WHU
17.08.2022

Mit Achtsamkeit gegen böswilliges Verhalten in Unternehmen

Wie das Konzept Mitarbeitern und Arbeitgebern im Umgang mit Vertrauensbrüchen helfen kann

Pisitta Vongswasdi - 17. August 2022

Tipps für Praktiker

Der Vertrauensbruch ist in der Arbeitswelt ein wohlbekanntes Phänomen. Er zeigt sich beispielsweise, wenn ein Arbeitgeber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versprochene berufliche Entwicklungsmöglichkeiten (zum Beispiel interessante Aufgaben, Beförderungen), Arbeitsregelungen (zum Beispiel Gleitzeit oder Homeoffice) oder Vergütungen (zum Beispiel Gehaltserhöhungen oder Prämien) vorenthält. Solche Vertrauensbrüche führen meist dazu, dass sich Mitarbeitende ihrem Arbeitgeber gegenüber feindselig verhalten. Sie empfinden in solchen Situationen oftmals den Wunsch, sich am Gegenüber zu rächen. Die Feindseligkeit kann sich dabei vom leichten Gefühl der Frustration bis hin zu enormer Wut erstrecken. Allerdings muss in solchen Situationen nicht immer bösartiges Verhalten des Mitarbeitenden die Folge sein. In unserer Forschung gehen wir der Frage nach, wie dieser Effekt verringert oder sogar verhindert werden kann.      

Wieso Vertrauensbrüche böswilliges Verhalten auslösen

Wie genau es dazu kommt, hängt mit den unausgesprochenen Erwartungen im Arbeitsverhältnis zusammen; denn nicht alle Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitenden finden sich im Arbeitsvertrag wieder. Auf dieser Erkenntnis basiert der sogenannte „psychologische Vertrag“: Zwar gilt dieser „Vertrag“ nicht im juristischen Sinne, dennoch prägt die unausgesprochene Übereinkunft das Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Arbeitgebern nachhaltig, da sie essenzielle Erwartungen und Verpflichtungen zwischen beiden Parteien beinhaltet. Wichtige Aspekte wie Motivation, Loyalität und Zufriedenheit am Arbeitsplatz, die die Beziehung der Mitarbeitenden zum Unternehmen prägen, hängen von ihr ab. Verletzt beispielsweise der Arbeitgeber den psychologischen Vertrag, indem er das Vertrauen der Mitarbeitenden missbraucht, ist es möglich, dass Letztere dies als Fehlverhalten des Unternehmens auffassen. Unzufriedenheit und unangenehme Gefühle, die durch unvereinbare Gedanken, Meinungen und Wünsche entstehen, können die Folge sein. Nicht selten fühlen sich Mitarbeitende in solchen Fällen unwohl; um das kognitive Gleichgewicht wieder herzustellen, verhalten sie sich dem Arbeitgeber gegenüber möglicherweise böswillig. Sie wollen es dem Unternehmen heimzahlen.

Wie Achtsamkeit Unternehmen hilft

Die Studie zeigt, dass das aus dem Buddhismus stammende psychologische Konzept der Achtsamkeit helfen kann, böswilliges Verhalten bei Mitarbeitenden nach einem Vertrauensbruch abzumildern. Achtsamkeit ist eine Form der Konzentration, bei der es darum geht, Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen, ohne sie zu beurteilen und die Aufmerksamkeit auf das Jetzt zu lenken. Da zahlreiche Forschungsergebnisse die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit belegen, machen sich inzwischen nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen das Konzept zunutze. In den Vereinigten Staaten bieten mittlerweile 22 Prozent der Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden eine Form von Achtsamkeitstraining an.

Auch die Ergebnisse der Studie belegen, dass der Nutzen der Achtsamkeit über das eigene Wohlbefinden hinausgeht. Durch die Methode lernen Menschen, sich selbst besser zu kontrollieren und weniger emotional zu reagieren. Zwei Achtsamkeitsprozesse sind entscheidend, um sowohl auf emotionaler als auch auf Verhaltensebene flexibler zu reagieren: die Entkopplung gemachter Erfahrungen von der eigenen Person und weniger Automatismus in den Reaktionen. Durch die Entkopplung ist das Ich in der eigenen Wahrnehmung weniger stark involviert und die Person in der Lage, mental Abstand zu den Ereignissen und Erfahrungen zu nehmen.

