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21.09.2022

Gescheitert: Spitzengehälter durch Steuerreform eindämmen

Warum eine andere Besteuerung der Unternehmen im Kampf gegen überzogene Vorstandsgehälter nicht zielführend ist

Martin Jacob - 21. September 2022

Tipps für Praktiker

Hatte sich in den vorangegangenen Jahrzehnten ein immer größerer Unwille gegen exzessive Managergehälter in den westlichen Industrienationen ausgebreitet, erreichte die Ablehnung spätestens mit Beginn der Banken- und Finanzkrise 2007 die Massen. Die als völlig unverhältnismäßig wahrgenommenen Managergehälter in großen Unternehmen sollten begrenzt werden – denn konnten Vorstandsmitglieder tatsächlich 100-mal so viel wie normale Angestellte leisten, wie es ihre Gehälter suggerierten? Auch wenn der kleine Arbeitsmarkt für Spitzenführungskräfte den Regeln von Angebot und Nachfrage folgt, wurden immer wieder große Hoffnungen in steuerpolitische Instrumente gesetzt, um Änderungen zu bewirken.

2014 entschied sich die österreichische Bundesregierung daher zu einer Steuerreform, die solch ausufernde Gehälter begrenzen sollte. Die Unternehmen konnten Spitzengehälter in Führungsetagen fortan nur noch bis zu 500.000 Euro pro Person und Jahr steuerlich absetzen. Die Regierung erwartete, dass Managergehälter in der Folge sinken oder zumindest deutlich langsamer steigen würden. Denn jeder Euro oberhalb der Grenze von 500.000 Euro schmälerte den Unternehmensgewinn aus steuerlicher Sicht von nun an nicht mehr, sodass die Auszahlung von hohen Gehältern deutlich kostspieliger wurde.

Der Vergleich zeigt: Die Steuerreform hat nur bedingte Effekte

In einer gemeinsamen Studie verglichen die WHU – Otto Beisheim School of Management und die WU Wien die Entwicklung der österreichischen Spitzengehälter mit jenen in anderen Ländern. Die Ergebnisse zeigen, dass die neue Unternehmensbesteuerung im Großen und Ganzen ins Leere lief. Die Vorstandsgehälter in den allermeisten untersuchten Unternehmen in Österreich wurden nicht heruntergeschraubt. Im Gegenteil: Die Löhne der Spitzenführungskräfte nahmen im Vergleich zu anderen Ländern wie Deutschland mit annähernd gleicher Geschwindigkeit weiter zu, obwohl es dort keine vergleichbare Steuerreform gegeben hatte. Die Änderungen an der Unternehmenssteuer hatte somit keine maßgebliche Auswirkung auf die allgemeine Gehaltsentwicklung für Spitzenmanager in Österreich.

Hat die Steuerreform gar nichts verändert?

Lediglich in zwei Fällen entfaltete die geänderte Unternehmensbesteuerung ihre angestrebte Wirkung: bei Führungskräften mit besonders geringer Verhandlungsmacht und in Firmen, die über eine ausgesprochen starke Governance und Kontrollmechanismen verfügten. In beiden Fällen zeigten sich die Vergütungskomitees der Unternehmen nicht gewillt, die gestiegenen Kosten für die Managergehälter vollumfänglich auf andere Stakeholder zu verteilen. Trafen Führungskräfte, die noch nicht lange im Unternehmen waren, auf ein unnachgiebiges Vergütungskomitee, ging die Steuerreform häufig zu ihren Lasten.

Untersucht wurden in der Studie auch etwaige Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform auf die Zusammensetzung der Vorstandsvergütungen. Diese besteht üblicherweise aus verschiedenen Komponenten wie Festvergütung, variabler Vergütung, Sachbezügen wie Aktien, weiteren Nebenleistungen, Altersversorgung und langfristigen Anreizmaßnahmen. Für die jeweilige Zusammenstellung oder Gewichtung dieser Vergütungskomponenten hatte die Steuerreform 2014 in Österreich keinen Effekt, weil die Grenze der steuerlichen Absetzbarkeit alle Vergütungsformen gleichermaßen berücksichtigte.

