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30.11.2020

Wie Sie durch Premiumisierung Marktanteile gewinnen oder rückgewinnen

Unternehmen können versuchen, einzelne Marken oder ihr gesamtes Portfolio in einem höheren Preissegment anzusiedeln. Das kann die Gewinne steigern,…

Martin Fassnacht / Anna-Karina Schmitz - 30. November 2020

Tipps für Praktiker

Unternehmen haben es heutzutage nicht mehr leicht, ihre Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen. Die Gründe dafür sind vielfältig: TechnologischerFortschritt, immer besser informierte Konsumenten, kompetitivere Schwellenländer und ein hoher Wettbewerbsdruck. Während die Finanzkraft der Konsumenten global immer weiter steigt, werden ihre Bedürfnisse immer heterogener. Viele Unternehmen haben darauf mit einer signifikanten Reduzierung der Anzahl ihrer Marken reagiert, um sich auf das Kerngeschäft zu fokussieren. Doch weniger Marken bedeuten auch weniger Marktanteile in bestimmten Segmenten. Wenn sie diese verlorenen Marktanteile zurückerobern oder neue erschließen wollen, müssen Unternehmen sich etwas einfallen lassen. Die Premiumisierung von Produkten kann dabei eine erfolgreiche Strategie sein.

Wann funktioniert Premiumisierung?

In stark umkämpften und gesättigten Märkten ist Premiumisierung eine der wenigen noch praktikablen Wachstumsstrategien. Die dem Konsumenten bekannte Marke lässt sich aber nicht einfach durch Anhebung der Preise ins Premiumsegment katapultieren. Wichtig ist, dass die Preissteigerung durch einen zusätzlichen Mehrwert nachvollziehbar wird. Andernfalls wird der Konsument beim Einkauf nicht einsehen, dass er teilweise deutlich mehr Geld für ein bekanntes Produkt ausgeben soll. Der Mehrwert muss dabei nicht immer physischer Natur sein, es zählt der wahrgenommene Mehrwert. Daher spielt die psychologische Komponente eine große Rolle.

Erfolgreich sind Unternehmen mit der Premiumisierung ihrer Marken dann, wenn es ihnen gelingt, sie dauerhaft vom niedrigpreisigen Segment in einem mittelpreisigen oder vom mittelpreisigen in einem hochpreisigen anzusiedeln. Auch innerhalb der einzelnen Segmente lassen sich Aufstiegspotenziale ausschöpfen, um den Gewinn zu steigern.

Der Weg in ein höherpreisiges Segment

Im Rahmen der Premiumisierung, haben Manager in Unternehmen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sie erhöhen die Wertigkeit einer ihrer etablierten Marken, um sie zukünftig teurer anbieten zu können, oder sie führen eine komplett neue, teurere Marke in ihr Markenportfolio ein.

1. Die eigene Marke aufwerten

Die Aufwertung einer bestehenden Marke kann relativ einfach gelingen: Mit neuem Design, kleineren Verpackungen, weiteren Zusätzen oder einem neuen Logo entsteht für den Konsumenten eine Rechtfertigung, für ein neues und augenscheinlich besseres Produkt mehr zu zahlen. Mit der Premiumisierung einer Marke sind jedoch auch Risiken verbunden. Denn nimmt der Konsument das Produkt nicht als wertiger wahr oder sieht er in der Veränderung gar eine Verwässerung des Markenkerns, wird er nicht bereit sein, mehr Geld dafür in die Hand zu nehmen. Ist der Zugewinn für den Konsumenten nicht unmittelbar ersichtlich und sind zur Erklärung des Mehrwerts erst aufwändige Kampagnen nötig, bedeutet dies für das Unternehmen zusätzliche Kosten und einen deutlichen Mehraufwand. Ob die Maßnahme in diesem Fall in einem sinnvollen Verhältnis zum antizipierten zusätzlichen Gewinn steht, muss kritisch hinterfragt werden.

2. Ein neues Produkt einführen

Anstatt ein bestehendes Produkt aufzuwerten, kann auch ein neues Produkt oder eine ganze neue Produktlinie eingeführt werden. Dieser Ansatz erfordert von Beginn an einen höheren Aufwand und verursacht somit auch höhere Kosten. Für Unternehmen gilt es dabei darauf zu achten, sich nicht zu weit vom eigenen Markenkern zu entfernen, mit dem der Verbraucher vertraut ist. Ist dies sichergestellt, bieten sich Managern drei Möglichkeiten, um ihr Produkt erfolgreich zu vermarkten: eine Limited Edition, Co-Branding und die individuelle Anpassung des Produkts an den jeweiligen Kundenwunsch (Mass Customization).

Limited Edition

Konsumenten neigen dazu, mehr Geld für Produkte auszugeben, deren Anzahl limitiert ist. Dahinter steht die Vorstellung, dass es sich um ein knappes Gut handelt. So hat ein Süßwarenhersteller beispielsweise „Einhorn Schokolade“ auf den Markt gebracht, die mehrere Geschmacksrichtungen in einer neuen Verpackung bündelte. Für diese limitierte und zeitlich begrenzte Aktion wurde schließlich ein Preisaufschlag von 80 Prozent verlangt. Verbraucher waren bereit, diesen zu zahlen, und nachdem diese limitierte Auflage in den Geschäften abverkauft war, wurde sie online sogar noch zu weitaus höheren Preisen gehandelt. Allein mit Limited Editions wird der Vorstoß ins Premiumsegment aber nicht nachhaltig sein, weil sie naturgemäß nach gewisser Zeit wieder verschwinden.

