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31.03.2022

Der Einfluss von Technologie auf den internationalen Fußball

Das künstlerische Element wird weiterhin den Unterschied ausmachen

Sascha L. Schmidt / Daniel Beiderbeck / Nicolas Frevel - 31. März 2022

Tipps für Praktiker

Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Kunst und Wissenschaft zu finden, war für die Gesellschaft insgesamt schon immer eine Herausforderung. Das gilt nun auch zunehmend für den Fußball. Daher haben sich mehrere Organisationen - darunter auch die FIFA - mit der Frage befasst, ob technische Innovationen ein fester Bestandteil des Fußballs werden sollten. Übereinstimmend mit ihrer Selbstwahrnehmung und ihrer Rolle als Dachverband des Fußballs sowie als Organisatorin zahlreicher Männer- und Frauenwettbewerbe hat die FIFA die intrinsische Motivation, innovative Funktionen und neue Technologien zu untersuchen, die das Potenzial haben, das Spiel auf allen Ebenen zu verbessern. Zudem ist es der FIFA möglich, durch empirische Analysen die regulatorischen Änderungen zu unterstützen, die dem International Football Association Board (IFAB) vorgeschlagen werden.

Im Laufe der Zeit hat die Zahl möglicher Regeländerungen im Zusammenhang mit technologischen Entwicklungen unweigerlich zugenommen. Jüngste Beispiele wie die Torlinientechnologie (GLT), der Einsatz elektronischer Leistungs- und Nachverfolgungssysteme (EPTS) oder der Video-Schiedsrichterassistent (VAR) zeigen, wie innovative Instrumente das Spiel verbessern können. Es bleiben jedoch berechtigte Fragen zur Reichweite des Einsatzes von Technologie im modernen Fußball und wie weit der Wunsch danach geht.

Übertragung auf das Management

Wie bereits erwähnt, ist der Kampf zwischen Kunst und Wissenschaft nicht nur auf den Fußball beschränkt. Ähnliche Herausforderungen gelten für das breite Management in fast jeder Branche. Die Mechanismen, die im Fußball zu beobachten sind, lassen sich auch auf Unternehmen jenseits des Sports übertragen - insbesondere, wenn es um zeitlich begrenzt zusammengestellte Teams geht, wie sie häufig in flexibel agierenden Organisationen zu finden sind oder bei so genannten Schwärmen (also extern angeworbene Fachleute, die ein Team bilden, um ein konkretes Problem zu lösen, für das einer Organisation intern die erforderliche Expertise fehlt). Wissenschaft und Technologie können einen erheblichen Mehrwert haben, wenn sie zur Unterstützung solcher Arbeitsteams eingesetzt werden. Gleichzeitig muss das künstlerische Element der Teamarbeit erhalten bleiben, um sicherzustellen, dass das Team hervorragende Ergebnisse liefern kann.

Im Gleichklang mit der Welt des Fußballs müssen Manager drei unterschiedliche Phasen berücksichtigen, um die besten Ergebnisse aus flexiblen Teams oder Schwärmen herauszuholen.

  1. Identifizierung von Talenten,
  2. Teamzusammenstellung und
  3. Leistungsoptimierung.

Im fußballerischen Kontext gelten diese Herausforderungen insbesondere für Nationalmannschaften, in denen die Spieler in der Regel nur für eine bestimmte Zeit zusammenspielen (z. B. bei einem Turnier) und dann wieder zu ihren jeweiligen Mannschaften auf Vereinsebene zurückkehren. Im Gegensatz zur Fußballwelt verfügen Manager in Unternehmen jedoch oft über deutlich weniger Informationen über die Leistungsfähigkeit und Eigenschaften ihrer Mitarbeiter. Daher könnte ein wissenschaftlicherer Ansatz zur Optimierung der Teamleistung eine Möglichkeit sein, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Tipps für Praktiker

