreativität und Innovationskraft innerhalb von Arbeitsgruppen und stärke so den Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens. In einer Studie fand McKinsey & Company heraus, dass Unternehmen mit einer hohen geschlechtsspezifischen Vielfalt eine 25 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Bei der Dimension ethnischer Vielfalt erhöht sich dieser Wert sogar auf 36 Prozent. Neben diesem positiven Einfluss kann Diversität jedoch auch negative Auswirkungen auf Teams und Unternehmen haben. Was Vongswasdi als die „dunkle Seite“ von Diversität bezeichnet, sind soziale Kategorisierungsprozesse, die die Effektivität eines Teams untergraben können. Soziale Kategorisierung ist ein natürlicher kognitiver Prozess, bei dem wir Individuen anhand sichtbarer oberflächlicher Merkmale in Teilgruppen einordnen. Die sich entwickelnde Gruppendynamik könne, so Vongswasdi, zu Polarisierung und Konflikten innerhalb diverser Teams führen. Es stellt sich also die Frage, was Unternehmen tun können, um die Vorteile von Diversität zu nutzen und potenzielle Nachteile abzuwenden.
Beeinflussung von Diversity Beliefs durch kurze Interventionen
Ein entscheidender Faktor sind Diversity Beliefs oder, anders ausgedrückt, die Einstellungen und Verhaltensweisen von Menschen gegenüber Personen, die im Verhältnis zum eigenen Selbst divers sind. Vongswasdi argumentiert, dass Unternehmen die Wahrnehmung ihrer Beschäftigten gegenüber Diversität durch Kurzinterventionen beeinflussen können. Anhand einer experimentellen Studie fand sie heraus, dass Unternehmen einen Förderungsfokus statt eines Präventionsfokus einnehmen sollten. In herkömmlichen Diversity-Trainings würden sich Unternehmen oft darauf konzentrieren, ihren Beschäftigten zu vermitteln, was sie nicht tun sollen und sie darauf hinweisen, wie sie sich politisch korrekt zu verhalten haben. Dies schaffe jedoch eine Atmosphäre der Unsicherheit und Vermeidung. Vongswasdi empfiehlt daher das Framing zu ändern und stattdessen einen Förderungsfokus einzunehmen. Ihrer Argumentation zufolge sollten Unternehmen ihre Beschäftigten daher dazu anregen, an die potenziellen Vorteile von Vielfalt und die Synergien zu denken, die durch die Zusammenarbeit in einem vielfältigen Team entstehen können. Ferner schlägt Vongswasdi vor, das Thema persönlicher zu gestalten. Wenn Beschäftigte über die Vorteile von Vielfalt aufgeklärt werden, könnten sie von den Argumenten überzeugt werden. Studien zufolge führe dies jedoch nicht notwendiger Weise zu einer Verhaltensänderung. Anstatt also sachlich über Diversität zu sprechen, empfiehlt Vongswasdi auf eine persönliche Ebene zu gehen und die Beschäftigten nach ihren bisherigen Erfahrungen zu fragen. So könne man im Rahmen eines Diversity-Trainings die Teilnehmenden bitten, sich an eine Interaktion mit einer Person mit einem anderen Hintergrund als dem eigenen zu erinnern und sie zur Reflexion über die daraus gezogenen Lehren anzuregen.
Die Bedeutung von individuellen Beiträgen
Es sind jedoch nicht nur Unternehmen, die die Einstellung der Menschen zu Vielfalt ändern und eine inklusive Arbeitskultur fördern können. Auch die Beschäftigten selbst können etwas tun. „Wenn ich eine Sache nennen müsste, die ein Mensch tun kann“, betont Pisitta Vongswasdi, „dann ist es, Neugier zu zeigen.“ Wie sie erklärt, geht das Vorleben von Neugierde über bloße Diversity Beliefs hinaus. Dazu gehöre nämlich ebenso, Vielfalt gegenüber aufgeschlossen zu sein, gewillt zu sein von ihnen zu lernen, und ihre Meinungen zu schätzen. Zudem sei es die Aufgabe der Teamleitung die Meinung aller einzuholen, sodass auch die diversen Stimmen berücksichtigt werden. „Wenn es um Vielfalt geht“, ergänzt Vongswasdi, „ist es nicht nur etwas, was man abhaken kann.“ Stattdessen sei es ein fortlaufender Prozess, der ein langfristiges Engagement sowohl vom Unternehmen als auch den Beschäftigten erfordert. „Der Wert von Diversität wird nur dann realisiert“, so fährt sie fort, „wenn jeder Einzelne, jedes Unternehmen und die Gesellschaft wirklich an ihre Bedeutung glaubt.“