Achtsame Menschen können mit negativen Erfahrungen daher neutraler umgehen und ihre emotionale Wirkung enttarnen. Sie reagieren dadurch bewusster und weniger impulsiv. So gelingt es ihnen, ein nicht erfülltes Versprechen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, mildernde Faktoren zu berücksichtigen und für Alternativen zur Beilegung des Konflikts offen zu sein. Machen sie sich Gedanken über zum Beispiel nicht erfüllte Verpflichtungen ihres Arbeitgebers, bringen sie dies nicht zwangsläufig mit einem Vertrauensbruch in Zusammenhang. Die Verbindung zwischen Verstoß, Feindseligkeit und Vergeltung verliert an Stärke und ermöglicht der Person dadurch flexiblere Reaktionen.

Tipps für Praktiker

  • Böswilliges Verhalten von Mitarbeitenden kann sich finanziell auf Ihr Unternehmen auswirken. Als Manager sollten Sie deshalb wissen, wie Sie die Wahrscheinlichkeit verringern, dass Mitarbeitende auf einen Vertrauensbruch derart reagieren, dass sie Ihrem Unternehmen schaden. Dies ist heute besonders wichtig, da die Erwartungen der Angestellten aufgrund der zunehmenden Globalisierung, des Wettbewerbs, der Volatilität und der Unsicherheiten immer häufiger nicht erfüllt werden.
  • Denken Sie daran, dass achtsame Mitarbeitende in der Regel wahrscheinlich weniger böswillig auf einen Vertrauensbruch reagieren. Da Achtsamkeit durch Übungen erlernt werden kann, sollten Unternehmen entsprechende Schulungen anbieten, um Mitarbeiter bei der Selbstregulierung zu unterstützen. Dies kann ihnen helfen, mit negativen Arbeitserfahrungen besser umzugehen.
  • Beachten Sie, dass Achtsamkeitstrainings nicht dazu dienen sollten, Mitarbeitende zu beschwichtigen, damit Sie oder Ihr Unternehmen weiterhin Vertrauensbrüche begehen können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Angestellte können nach einem Vertrauensbruch zu Recht verärgert sein. Es ist nicht immer möglich, negative Erfahrungen bei der Arbeit zu verhindern. Dennoch können Achtsamkeitspraktiken Mitarbeitenden helfen, mit negativen Erfahrungen produktiv umzugehen. Dies sollten Sie ihnen ermöglichen – zum Nutzen aller Beteiligten.

Literaturverweis und Methodik

Eine der Stärken der vorliegenden Untersuchung ist die Kombination verschiedener Studiendesigns, die in vier vorherigen Studien sowohl Umfrageergebnisse als auch experimentelle Ansätze verwendeten.

In Studie 1 (einer Feldstudie) sammelte das Forscherteam Daten von 234 Angestellten, die in einem breiten Spektrum von Berufen in unterschiedlichen Branchen tätig waren. Das Team befragte sie zu ihren Erfahrungen mit Vertrauensbrüchen und maß den Grad der Achtsamkeit, den sie besaßen. Um ihre Fähigkeit, kausale Schlüsse zu ziehen, zu verbessern, entwickelten die Forscher in Studie 2 „Vertrauensbruch-Vignetten“, die experimentell einen Vertrauensbruch herbeiführen sollten. In dieser zweiten Studie wurden 304 Mitarbeiter gebeten, sich Szenarien mit Vertrauensbrüchen anzuschauen und entsprechend darauf zu reagieren. Ihre Reaktionen wurden dabei gemessen und aufgezeichnet.

  • Shaffakat, S., Otaye-Ebede, L., Reb, J., Chandwani, R., & Vongswasdi, P. (2022): Mindfulness attenuates both emotional and behavioral reactions following psychological contract breach: A two-stage moderated mediation model, in: Journal of Applied Psychology107(3), 425. https://doi.org/10.1037/apl0000878

Co-Autorin der Studie

Jun.-Prof. Dr. Pisitta Vongswasdi

Pisitta Vongswasdi ist Juniorprofessorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Ihre Forschungs- und Lehrinteressen liegen in den Bereichen Entwicklung von Leadership, Diversitätsmanagement und Achtsamkeit in Unternehm Wertschätzung erfährt. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, inwiefern empirische Daten dabei helfen können, die Zukunft der Arbeit auf humane und produktive Weise zu verändern.

WHU