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26.07.2022

Fünf Fragen an Legmon

WHU-Gründer setzen sich für benachteiligte Schüler:innen ein

In Deutschland gibt es Chancengleichheit und der soziale Aufstieg ist jedem und jeder möglich – soweit zumindest die Theorie. Dass dem nicht unbedingt so ist und es an sozialer Mobilität oft mangelt, belegen zahlreiche Studien. Um sich dieser Problematik anzunehmen, haben WHU-Absolvent Michael Linke (MSc 2022) und sein Mitgründer Alexander Hodes vor zwei Jahren das Social Start-up „Legmon“ gegründet. Mit einer App und wissenschaftlich basierten Unterstützungsangeboten helfen sie und zahlreiche ehrenamtliche Mentor:innen benachteiligten Schüler:innen. Dadurch soll in der Gesellschaft mehr Chancengleichheit entstehen und der Weg nach oben für Jugendliche jeglicher Herkunft möglich sein. In der Kategorie „Fünf Fragen an…“ erklären die Gründer die Arbeitsweise von Legmon und warum sie auch ohne Profite mit Herzblut bei der Sache sind.

1. Michael, gemeinsam mit Deinem Mitgründer Alexander Hodes und Eurem ehrenamtlichen Team, hast Du vor ein paar Jahren „Legmon“ initiiert. Mittlerweile habt Ihr eine App entwickelt, stellt YouTube-Videos bereit und bietet ein Mentoring-Programm an. Welches Ziel verfolgt Ihr mit Legmon?

Michael Linke (ML): Das Team hinter Legmon möchte mithilfe einer holistischen, wissenschaftlich fundierten Plattform benachteiligte Jugendliche bei ihrem sozialen Aufstieg unterstützen und so für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit sorgen. Viel zu oft ist es mangelndes soziales, ökonomisches und kulturelles Kapital, das sozial Benachteiligten fehlt. Das Netzwerk der Familien ist begrenzt, das Geld für Nachhilfe reicht nicht aus und der langfristige Wert von Bildung wird verkannt. Das äußert sich auch in diversen Statistiken: Kinder, deren Eltern keine Akademiker sind, studieren seltener. Aufstiege aus sozial schwachen Schichten dauern bis zu mehreren Generationen und Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund bleiben überdurchschnittlich oft auf der Strecke. 

Mit Legmon möchten wir diese Kinder und Jugendlichen auf ihrem Weg unterstützen, Wissen vermitteln und Ressourcen zur Verfügung stellen – für mehr Chancengleichheit, soziale Teilhabe und einen Mehrwert für die Gesellschaft. 

2. Das Konzept von Legmon beruht auf mehreren Säulen. Welche sind das und wie können sozial benachteiligte Schüler:innen davon profitieren?

Alexander Hodes (AH): Mit Legmon möchten wir ein holistisches Ökosystem aufbauen, das unserer Zielgruppe als Support-Infrastruktur dient. Dabei kommen drei Säulen zum Tragen:

  1.  App: Mit einer kostenlosen Challenge-App können persönliche Gewohnheiten ganz einfach aufgebaut und der Fortschritt zum Ziel dokumentiert werden. Ein auf psychologischen Erkenntnissen basierender Gamification-Ansatz unterstützt die Entwicklung „aufstiegsfördernder“ Persönlichkeitsmerkmale und zahlreiche weitere Elemente fördern die Offenheit gegenüber habitus-fremden Konzepten. Die Veröffentlichung einer neuen Version mit weiteren Funktionen und einem Design-Update ist für Herbst 2022 geplant.
  2. Content: Multimediale Inhalte auf verschiedenen Kanälen fördern das Entwicklungsdenken und bieten Denkanstöße zu unterschiedlichen Lebensentwürfen, Studiengängen und Berufen. Neben Live-Events, Webinaren und Kooperationen mit vielen Partnern sind auch unser Blog, Instagram-Auftritt und allen voran unser YouTube-Kanal zu erwähnen. In verschiedenen Videos waren dort unter anderem schon Beni Weber, Art-Attack-Moderator und South-Park-Synchronsprecher, Mahmut („von der Hauptschule zur Harvard-Promotion“) und Umes („vom Flüchtling zum Herzchirurgen“) zu Gast.
  3. Community: Wir bringen bei Legmon motivierte Menschen zusammen, damit der Austausch untereinander funktioniert und der passende Ansprechpartner oder die passende Ansprechpartnerin immer zur richtigen Zeit bereitstehen. Dabei sticht vor allem unser innovatives Mentoring-Programm heraus, bei dem Studierende und Young Professionals verschiedenster Hintergründe und Disziplinen ihr Wissen, Erfahrungen und Tipps kostenlosweitergeben.

