WHU
02.03.2022

Lohnen sich Premiummitgliedschaften in Karrierenetzwerken?

Der Nutzen hängt maßgeblich vom eigenen Verhalten ab

Christian Schlereth - 02. März 2022

Tipps für Praktiker

Premiummitgliedschaften sozialer Karrierenetzwerke wie Xing oder LinkedIn versprechen viele Vorteile: eine bessere Sichtbarkeit, Stärkeanalysen, unbegrenzt nutzbare Suchfunktionen oder den direkten Versand sogenannter In-Mails an Mitglieder, mit denen man noch nicht vernetzt ist. Diese zusätzlichen Angebote sollen es dem Account-Inhaber ermöglichen, zielgerichteter sein eigenes Netzwerk zu nutzen, die Karriere voranzutreiben und letztendlich erfolgreicher im Berufsleben agieren zu können.

Eine neue wissenschaftliche Studie beschäftigt sich mit der Frage, ob sich die Premiummitgliedschaft kausal auf die umfassendere Bildung von sozialem Kapital auswirkt. Unter sozialem Kapital versteht man die engen Beziehungen zwischen Personen, die zur Verwirklichung eines Ziels aktiviert werden können, sowie die Möglichkeit, auf ein starkes Netzwerk zurückzugreifen.

Nachweis der Kausalität als enorme Herausforderung

Der Nachweis, ob Premiummitgliedschaften den Nutzer beim Netzwerken unterstützten, ist eine enorme Herausforderung für Plattformenbetreiber und Wissenschaftler. Grund dafür ist, dass es nicht ausreicht, lediglich die Entwicklung des Netzwerkes von Premiummitgliedern mit jenem von Basismitgliedern zu vergleichen. Selbst wenn deutliche Unterschiede zu beobachten sind, misst ein solcher Vergleich lediglich die Korrelation. Er zeigt jedoch nicht auf, ob die Premiummitgliedschaft auch kausal bzw. wertstiftend zur Erweiterung des Netzwerkes beigetragen hat. Letztendlich liegt es daran, dass diejenigen Nutzer, die Premiummitgliedschaft gewählt haben, auch bereits vor der Premiummitgliedschaft besonders stark an den Netzwerken interessiert waren, also hier bereits intrinsische Unterschiede beim Nutzer vorliegen.

Der einzig gültige Nachweis ist durch ein Experiment möglich. In einer gemeinsamen Studie von Forschern der WHU – Otto Beisheim School of Management, Goethe Universität Frankfurt und HEC Paris wurde genau ein solches Experiment entwickelt. Es wurde ein Pool von mehr als 200 Freelancern aufgebaut, da diese Gruppe beruflich besonders auf ihr Netzwerk angewiesen ist. Unter diesen Freelancern wurden 75 Premiummitgliedschaften für die Dauer von 12 Monaten verlost, wodurch erstmalig der wahre Wert der Mitgliedschaft für den Aufbau von sozialem Kapital beobachtbar wurde.

Die eigene Aktivität ist entscheidend

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Premiummitgliedschaft nur bei bestimmten Nutzern eine überproportionale Steigerung des sozialen Kapitals bewirkt. Nur wer sich aktiv in einem Karrierenetzwerk einbringt, zieht einen echten Nutzen aus der Premiummitgliedschaft. Der Vergleich unter den aktiven Nutzer zeigt, dass die Premiummitgliedschaft nachweislich dazu beiträgt, überproportional das Netzwerk auszubauen. Die Premiummitgliedschaft wirkt wie ein Verstärker. Eher passive Nutzer hingegen, die lediglich darauf hoffen, prominenter hervorgehoben zu werden und dadurch ihr Netzwerk zu erweitern, profitieren nicht. 

Welche Funktionen tragen besonders zum Ausbau des Netzwerks bei?

