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27.04.2021

Chinesische Firmenübernahmen in Deutschland

Warum die Rentabilität der Unternehmen nach der Übernahme abnimmt

Christina Brunner / Serden Özcan - 27. April 2021

Tipps für Praktiker

China war in den vergangenen Jahren in Sachen Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions oder M&A) das aktivste Schwellenland, wobei vor allem europäische Firmen bevorzugte Ziele darstellten. Chinesische Firmen haben Technologie-, Chemie- und Maschinenbaufirmen ebenso wie Handelsunternehmen, Energieversorger und Versicherungen übernommen. Selbst europäische Häfen und Flughäfen werden inzwischen von Investoren aus China kontrolliert. Trotz der seit 2018 leicht abnehmenden chinesischen Investitionstätigkeiten in Europa deutet vieles darauf hin, dass die chinesische Übernahmewelle weitergehen wird – sie könnte sogar noch durch die globale Pandemie und ihre Nachwirkungen in den europäischen Volkswirtschaften befeuert werden.

Deutsche Firmen sind besonders attraktiv für chinesische Investoren

Deutschland hat sich zu einem äußerst beliebten M&A-Ziel für chinesische Investoren entwickelt. Die Übernahmen der Robotik-Firma Kuka und der Elektronik-Firma Medion zeigen deutlich, was sich deutsche Firmen bei Deals mit chinesischen Investoren erhoffen: direkten und weitreichenden Zugang zum riesigen chinesischen und damit asiatischen Markt sowie Zugriff auf die scheinbar unendlichen Ressourcen der Investoren. Mit dieser Hoffnung streben auch viele kleine und mittelständische Unternehmen Kooperationen mit chinesischen Firmen an. Sie alle wollen eine Leistungsfähigkeit erlangen, die sie ohne Kooperation für unerreichbar halten. Aber wird dieser Traum wirklich wahr? Können chinesische Investoren tatsächlich das Rentabilitätsniveau deutscher Unternehmen steigern?

Implikationen für die Leistungsfähigkeit deutscher Zielfirmen

Nachdem sich immer mehr deutsche Unternehmen in den Händen chinesischer Investoren befinden, wird die öffentliche Diskussion über die Vorzüge dieser Übernahmen lauter. Die Debatte in Politik und Medien konzentriert sich jedoch überwiegend auf die Übernahme kritischer technologischer Infrastruktur durch chinesische Investoren. Die weitaus grundlegendere Frage, nämlich wie sich die Leistungsfähigkeit der übernommenen deutschen Firmen unter chinesischer Kontrolle entwickelt, ist bislang kaum untersucht. Vieles bleibt durch fehlende empirische Nachweise im Dunkeln.

Mithilfe einer empirischen Untersuchung versuchen wir eine systematische Antwort auf diese Frage zu geben. Dazu haben wir 63 chinesische Übernahmen in Deutschland im Zeitraum zwischen 2008 und 2016 ausgewertet und die Entwicklung der Rentabilität der deutschen Zielunternehmen bis 2021 analysiert. Dabei hat sich gezeigt, dass chinesische Investoren bevorzugt Alleineigentümer sind, sie also bei der Mehrheit der M&A sämtliche Anteile der Firma übernehmen. Die Branchenverteilung bei den Übernahmen entspricht auffällig stark der politischen Agenda in China. Sie ist darauf ausgerichtet, in bestimmten technologischen Schlüsselbereichen, wie Robotik, Informationstechnologie oder Medizintechnik, eine weltweit führende Position einzunehmen. Die Mehrzahl der deutschen Zielunternehmen war nicht börsennotiert und hatte die Rechtsform GmbH. Empirische Studien werden dadurch erschwert, weil weniger Finanzinformationen öffentlich verfügbar sind oder von Hand erhoben werden müssen. Da aber die meisten Übernahmen diese Art von Zielunternehmen betreffen, sind die Ergebnisse einer Studie, in der sie enthalten sind, umso repräsentativer. Daher haben wir alle Daten von Hand aus verschiedenen Datenbanken zusammengetragen.

