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16.08.2023

Fünf Fragen an ZukunftMoor

WHU-Start-up hat nachhaltige und innovative Ideen für die Nutzung von Mooren

Um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius soll sich das globale Klima bis zum Jahr 2100 erwärmen – ein Ziel, auf das sich beinahe alle Staaten der Erde auf der 21. UN-Klimakonferenz 2015 verständigt haben. Aber ist dieses Ziel überhaupt noch zu erreichen? Ein Mittel, um den CO2e-Ausstoß wirkungsvoll zu begrenzen, zudem CO2e aus der Atmosphäre im Boden zu speichern und damit den Anstieg der Temperatur zu begrenzen, ist das Wiedervernässen von Mooren. In Deutschland beispielsweise sind derzeit aber die allermeisten Moore für die landwirtschaftliche Nutzung künstlich trockengelegt. Dabei könnten sie – einmal wiedervernässt – einen wesentlich höheren Ertrag erzielen und gleichzeitig effektiv den Klimawandel bekämpfen.

Für eine wesentlich nachhaltigere und gewinnbringendere Nutzung der Moore kämpft das Start-up „ZukunftMoor“. Mitgegründet wurde es von den WHU – Otto-Beisheim-School-of-Management-Alumni Julia Kasper (BSc 2014; MSc 2020) und Florian Forstmann (D 1996) 2022. Für beide zählt einerseits der Klimaschutz, andererseits möchten sie den Landwirten aber auch eine reizvolle wirtschaftliche Alternative anbieten. Die WHU-Alumni gehen davon aus, dass durch sogenannte Paludikultur, also der landwirtschaftlichen Nutzung nasser Moore, wesentlich höhere Gewinne erzielt werden könnten als mit Milchkühen oder dem Maisanbau. Für ihr Start-up, das nun den Nachhaltigkeitspreis des Businessplan-Wettbewerbs Berlin-Brandenburg (BPW) gewonnen hat, suchen sie weitere Unterstützung.

1. Ihr möchtet mit ZukunftMoor beschleunigen, dass die derzeit trockengelegten Moore in Deutschland wiedervernässt und mit sogenannter Paludikultur deutlich nachhaltiger genutzt werden. Das hört sich sehr innovativ an. Was verbirgt sich dahinter und warum kann diese Herangehensweise für die Landwirte auch wirtschaftlich zu einer echten Alternative werden?

Julia Kasper (JK): Moore sind echte Superhelden im Kampf gegen die Klimakrise. Unter einer Wasserschicht speichern sie Torf und damit Kohlenstoff. Das Problem: In Deutschland haben wir 95 Prozent unserer Moore trockengelegt. Durch das fehlende Wasser im Moor verbinden sich laufend Kohlenstoff und Stickstoff aus dem Boden mit Sauerstoff aus der Atmosphäre zu CO2 und Lachgas. Die Lösung lautet: Wir müssen unsere trockenen Moore wiedervernässen. Der Schlüssel dafür ist die Landwirtschaft, die 80 Prozent der trockengelegten Moorflächen bewirtschaftet. Landwirtinnen und Landwirten fehlen heute aber Anreize, ihre Flächen wieder nass zu machen. Anders ausgedrückt: Sie machen ihre Fläche erst wieder nass, wenn sie damit mindestens genauso viel oder mehr als mit Kühen oder Mais verdienen.

Florian Forstmann (FF): Da kommt die „Paludikultur“ ins Spiel. Paludikultur bezeichnet die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser Moorflächen. Auf nassen Moorflächen lassen sich nachwachsende Rohstoffe wie Rohrkolben und Schilf für Dämmmaterialien sowie Naturfasern oder Torfmoos anstelle des klimaschädlichen Torfs für Pflanzenerden anbauen. Um in Deutschland klimaneutral zu werden, muss der Strukturwandel in Moor-Regionen kommen. Je schneller Landwirtinnen und Landwirte auf Paludikultur umstellen, desto diverser und zukunftsfester werden ihre Betriebe. Dafür müssen wir aber jetzt Wertschöpfungsketten aufbauen und beweisen, dass mit Paludikultur Geld verdient werden kann.

2. Dadurch könnte eine echte Win-win-Situation entstehen: Einerseits könnten die Emissionen deutlich gesenkt werden, andererseits könnten Landwirtinnen und Landwirte dadurch noch bessere Geschäfte machen. Welche Ergebnisse versprecht ihr euch dadurch für den Klimaschutz in Deutschland und wie aufwändig ist es, Moore wiederzuvernässen?

FF: Wenn wir heute alle trockengelegten Moorflächen wiedervernässen würden, könnten wir die deutschen Treibhausgasemissionen auf einen Schlag um 7,5 Prozent senken. Das entspricht 25-mal dem inländischen Flugverkehr. In der Landwirtschaft machen trockengelegte Moore sogar fast 40 Prozent an CO2e aus. Mit unserem Ansatz können wir beweisen, dass Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit ineinandergreifen. Die Moor-Transformation hat dabei eine ähnliche Dimension wie der Kohleausstieg. Statt wegbrechender Wirtschaftsstrukturen lassen sich mit Paludikultur Arbeitsplätze in den Moorregionen halten und neue schaffen. Der Weg dahin ist aufwendig, aber notwendig. Global betrachtet ist der Effekt noch viel größer: 1,9 Gigatonnen oder circa 4 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus trockengelegten Mooren.

