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WHU Juniorprofessorin Pisitta Vongswasdi
14.04.2022

Juniorprofessorin Pisitta Vongswasdi über Wirtschaftspsychologie

Die Bedeutung von emotionaler Intelligenz und intrinsischer Motivation

Im September startet an der WHU erstmals der Bachelor in Wirtschaftspsychologie, und wir sprechen mit den Menschen hinter dem Lehrangebot. Juniorprofessorin Pisitta Vongswasdi hat Wirtschaft und Soziologie studiert und ist seit 2020 an der WHU. Im Gespräch mit ihr erfahren wir mehr über ihre Rolle im neuen Studium und die Bedeutung psychologischer Kenntnisse für eine erfolgreiche Führungstätigkeit. 

Wie bist du an die WHU gekommen?

Während meiner Promotion an der Rotterdam School of Management, Erasmus-Universität, habe ich im Rahmen eines Forschungsprojekts mit einigen Lehrkräften hier an der WHU zusammengearbeitet. Deshalb wusste ich bereits, welch erstklassige Wissenschaftler:innen an der WHU arbeiten, und kannte einige der einzigartigen Angebote, die es damals gab (zum Beispiel die Future Leaders Fundraising Challenge für die MBA-Studierenden). Als ich von der freien Juniorprofessur erfuhr und ein Angebot erhielt, stand für mich sofort fest, dass ich an die WHU gehen würde. Die WHU ist eine führende Wirtschaftshochschule in Deutschland, die auch in Europa und weltweit immer beliebter wird. Ich bin sehr glücklich, dass ich Teil der WHU bin und dazu beitragen kann, dass ihr hervorragender Ruf weiter wächst.

Wieso ist die Psychologie in der Wirtschaft wichtig?

In heutiger Zeit ist das frühere Modell zur Beeinflussung und Motivation der Mitarbeitenden – in erster Linie durch Autorität oder äußere Belohnungen – vermutlich nicht mehr so effektiv. Heutzutage sieht man den Beruf als Bereich, in dem man sich selbst verwirklicht und die eigene Identität ausbaut. Natürlich können wir darüber diskutieren, ob das gut oder schlecht ist. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Arbeitskräfte heutzutage stärker denn je durch intrinsische Motivation angetrieben werden. Und wie können wir diese intrinsische Motivation fördern und dazu beitragen, dass sich Führungs- und Arbeitskräfte am Arbeitsplatz entfalten? Das ist eine der komplexeren Fragen, mit denen sich die Wirtschaftspsychologie befasst.

Welche Kompetenzen sind für künftige Führungskräfte entscheidend?

In einem Forschungsprojekt wurden die Fähigkeiten deutlich, die künftige Führungskräfte haben sollten. Dabei wurde die emotionale Intelligenz (EI) einer Gruppe von Führungskräften beurteilt. Erstaunlicherweise stellte sich heraus, dass die Personen, die (nach objektiver Beurteilung durch das Forschungsteam) die geringsten Kompetenzen hatten, ihre eigene EI besonders positiv sahen. Somit hatten sie weniger Interesse an einer Verbesserung ihrer EI als diejenigen, die von vornherein höhere Werte erzielten. Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Führungskräfte oft eine verzerrte Wahrnehmung ihrer selbst haben, die Verbesserungen verhindert — das gilt vor allem für diejenigen mit geringer emotionaler Intelligenz. Außerdem zeigt das, wie wichtig es ist, dass Führungskräfte und Menschen in leitenden Positionen die eigenen Fähigkeiten, Fachkenntnisse und Leistungen kritisch betrachten. Nur dann können sie sich im Laufe ihrer Karriere weiterentwickeln und ihre Fähigkeiten an den stetigen Wandel anpassen, der in der Wirtschaftswelt zu beobachten ist.

Was können Studierende in deinem Unterricht erwarten?

