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16.03.2023

Haben, was andere nicht haben können

Warum Statussymbole weit mehr als nur Geld und teure Autos sind

Lioba Gierke / Lena Rofall / Fabiola Gerpott - 16. März 2023

Tipps für Praktiker

Auf die Frage hin, ob ihnen Statussymbole wichtig sind, werden viele Menschen reflexartig „nein“ antworten. Mit dieser Antwort sind sie aber bewusst oder unbewusst nicht ganz ehrlich. Denn, als soziale Wesen, streben wir alle nach Anerkennung und auch danach, unseren Status und somit unsere gesellschaftliche Zugehörigkeit nach außen hin zu signalisieren. Dies kann durch klassische materielle Statussymbole wie das Auto oder die Designer-Handtasche geschehen, aber eben auch durch immaterielle Statussymbole wie beispielsweise Non-Fungible Tokens in der Kunstszene. Was für das Individuum als Statussymbol wahrgenommen wird, hängt maßgeblich von den Menschen ab, mit denen wir uns umgeben.

Was gilt in der modernen Gesellschaft als Statussymbol?

Was als Statussymbol angesehen wird, unterliegt einem stetigen Wandel. So verliert das Automobil, welches jahrzehntelang als das materielle Statussymbol schlechthin galt, immer mehr an Statuspotenzial. Gleichzeitig gewinnen andere, teils immaterielle Statussymbole wie ein stärkeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit an Bedeutung. Solche ideellen Werte lassen sich im engeren Sinne zwar nicht besitzen, bilden aber eine Form von kulturellem Kapital und verschaffen Personen, die in diesen Bereichen engagiert sind, Ansehen in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen. Hinzu kommen zahlreiche weitere immaterielle Güter wie Freizeit, Bildung, Reiseerfahrungen oder künstlerische Selbstverwirklichung. Über Güter zu verfügen, die gerade knapp sind, erhöht unseren Status; es gilt zu „haben, was andere nicht haben können“.

Der französische Soziologe Pierre Bourdieu spricht vom „Habitus“ und meint damit alle Gegenstände, Gewohnheiten und Einstellungen, die eine Person als Teil einer sozialen Gruppe ausmachen. Dabei unterteilt Bourdieu den Status einer Person in drei Kategorien: ökonomisches Kapital wie Eigentum und Geld, soziales Kapital in Form sozialer Beziehungen und kulturelles Kapital wie Wissen, Bildung, Werte und Einstellungen. Ob diese Formen von Kapital einem Menschen Status verleihen oder bald schon wieder „out“ sind, unterliegt dem Wandel der Zeit und den Entwicklungen in einer Gesellschaft.

Die soziale Gruppe bestimmt unsere Statussymbole

Auf welche Statussymbole wir Wert legen, wie hoch sie angesehen werden und ob sie ihren Status auch behalten, hängt maßgeblich von unserem sozialen Umfeld ab. Dabei ist das eigene kulturelle Kapital maßgeblich dafür, ob Statussymbole auch als solche erkannt werden. Ein Beispiel sind exklusive Weine oder Spirituosen: Für einen Abend unter Freunden würde es der Wein vom Discounter wahrscheinlich auch tun, aber warum nicht eine Flasche aus dem Château Lafite-Rothschild anbieten, wenn man es kann? Wenn es in bestimmten Kreisen vielleicht sogar zum guten Ton gehört? Die Statussymbole derer mit viel kulturellem Kapital in jenem Bereich (Weinkenner) bleiben denen mit wenig kulturellem Kapital im Kontext von Weinen (alle anderen) verborgen: Denn nur, wer über genügend kulturelles Kapital in diesem Bereich verfügt, erkennt den feinen Unterschied und somit das Statussymbol.