  • Die Bedeutung von Technologie im Fußball wird immer weiter steigen. Während das intuitiv erscheint, war auch beobachtbar, dass gerade die kleineren Fußballverbände sich einen noch stärkeren Einsatz von Technologie wünschten. Dies wird von der Überzeugung gestützt, dass Technologie und Datenwissenschaft, die am schnellsten wachsenden Bereiche in Fußballvereinen und -verbänden sind.
  • Technologie wird in erster Linie als Hilfsmittel für den Fußball angesehen. Experten sind sich einig, dass Technologie das Spiel fairer und zugehörige Prozesse wie Training oder Scouting effizienter macht. Sie sollte jedoch nicht die Reinheit des Spiels verfälschen.
  • Die Wissenschaft ist auf dem Vormarsch, aber die Kunst wird ein wesentlicher Bestandteil des Fußballs bleiben. Trotz der zunehmenden Bedeutung von Technologie und Daten im Fußball sind sich die Experten einig, dass die künstlerische Komponente des Spiels auch in Zukunft das entscheidende Unterscheidungsmerkmal auf dem Spielfeld sein wird. Manager müssen das Potenzial der Technologie steuern und nutzen, gleichzeitig aber auch einen Weg finden, das Zusammenspiel von Technologie und menschlicher Kreativität zu optimieren, um das Spiel zu verbessern.
  • Der Profifußball könnte als Benchmark für die Optimierung von Teamleistungen in der Arbeitswelt von Unternehmen dienen. Erkenntnisse können aus Talentscouting-Mechanismen, digitalen Mitarbeiterprofilen/Avataren oder technologiegestützten Schulungs- und Entwicklungsmöglichkeiten gewonnen werden.

Literaturverweis und Methodik

Die Delphi-Methode stellt eine bewährte Technik zur Strukturierung von Kommunikationsprozessen in Gruppen dar. Das Center for Sports and Management der WHU - Otto Beisheim School of Management verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Durchführung von Delphi-Studien, sowohl für die Wissenschaft als auch für die Presse. 

Die vorliegende Studie wurde unter technischen Leitern aus 91 verschiedenen Ländern durchgeführt. Damit ist diese Studie die erste und umfassendste ihrer Art, die Vertreter von FIFA-Mitgliedsverbänden aus allen Teilen der Welt berücksichtigt.

  • Schmidt, S. L./Beiderbeck, D./Frevel, N. (2021): The Impact of Technology on the Future of Football – A Global Delphi Survey, WHU – Otto Beisheim School of Management, Düsseldorf.

Weiterführende Literatur 

  • Beiderbeck, D., Frevel, N., von der Gracht, H. A., Schmidt, S. L., & Schweitzer, V. M. (2021a): Preparing, conducting, and analyzing Delphi surveys: Cross-disciplinary practices, new directions, and advancements. MethodsX, 8, 101401. doi.org/10.1016/j.mex.2021.101401
  • Beiderbeck, D., Frevel, N., von der Gracht, H. A., Schmidt, S. L., & Schweitzer, V. M. (2021b): The impact of COVID-19 on the European football ecosystem – A Delphi-based scenario analysis, in: Technological Forecasting and Social Change, 165, 120577. doi.org/10.1016/j.techfore.2021.120577
  • Merkel, S., Schmidt, S. L., & Schreyer, D. (2016): The future of professional football: A Delphi-based perspective of German experts on probable versus surprising scenarios, in: Sport, Business and Management: An International Journal, 6 (3), 295–319. doi.org/10.1108/SBM-10-2014-0043

Autoren der Studie

Prof. Dr. Sascha L. Schmidt

Sascha L. Schmidt ist Leiter des Center for Sports and Management und Professor for Sports und Management an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Zudem ist akademischer Direktor der SPOAC - Sports Business Academy by WHU. Zusätzlich ist er Mitglied der Digital Initiative an der Harvard Business School (HBS), affiliert mit dem Labor für Innovation Science in Harvard (LISH) und Forscher an der Emlyon Business School Asia. Sascha Schmidt ist Co-Autor verschiedener sportbezogener HBS Fallstudien und einer der Initiatoren und einer der leitenden Dozenten des MIT Sports Entrepreneurship Bootcamp. Seine Forschung fokussiert sich auf Wachstums- und Diversifikations-Strategien sowie die Vorbereitung des Profisports auf zukünftige Entwicklungen.

Daniel Beiderbeck

Daniel Beiderbeck ist externer Doktorand am Center for Sports and Management (CSM) der WHU – Otto Beisheim School of Management und war Programm-Manager an der Sports Business Academy by WHU (SPOAC). Seine Forschung konzentriert sich auf Delphi-Studien zur Vorhersage zukünftiger Entwicklungen im Fußball und eSport. Vor seiner Promotion arbeitete er als Strategieberater bei McKinsey & Company, wo er zahlreiche Projekte zur digitalen Transformation in unterschiedlichen Industrien begleitete.

Nicolas Frevel

Nicolas Frevel ist externer Doktorand am Center for Sports and Management (CSM) der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er führt dort Forschungen zum Thema “Die Zukunft des Sports“ mithilfe von Delphi-basierten Szenarioanalysen durch. Sein Fokus gilt dem Einsatz von Technologien im Sport. Vor seiner Promotion arbeitete er als Berater für verschiedene Industrien bei McKinsey & Company.

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