JK: Wiedervernässung ist an sich recht simpel: Man muss ableitende Gräben zuschütten, Pumpen abstellen oder Drainagen entfernen. Dadurch werden nicht nur Treibhausgasemissionen gestoppt, sondern dadurch wird auch das Wasser in der Region gehalten – ein echter Gewinn für das regionale Mikroklima in Zeiten von Hitzerekorden!

Damit das funktioniert, müssen wir aber die Menschen vor Ort mit ins Boot holen. Sie haben teilweise über Generationen hinweg gelernt, dass der Boden trocken sein muss. Das war für die Zeit damals richtig, muss in Moorregionen heute aber neu gedacht und umgekehrt werden. Das Bewusstsein dafür ist in vielen Regionen schon sehr präsent.

3. Das Thema ist auch bei der Bundesregierung angekommen. Durch das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) werden vier Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um natürliche Ökosysteme wieder aufzubauen und zu stärken. Eine Priorität darin haben Moore, allerdings geht deren Vernässung deutschlandweit deutlich zu langsam voran, um die eigenen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Wie möchtet ihr dieses Vorhaben beschleunigen?  

FF: Die Politik hat erkannt, dass bisherige Bemühungen der Wiedervernässung zu langsam vorangehen. Wenn wir die Bund-Länder-Zielvereinbarung der deutschen Politik in Flächen umrechnen, müssen wir in Deutschland circa 250.000 Hektar bis 2030 wiedervernässen. Das entspricht einer Fläche, die fünfmal so groß ist wie der Bodensee. Leider werden wir dieses Ziel bei der aktuellen jährlichen Wiedervernässung von etwa 2.000 Hektar krachend verfehlen. Die Wissenschaft geht sogar von einem Wiedervernässungsbedarf von jährlich 50.000 Hektar bis 2045 aus. Es klafft eine Lücke von 96 Prozent, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Wir wollen dem entgegenwirken. Indem wir die Rentabilität nasser Bewirtschaftung beweisen, geben wir Landeignern eine Perspektive und erhöhen das Eigeninteresse an der Wiedervernässung. Im Ergebnis tragen wir damit dazu bei, die Treibhausgasemissionen aus trockengelegten Mooren zu senken.

JK: Das ist vergleichbar mit der Biogasanlage: Erst als man gesehen hat, dass der Nachbar damit gutes Geld verdient, haben umliegende Landwirtinnen und Landwirte auch Biogasanlagen gebaut. Um diesen Effekt zu erreichen, gehen wir in Vorleistung und bauen großflächige Leuchtturmbetriebe in Moorregionen auf. Wir fokussieren uns zunächst auf Torfmoosanbau als Ausgangsstoff für Erden. Damit beschleunigen wir den Torfausstieg der Erdenindustrie. Später skalieren wir über weitere Paludi-Erzeugnisse und -Märkte national und international. Insgesamt wollen wir deutschlandweit die Paludi-Bewegung starten. Die Absatzmärkte sind vorhanden. Unser Ziel ist es, Norddeutschland zum Zentrum für Paludikultur in Europa zu machen.

4. Was euch beide verbindet ist, dass ihr als Co-Founder von ZukunftMoor an der WHU studiert habt, auch wenn zwischen euren Abschlüssen einige Zeit liegt. In welchem Kontext habt ihr euch kennengelernt und welche Möglichkeiten bietet eurer Erfahrung nach das Start-up-Ökosystem der WHU? 

JK: Das Startup-Ökosystem der WHU ist für uns als Gründende super wertvoll, das habe ich bei meiner ersten Gründung „holzgespür“ schon erfahren. Nun war es abermals das WHU-Netzwerk, über das ich zu ZukunftMoor gestoßen bin. Die Kombination aus Unternehmertum und Klimaschutz hat mich sofort angesprochen. Bei dem Team und dem Thema bin ich sehr richtig.

FF: Dabei nimmt das Entrepreneurship Center eine wichtige Rolle ein, denn durch das Team rund um Max Eckel werden Verbindungen geknüpft und Informationen geteilt. So kam im Endeffekt die Verbindung zu Julia über einen Tipp von Max zustande.

5. Eure Gründung zeigt, dass sich Impact und Rentabilität vereinen lassen. Wie hat Euch die WHU dahingehend geprägt?

FF: Die WHU schult den unternehmerischen Blick. Wir richten diesen Blick auf die Riesenherausforderung Klimakrise. Wir sind überzeugt, dass unternehmerische Lösungen und Impact sehr oft zusammenpassen. Ich bin in dem Kontext ein Freund des Begriffs „enkelfähig“, der meines Wissens von Haniel geprägt wurde. Dieser drückt schön aus, dass Impact und Rentabilität kein Widerspruch sein sollten.

JK: Ich finde es sehr wichtig, dass das Bewusstsein für nachhaltige Geschäftsmodelle über Initiativen wie beispielsweise Sensability oder die Lehre an der WHU weiter Fahrt aufnimmt. Alumni der WHU prägen das deutsche Start-up-Ökosystem stark. Neben der digitalen ist heute die ökologische Transformation unserer Wirtschaft entscheidend. Da können Green und Social Start-ups mit wirtschaftlichem Erfolg einen entscheidenden Beitrag für unsere Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt leisten. Die Ausbildung an der WHU und deren Alumni können zum Gelingen beitragen.

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