Ein Schlüsselelement bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit einer Firma vor und nach der Übernahme ist die Definition eines geeigneten Richtwerts, wie sich die Leistungsfähigkeit ohne Übernahme entwickelt hätte. Daher wurde jedes deutsche Unternehmen, das von einem chinesischen Investor übernommen wurde, mit einem anderen Unternehmen mit ähnlichen Merkmalen (z. B. Größe, Rentabilität, Branche) verglichen, welches nicht übernommen wurde. Die Entwicklung beider Unternehmen wurde im Anschluss gegenübergestellt.

Chinesische Übernahmen sorgen für deutlich sinkende Rentabilität der Unternehmen

Die Ergebnisse unserer empirischen Studie zeigen, dass:

  1. die von Chinesen übernommenen Firmen eine signifikant niedrigere Rentabilität aufweisen als vor der Übernahme, auch im Vergleich zu den nicht aufgekauften Vergleichsfirmen. Real sinkt die jährliche Rentabilität, gemessen an der Gesamtkapitalrendite, im chinesischen Besitz um zwei Prozentpunkte.
  2. der Rückgang der Rentabilität weder ein unmittelbares Ergebnis der Übernahme ist, noch auf eine vorübergehende Störung durch die Akquisition zurückgeführt werden kann. Er ist auch vier Jahre nach der Übernahme noch vorhanden.
  3. der Rückgang sogar noch ausgeprägter bei Produktions- und Dienstleistungsunternehmen ist. Diese machten 82 Prozent der Übernahmen in unserer Stichprobe aus.

Mit Blick auf diese Ergebnisse könnte argumentiert werden, dass der Rückgang der Rentabilität auf das Übernahmeereignis im Allgemeinen zurückzuführen sei und nicht auf die Herkunft des Investors. Wir konnten dies jedoch ausschließen, indem wir eine Vergleichsstudie mit deutschen Firmen, die von österreichischen Investoren übernommen wurden, und entsprechenden nicht übernommenen Firmen durchgeführt haben. Im Gegensatz zu den von Chinesen übernommenen Firmen weisen die von Österreichern übernommenen deutschen Firmen keine signifikant niedrigere Rentabilität auf als vor der Übernahme. Auch im Vergleich mit den nicht übernommenen Firmen gibt es keine nennenswerten Unterschiede.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Traum von gesteigerter Leistungsfähigkeit und damit größerem Erfolg für deutsche Firmen, die von chinesischen Investoren übernommen werden, nicht unbedingt in Erfüllung geht. Besorgniserregender ist, dass sogar das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Unter der Annahme, dass chinesische Investoren gut funktionierende deutsche Unternehmen kaufen, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Übernahme zu einem Rückgang der Rentabilität der Zielfirmen führt. Und sollten chinesische Investoren tatsächlich schlecht laufende deutsche Unternehmen kaufen, sind sie oft nicht in der Lage, diese zu sanieren, und die Abnahme der Rentabilität setzt sich fort.

Aber wie lässt sich dieses Ergebnis erklären? In den meisten Fällen handelt es sich bei den chinesischen Käufern um Nachzügler, die selbst nicht über überlegene Technologien oder Know-how verfügen. Vielmehr sind es genau diese Kapazitäten, die sie durch die Übernahme erlangen wollen. Daher absorbieren die Käufer in der Regel strategische Vermögenswerte von ihren Zielunternehmen, anstatt ihr eigenes Wissen an die Zielfirmen weiterzugeben. Sie nutzen dieses Wissen dann selbst, was die Leistungs- und Wachstumschancen der Zielunternehmen verringert. Unter Umständen werden sogar Produktionsstandorte ins Ausland verlagert. Wie das Beispiel von Kuka und dessen Käufer Midea zeigt, kommen die chinesischen Investoren oft aus einer anderen Branche und haben keine Erfahrung im spezifischen Geschäftsfeld des Zielunternehmens. Wenn die chinesischen Investoren dann versuchen, das neu erworbene Unternehmen auf der Grundlage ihrer eigenen Kenntnisse und Erfahrungen zu führen, sind sie nicht in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen. So wusste der chinesische Investor Midea beispielsweise aus seiner eigenen Erfahrung im Verkauf von Haushaltsgeräten nicht, dass im Robotikgeschäft von Kuka permanente Investitionen notwendig sind, um an der Spitze der Entwicklung zu bleiben.