3. Ihr arbeitet mit ehrenamtlichen Unterstützer:innen zusammen. Welche Qualifikationen müssen sie mitbringen und wie helfen sie konkret, um Legmon auszubauen und soziale Aufstiege zu ermöglichen?

ML: Als eigenfinanziertes Social Start-up sind wir auf die Unterstützung von ehrenamtlichen Helfer:innen angewiesen und sind dankbar für jede Hilfe, die wir bekommen. Bereits ein bis zwei Stunden pro Woche sind, richtig investiert, wertstiftend. Unser Team ist sehr divers aufgestellt und vereint interdisziplinäre Rollen – egal ob Techie für die App-Entwicklung, Designer:in für coole Grafiken oder Marketing-Expert:in für das nächste virale Video. 

Mit der richtigen Einstellung lassen sich viele Fähigkeiten schnell erlernen und mit unserem Social Start-up Setting kann sich jeder selbst ausprobieren und verwirklichen. Ehrenamtliche Mentor:innen tragen unser Mentoring-Programm. Nach Bewerbung unserer Mentees geben sie im direkten Austausch Tipps zur individuellen Karriere und persönlichen Entwicklung. So unterstützen uns seit Kurzem mit Camilla Hochgürtel (MiM 2022) und Marc Franzen (BSc 2022) auch zwei weitere WHU-Alumni.

4. Bislang arbeitet Legmon nicht gewinnorientiert. Auch Ihr als Gründer und die ehrenmatlichen Unterstützer:innen arbeiten ehrenamtlich. Das ist bei Start-up-Gründungen eher eine Seltenheit. Warum sind Euch die Themen sozialer Aufstieg und Chancengleichheit dennoch so wichtig?

ML: Wir leben in einer meritokratischen Gesellschaft, die davon ausgeht, dass jeder und jede den Aufstieg –sei es akademisch, sozial oder finanziell – schaffen kann, wenn er oder sie sich nur stark genug anstrengt und dafür arbeitet. Dies spiegelt leider aber nicht die Lebenswirklichkeit wider und ist ein großes gesellschaftliches Problem. Als Kind russischer Einwanderer habe ich viele typische Erfahrungen, die Kinder, deren Eltern eingewandert sind, auch gemacht – viele meiner Freunde in der Schule hatten ebenfalls einen Migrationshintergrund. Die Eltern mussten Tag und Nacht arbeiten und hatten keine Zeit, ihre Kinder zu fördern oder waren selbst nicht gebildet genug, um ihnen zu helfen. Das macht sich mit der Zeit bemerkbar und wird spätestens dann politisch und gesellschaftlich relevant, wenn man für Quoten argumentiert oder mangelnde Diversität kritisiert. Daher kommt unsere Motivation – denn wir glauben, dass man ganz früh ansetzen muss, um einen echten und nicht nur symbolischen Unterschied zu machen. 

Wir wollen den American Dream, oder besser gesagt, den European Dream wieder wahr werden lassen – für eine Zukunft, in der jeder unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Einschränkungen oder Elternhaus seine Träume verwirklichen kann.

5. Legmon orientiert sich stark an wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen. Was bedeutet das für Eure Arbeitsweise und was sind Eure zukünftigen Ziele?

AH: Wir evaluieren unsere Aktivitäten stets nach bestem Wissen und Gewissen und messen unseren Impact mit diversen Metriken. Fundament sind dabei wissenschaftliche Studien aus der Psychologie und Soziologie: Persönlichkeitsmerkmale oder Charakteristika wie Resilienz oder Selbstwirksamkeit korrelieren mit sozialem Aufstieg und können durch einzelne Funktionen in unserer App entwickelt werden. Mangelndes “Vitamin B” kann durch unser Mentoring-Programm ausgeglichen werden, während unser Youtube-Kanal alternative Lebensentwürfe vorstellt und unser Publikum, zielgruppengerecht, mit neuen Ideen und Möglichkeiten versorgt. 

Mittelfristig müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir unseren Impact weiter skalieren können. Eine nachhaltige und soziale Monetarisierungsstrategie über Recruiting-Maßnahmen für Unternehmen scheint dabei sinnvoll. Ansonsten versuchen wir durch Kooperationen und mediale Zusammenarbeit unsere Reichweite zu steigern und suchen nach wie vor nach ehrenamtlichen Unterstützer:innen, um unsere Mission wahr werden zu lassen, jedem den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.

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