Evident wurde allerdings, dass in den Unternehmen, in denen die Bezahlung der Spitzenführungskräfte teurer geworden war, die Erwartungshaltung an die Leistungen dieser Manager stieg und gleichzeitig die Fehlertoleranz seitens der Eigentümer abnahm. Kürzere Laufzeiten von Arbeitsverträgen waren die Folge. Im Durchschnitt verkürzten sich die Vorstandsverträge in Österreich um zwei Monate im Vergleich zu deutschen und auch innerhalb Österreichs im Vergleich zur Zeit vor der Steuerreform. Durch die kürzeren Arbeitsverträge der Führungskräfte erreichten die österreichischen Firmen aber zumindest eine stärkere Aufteilung des unternehmerischen Risikos – eine kleine Kompensation für die Kostensteigerung durch die begrenzte steuerliche Absetzbarkeit der Vorstandsgehälter.

Welche Auswirkungen hat die Kostensteigerung?

Die mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, Top-Gehälter zu reduzieren, lässt den Schluss zu, dass der internationale Bewerbermarkt solche Gehälter für Spitzenpersonal vorgibt. Durch die eingeschränkte steuerliche Absetzbarkeit der weiterhin hohen Gehälter hatten die betroffenen österreichischen Unternehmen nun Kostensteigerungen zu verzeichnen, die gedeckt werden mussten. Die Studie zeigt, dass die Konzerne nach der Steuerreform Investitionen zurückfuhren. Besonders im Bereich Forschung und Entwicklung wurde gespart – sogar mehr als für den Ausgleich der fehlenden steuerlichen Entlastung nötig gewesen wäre. Die kürzere Beschäftigungsdauer der Vorstände und die geringeren Investitionen stehen dabei im Zusammenhang: Führungskräfte mit kürzeren Arbeitsverträgen müssen schneller für eine steigende Profitabilität der Unternehmen sorgen. Dabei setzen sie häufig auf Sparmaßnahmen, die jedoch nicht unbedingt die langfristige Entwicklung der Firma im Auge haben. Die kürzere Dauer der Arbeitsverträge scheint damit einen unerwünschten Effekt zu haben.  

Leidtragende der Steuerreform sind am Ende die Aktionäre österreichischer Firmen und nicht die Manager. Auch wenn die Reform der Unternehmensbesteuerung den politischen Handlungswillen in Österreich unter Beweis stellt, hat sich die Maßnahme als ungeeignet erwiesen, den Anstieg bereits hoher Managergehälter einzubremsen. Die USA haben 2017 eine vergleichbare Regel eingeführt, mit der ebenso erfolglos versucht wurde, Managergehälter zu begrenzen.  

Tipps für Praktiker

  • Um exorbitanten Vorstandsgehältern entgegenzuwirken, setzen Sie als politischer Entscheidungsträger nicht auf eine Einschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit der Gehälter. Suchen sie nach anderen, wirkungsvolleren Stellschrauben.
  • Wenn die Kosten für die Vergütung von Führungskräften steigen, bspw. durch eine geringere steuerliche Absetzbarkeit der Gehälter, behalten Sie als Aktionär die Investitionen des Unternehmens im Blick. An dieser Stelle wird das Unternehmen möglicherweise sparen, um die Managergehälter auf internationalem Niveau konkurrenzfähig zu halten.

Literaturverweis und Methodik

Für die Studie „Do Corporate Taxes Affect Executive Compensation?” wurde im Zeitraum 2012 bis 2019 die Entwicklung von Managergehältern und Arbeitsverträgen in österreichischen Großkonzernen untersucht. Als Referenz wurde diese Entwicklung auch in Deutschland beobachtet, wo es keine vergleichbare Steuerreform gab.

Co-Autor der Studie

Prof. Dr. Martin Jacob

Martin Jacob ist Experte für die Auswirkungen der Besteuerung von Privatpersonen und Unternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Sein besonderes Forschungsinteresse gilt dem Einfluss von Steuerpolitik auf Unternehmen und deren Investitionen. Seit 2019 ist er Inhaber des adidas Lehrstuhls für Finanzen, Rechnungslegung und Steuerlehre der WHU.

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