In meinem Kurs versuche ich immer, drei grundlegende Prinzipen zu vermitteln:

  1. Führungspersönlichkeiten werden nicht geboren, sondern entwickelt. Deshalb sind mein Unterrichtsinhalt und meine Lehrmethode auf den Ansatz der „Entwicklung“ ausgerichtet. Im Bachelor in Wirtschaftspsychologie liegt der Schwerpunkt beispielsweise darauf, wie man Menschen in Organisationen „weiterentwickeln“ kann, und nicht darauf, wie man sie „auswählt“ (was bedeuten würde, dass ihre Fähigkeiten unveränderlich sind).
  2. Ich vermittele den Studierenden nicht nur aktuelle Forschungserkenntnisse, sondern ermutige sie auch zu einer „evidenzbasierten Einstellung“. Das bedeutet, unternehmerische Entscheidungen auf der Grundlage der besten wissenschaftlichen Beweise zu treffen. In meinem Unterricht vermittele ich die Rahmenbedingungen und gebe den Studierenden Ratschläge zur praktischen Umsetzung.
  3. Ein Wissenschaftler sagte einst: „Nichts ist theoretischer als gute Praxis.“ Mein Kurs ist meist sehr praktisch und erfahrungsbezogen ausgerichtet, da ich durch Übungen im Unterricht und praktische Aufgaben zum „Learning by doing“ anrege.

Weshalb ist eine globale Perspektive von Vorteil?

Ich hatte das große Glück, dass ich die Welt bereisen und in vielen unterschiedlichen Ländern arbeiten konnte. Im Rückblick habe ich jedoch den Eindruck, dass man sich ganz gezielt darum bemühen muss, neue Erfahrungen zu machen, zum Beispiel, indem man alle paar Jahre in ein neues Land zieht. Bisher habe ich in Thailand, in Großbritannien, in den USA, in Singapur, in Frankreich, in den Niederlanden und jetzt in Deutschland gelebt. In jedem dieser Länder wusste ich die örtlichen Traditionen und Werte zu schätzen, die mich immer wieder überrascht haben. Diese internationalen Erfahrungen haben mir vor allen Dingen gezeigt, dass man niemals davon ausgehen sollte, dass es eine allgemeingültige richtige Methode gibt. Um kulturübergreifend erfolgreich zu sein, muss man Respekt zeigen und lernen, wie Dinge in unterschiedlichem Kontext gehandhabt werden. Deshalb kann eine globale Perspektive sehr von Vorteil sein. Sie bewirkt, dass man anpassungsfähiger wird und die Bereitschaft hat, sein Verhalten zu ändern, wenn es sich erheblich von der Kultur unterscheidet, in der man gerade ist.

Was reizt dich an Forschung und Lehre? 

Forschung fasziniert mich sehr – sie bietet die Freiheit, mich mit einem bestimmten Projekt/Problem zu befassen, das mir persönlich interessant und wichtig erscheint. Ein Forschungsprojekt kann man weitestgehend eigenständig und kreativ angehen und entscheiden, wann man mit wem und wie daran arbeiten möchte. Ich kann ganz darin aufgehen, eine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben. Für dieses Phänomen gibt es einen wissenschaftlichen Fachausdruck, den „Flow-Zustand“. Und die Forschung hat festgestellt, dass das Erlebnis eines Flow viele Vorteile mit sich bringen kann.

Auch die Lehre ist ein wichtiges Tätigkeitsfeld einer Professorin. Diese Aufgabe ist ebenfalls erfüllend, besonders, wenn ich es mit motivierten und fähigen Studierenden zu tun habe (was an der WHU sehr oft der Fall ist!). Die Lehre ist ein anderer Weg, brandaktuelle Forschungsergebnisse zu vermitteln. Dieses Wissen weiterzugeben, damit die Studierenden darin einen praktischen Sinn sehen. Vielleicht werden ihnen so gewisse Überzeugungen deutlich, die sie über sich selbst und die Welt haben könnten. Ich möchte bewirken, dass sie diese Überzeugungen hinterfragen. Wenn ich nach einem Kurs merke, dass die Studierenden eine neue Einstellung und neue Hilfsmittel gewonnen haben, mit denen sie Führungsaufgaben besser bewältigen können, habe ich das Gefühl, etwas bewirkt zu haben. 

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