Premiummitgliedschaften eröffnen den Nutzern erweiterte Möglichkeiten, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Zu den passiven Funktionen gehört zum Beispiel, dass Premiummitglieder das vollständige Profil von Nutzern, die die eigene Seite besucht haben, sehen können. Auch wie diese dorthin gelangt sind, können sie nachvollziehen. Außerdem wird das Profil von Premiummitgliedern in Suchen farblich hervorgehoben und sie können ihre Fähigkeiten in ihrem Profil besser sichtbar machen. Die aktiven Funktionen ermöglichen Netzwerkmitgliedern darüber hinaus, gezielter nach bestimmten Ansprechpartnern zu suchen und mittels der In-Mail-Funktion in Kontakt zu treten, auch wenn man noch nicht über die Plattform verbunden ist.

Um einen umfassenden Einblick in die Wirkungsweise der passiven und aktiven Funktionen zu erhalten, untersuchten die Forscher anonymisierte Bewegungsdaten. Dabei zeigte sich, dass zwar auch die passiven Funktionen dabei helfen, das Netzwerk der Premiummitglieder zu erweitern. Jedoch sind es auch hier die aktiven Funktionen, insbesondere die Möglichkeit zum Verfassen von In-Mails, die es Nutzern ermöglichen, ihr soziales Kapital merklich auszubauen.

Zudem steigt die Aktivität der Nutzer unmittelbar nach dem Kauf eines Premium-Accounts und fällt danach in vielen Fällen schrittweise wieder ab. Im Vergleich mit ähnlich agierenden Basisnutzern bleibt die Grundaktivität jedoch auf einem nachhaltig höheren Level.

Für Nutzer von Karrierenetzwerken:

  • Wie in vielen anderen Netzwerken hängt der Nutzen von Karrierenetzwerken stark davon ab, wie man sich selbst einbringt. Werden Sie selbst aktiv, um Ihr Karrierenetzwerk auszubauen! In diesem Fall hilft Ihnen die Premiummitgliedschaft, ihr Netzwerk überproportional im Vergleich zu Basismitgliedern zu erweitern.
  • Nutzen Sie die aktiven Funktionen der Premiummitgliedschaft, wie das Schreiben von In-Mails oder die verbesserte Filterfunktion, um ihr Karrierenetzwerk zielgenau und umfassend zu erweitern.

Für Plattformen:

  • Plattformen, die das Netzwerken ihrer Nutzer fördern möchten, sollten besonders aktiven Nutzern mit Preisnachlässen und Rabatten Belohnungsanreize bieten. Das schafft weitere „Power User“, welche den Ausbau des gesamten Netzwerkes voranbringen.
  • Seien Sie zurückhaltend mit Gratismitgliedschaften. „Schlafende“ Nutzer können damit nur schwer „geweckt“ werden.

Literaturverweis und Methodik

Co-Autor der Studie

Prof. Dr. Christian Schlereth

Seit Oktober 2014 ist Christian Schlereth Inhaber des Lehrstuhls für Digitales Marketing an der WHU - Otto Beisheim School of Management. In seiner Forschung beschäftigt er sich vor allem mit den Fragen, wie die Digitalisierung genutzt wird, ob sich ihr Nutzen quantitativ bestimmen lässt und welche Implikationen sich für die Praxis ableiten lassen. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich mit Themen wie der Messung von Präferenzen und der Bereitschaft zur Zahlung für technische Innovationen mittels Discrete-Choice-Experimenten. Zudem beschäftigt er sich mit innovativen Abo-Modellen, sozialen Netzwerken und der Quantifizierung der langfristigen Wirkung von Online-Marketingaktivitäten. Zusammen mit dem WHU Center for Non-Profit Management and Digital Social Impact beschäftigt er sich außerdem mit dem Thema Social Media P2P Fundraising (z.B. Facebook Birthday Fundraiser). Im Rahmen seiner Forschung hat er die Befragungssoftware DISE entwickelt, die in über 100 Studien von Universitäten und Unternehmen eingesetzt wurde und einen Schwerpunkt auf fortgeschrittene Präferenzmesstechniken legt. Bei den meisten Projekten arbeitet sein Lehrstuhl mit namhaften Unternehmen aus dem jeweiligen Bereich zusammen. Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Schmalenbach-Preis und mehreren Dies Academicus Teaching Awards.

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