Chinesische Investoren sind zudem nach einer Übernahme in Deutschland mit ganz anderen Geschäftsgewohnheiten, Geschäftspraktiken und institutionellen Rahmenbedingungen konfrontiert, was zu Integrationsherausforderungen und erhöhten Transaktionskosten führen kann. Zudem unterscheiden sich die Managementstile zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen erheblich. Missverständnisse und gegenseitiges Misstrauen stellen mögliche Konsequenzen dar. Außerdem ist die chinesische Unternehmensstruktur für die deutschen Zielunternehmen oft nicht klar, was wiederum zu einem Mangel an klar definierten Verantwortlichkeiten, Kommunikations- und Entscheidungswegen führt und schnelle und eindeutige Entscheidungen verhindert.

Tipps für Praktiker

  • Prüfen Sie den potenziellen chinesischen Käufer vor der Übernahme sorgfältig. Idealerweise verfügt der Investor über umfangreiche Erfahrungen und tiefgreifende Kenntnisse des Geschäftsmodells des Zielunternehmens.
  • Vernachlässigen Sie nach der Übernahme nicht die anderen Kernmärkte neben dem chinesischen Markt – dies kann durch die Unkenntnis eines chinesischen Investors passieren. Stellen Sie deren Bedeutung auch weiterhin klar heraus.
  • Besetzen Sie den CEO-Posten nach der Übernahme des deutschen Unternehmens nicht mit einer chinesischen Führungskraft. Dies führt zu einer signifikanten Abnahme der Unternehmensrentabilität. Ergänzen Sie stattdessen das deutsche Managementteam um eine chinesische Führungskraft – das ist die sinnvollere Lösung.
  • Schaffen Sie klare Verantwortlichkeiten und Kommunikationswege zwischen der deutschen Firma und dem chinesischen Investor. Es muss feststehen, wer die Entscheidungen trifft.

Literaturverweis und Methodik

Die Ergebnisse stammen aus einer empirischen Längsschnitt-Studie, die umfassende Daten zu Übernahmen von chinesischen Investoren in Deutschland erhoben hat. Die Finanzinformationen von 63 deutschen Zielunternehmen und den entsprechenden Käufern wurden gründlich analysiert. Insgesamt werden 1.216 Beobachtungen herangezogen, um die Entwicklung der Rentabilität nach den Übernahmen für die Zielunternehmen zu identifizieren.

  • Brunner C. (2020): Overseas acquisitions by emerging-market firms in developed markets and target firm performance – an empirical analysis of chinese acquisitions in Germany: WHU – Otto Beisheim School of Management, unveröffentlichte Arbeit.

Autoren

Christina Brunner

Christina Brunner ist Projektleiterin bei der AUDI AG und dort für die erfolgreiche Industrialisierung von Automobilprojekten mit dem Joint Venture FAW-VW in China verantwortlich. Christina schließt derzeit ihre Promotion an der WHU – Otto Beisheim School of Management unter der Betreuung von Professor Dr. Serden Özcan ab. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf M&A durch chinesische Investoren in entwickelten Märkten und deren Implikationen für die Zielunternehmen.

Prof. Dr. Serden Özcan

Serden Özcan ist Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Innovation und Corporate Transformation an der WHU – Otto Beisheim School of Management und Experte für Start-ups, Unternehmensfinanzen, privates Eigenkapital, aktive Aktionäre, Corporate Entrepreneurship und Unternehmenstransformation. Prof. Dr. Özcan wurde bereits mit zahlreichen internationalen Forschungspreisen ausgezeichnet und seine Arbeiten werden regelmäßig in renommierten akademischen Zeitschriften publiziert. Außerdem ist er Gründungsvorstand des jährlichen Campus for Corporate Transformation an der WHU, bei dem hochrangige Führungskräfte aus den größten europäischen Unternehmen ihre Beobachtungen zu Unternehmenstransformationen teilen. 

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