Co-Branding

Eine weitere Möglichkeit, ein neues Premiumprodukt einzuführen, besteht im Co-Branding. Dabei wird das eigene neue Premiumprodukt zusammen mit einem anderen höherpreisigen Produkt vermarktet. Der Mehrwert kann bei der Vermarktung auch emotionaler, symbolischer oder ethischer Natur sein, wie etwa die Zusammenarbeit einer Supermarktkette mit einer Tierschutzorganisation. Denn viele Kunden zahlen gerne mehr für ein Produkt, wenn sie dadurch beispielsweise ein ökologisch reines Gewissen haben können. Sieht die Strategie aber die Assoziation mit einem höherpreisigen Produkt vor, liegt die Herausforderung für das Unternehmen darin, ein Partnerunternehmen aus diesem Preissegment zu finden, das auf längere Sicht Interesse an einer gemeinsamen Vermarktung hat. Oft scheitert dies jedoch am fehlenden Nutzen für die Hersteller des höherpreisigen Produkts.

Individualisierung des Produkts

Als dritte Möglichkeit können Unternehmen bei der Einführung eines Premiumprodukts das angebotene Produkt vom Konsumenten individualisieren lassen. Sportschuhe im eigenen Design oder mit den eigenen Initialen stehen bei vielen Käufern beispielsweise hoch im Kurs. Sie können darüber ihre Individualität und Kreativität zur Schau stellen und greifen dafür auch tiefer ins Portemonnaie.

Premiumisierung ist kein Erfolgsgarant!

Auf welche Premiumisierungsstrategie die Wahl auch immer fällt, Manager sollten vor der Implementierung auch die damit einhergehenden Risiken genau abwägen. Denn das Versprechen von höheren Gewinnen und steigenden Marktanteilen kommt nicht ohne Risiken. Der Weg ins Premiumsegment kann das Unternehmen viel Geld kosten und unter Umständen ohne große Wirkung bleiben. Zudem besteht die Gefahr, dass bislang treue Kunden sich von einer Marke abwenden, wenn sie den Eindruck bekommen, dass sie sich durch die Premiumisierung zu weit von ihrem Kernbereich wegbewegt hat.

Daher muss im Vorfeld der Premiumisierung genau festgestellt werden, ob eine Premiumisierung der eigenen Marke sinnvoll und nötig ist und ob dafür genügend Ressourcen zur Verfügung stehen. Gelingt die Etablierung einer neuen Premiummarke oder die Aufwertung einer bestehenden Marke jedoch, kann sie durch die deutlichen Preisaufschläge eine spürbare Steigerung von Umsatz und Gewinn, neue Kunden sowie ein Entkommen aus dem Preiskampf bedeuten.

Tipps für Praktiker

  • Stellen Sie bei all Ihren Überlegungen den Konsumenten in den Fokus! Für sie oder ihn muss schnell und einfach ersichtlich sein, wo der Mehrwert der Premiumisierung und damit die Rechtfertigung des höheren Preises liegt.
  • Achten Sie darauf, dass sich die neue oder in ein höheres Segment gehobene Marke nicht zu weit vom eigentlichen Markenkern entfernt. Ihre Kunden verlieren sonst das Vertrauen.
  • Überlegen Sie vor der Implementierung einer Premiumisierungsstrategie genau, ob dies der richtige Weg ist. Die zusätzlichen Gewinne müssen am Ende die gesteigerten Kosten überwiegen!

Literaturverweis und Methodik

Prof. Dr. Martin Fassnacht und Dr. Anna-Karina Schmitz von der WHU – Otto Beisheim School of Management zeigen in einer Analyse in der Marketing Review St. Gallen, dass die Platzierung der eigenen Marken in einem höheren Preissegment große Chancen auf höhere Gewinnmargen bieten kann – wenn das jeweilige Unternehmen dazu bereit ist, auch die Risiken einzugehen.

  • Schmitz, A.-K., Fassnacht, M. (2020): Premiumization as a Profit Growth Strategy, in: Marketing Review St. Gallen, Vol. 3/2020, S. 60 - 68.

Autoren der Studie

Prof. Dr. Martin Fassnacht

Martin Fassnacht ist Inhaber des Lehrstuhls für Strategie und Marketing an der WHU. Zudem ist er akademischer Direktor des WHU MBA-Programms, Sprecher der Marketing and Sales Group und Vorsitzender des Beirats des Henkel Center for Consumer Goods (HCCG). Prof. Fassnacht ist darüber hinaus als Strategic Advisor für Konsumgüter- und Handelsunternehmen tätig. Drei Jahre in Folge – von 2017 bis 2019 – hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrem Ökonomenranking Prof. Dr. Martin Fassnacht zu einem der 100 einflussreichsten Ökonomen in Deutschland gekürt.

Dr. Anna-Karina Schmitz

Anna-Karina Schmitz ist Inhaberin der Henkel Juniorprofessur für Marketing an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Im Rahmen ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Fragen des Marken- und Preismanagements. Insbesondere das Management von Markenportfolios und die Einführung von Markenerweiterungen stehen dabei im Fokus ihres Interesses. So beschäftigt sie sich u.a. damit, wie sich Wachstum und höhere Preise über eine nachhaltige Aufwertung von Marken(portfolios) und die Schaffung von Mehrwerten für den Konsumenten realisieren lassen.

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