Warum Statussymbole immer eine Rolle spielen werden

Gesellschaftliche Zugehörigkeit kann durch Statussymbole signalisiert werden. Ganz offensichtlich kann dies beispielsweise durch das Tragen bestimmter Modemarken geschehen oder das Nutzen eines bestimmten Fortbewegungsmittels (z. B. Lastenrad anstatt Auto). Während die Rolex am Handgelenk wohl eher ein ‚protziges‘ Statussymbol ist, können Statussymbole auch unscheinbarer daherkommen. Wie im obengenannten Beispiel des Weines gilt hier die Fähigkeit, die feinen Unterschiede zu erkennen. Diese Feinsinnigkeit von Statussymbolen wird durch den Begriff „Stealth Luxury“ (geheimer Luxus) beschrieben. So wird beispielsweise der Einkauf bei nachhaltigen Mode-Labels oder im Bio-Supermarkt nur als Statussymbol bemerkt, wenn das Gegenüber über kulturelles Kapital in diesem Bereich verfügt. Das Statussymbol ist also nicht unmittelbar für jede:n erkennbar, sorgt aber bei Menschen, die es dechiffrieren können, für Anerkennung.

Statussymbole können äußerst schnelllebig sein

Eine Reflexion über das eigene Leben und die Dinge, die im Laufe der Zeit als persönliche Statussymbole dienten, verdeutlicht die Schnelllebigkeit dieser Symbole. Hatten beispielsweise im Kindesalter bestimmte Sammelkarten Statuspotenzial, so verloren diese im Jugendalter an Bedeutung. War im Jugendalter der Besitz bestimmter CDs ein wichtiges Statussymbol, so taugen diese heute wahrscheinlich nicht mehr als Symbole für den eigenen Status. Aber, was sind Ihre persönlichen Statussymbole heute?Die Antwort auf diese Frage fällt einigen sicherlich nicht leicht. Spannend ist sie jedoch allemal, denn sie verrät uns etwas über unsere eigenen Wertvorstellungen und sozialen Einflüsse. Gleichzeitig lädt diese Frage auch dazu ein, zu überlegen, wie unsere Statussymbole in der Zukunft aussehen könnten.

Auch uns ist der Blick in die Glaskugel verwehrt. Wie Statussymbole in Zukunft aussehen werden, lässt sich also nicht mit Bestimmtheit vorhersagen. Was sich aber mit Sicherheit sagen lässt: Nichts ist so beständig wie der Wandel – das gilt auch für Statussymbole.

 

Tipps für Praktiker

  • Werden Sie sich darüber bewusst, dass Statussymbole nicht immer ‚protzig‘ sein müssen, sondern auch subtil und feinsinnig sein können.
  • Sozialer Vergleich geschieht teilweise bewusst, teilweise unbewusst. Wenn Sie wissen, zu welcher sozialen Gruppe Sie dazugehören möchte, können Sie daraus Erkenntnisse über die eigenen Statussymbole ableiten.
  • Beachten Sie, dass Statussymbole dem Wandel der Zeit unterliegen und ein Spiegel unserer Gesellschaft sind. Eine aufmerksame Beobachtung dieser Symbole kann spannende Einblicke in den gesellschaftlichen Zeitgeist geben. 

Literaturverweis und Methodik

Autorinnen der Studie

Lioba A. Gierke

Lioba A. Gierke ist Psychologin und studierte an der Universität Bremen, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie dem Dickinson College (Pennsylvania, USA). Zurzeit ist sie Doktorandin und promoviert am Lehrstuhl für Personalführung an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf. In ihrer Forschung befasst sie sich mit der Zukunft der Arbeitswelt. Inhaltliche Schwerpunkte sind die effektive Kommunikation im (virtuellen) Arbeitskontext und Diversitätsmanagement.

Lena L. D. Rofall

Lena L. D. Rofall vollendet aktuell ihren Master-Abschluss in Psychologie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Ihren Bachelor schloss sie an der Bochumer Ruhr-Universität ab. Zurzeit ist sie studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Personalführung an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf. Ihre Master-Arbeit befasst sich mit der Wirkung emotionalen Ausdrucks von Führungskräften auf Mitarbeiter:innen in virtuellen Meetings.

Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott

Fabiola H. Gerpott ist Expertin für Leadership, Diversitätsmanagement und organisationales Verhalten an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Sie engagiert sich dafür, dass Vielfalt von Führungskräften und Mitarbeitern in Organisationen mehr Wertschätzung erfährt. Dabei gilt ihr besonderer Fokus der Alters- sowie Geschlechtervielfalt in Führungspositionen.

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