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23.06.2021

Müssen Controller um ihren Job fürchten?

Ein Berufsstand mit Zukunft, aber neue Kompetenzen sind gefordert

Stefan Grunwald-Delitz - 23. Juni 2021

Tipps für Praktiker

Die Digitalisierung beschäftigt viele Manager deutscher Großunternehmen. Auch im Controlling versuchen die Unternehmen neue Wege zu gehen, um die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen. Im Fokus stehen dabei häufig Bestrebungen zu einer weitergehenden Automatisierung und Standardisierung von Prozessen sowie die Erhöhung der Qualität durch den (unterstützenden) Einsatz von KünstlicherIntelligenz.

Die mit Investitionsrechnungen bestens vertrauten Controllerinnen und Controller wissen selbstverständlich aber auch, dass sie die Kosten jeder Investition fest im Blick haben müssen. Die Digitalisierung muss sich für das Unternehmen finanziell lohnen, d.h. die Aufwendungen für den Ausbau der IT-Infrastruktur zur Nutzbarmachung der Potenziale der Digitalisierung sollten durch Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Erst wenn die Einsparungen die notwendigen Aufwendungen überwiegen, ist eine Amortisation gegeben.

Da im Controlling selbst der Mensch der wesentlichste Kostenfaktor ist, bringt die angestrebte zunehmende Digitalisierung der Prozesse eine inhärente Gefahr für Controllerinnen und Controller mit sich. Denn zumindest mittelfristig könnten sich die Digitalisierungsaktivitäten durch einen Personalabbau in den Controllingabteilungen der Unternehmen bemerkbar machen. Langfristig könnten diese gar das Aus für den Controllerberuf bedeuten.

Dieses düstere Szenario ist mitnichten in Stein gemeißelt. Schließlich wird sich das Aufgabenspektrum des Controllings – wie auch schon in der Vergangenheit – auch in der Zukunft weiter wandeln. Schon jetzt werden Aufgaben zur reinen Zahlengenerierung sowie unliebsame transaktionale Tätigkeiten Stück für Stück durch komplexere und höherwertigere Aufgabestellungen ersetzt. Und auch, wenn Controllingkapazitäten durch die Digitalisierung frei werden, gibt es dafür oft sofort wieder eine neue Verwendung. Sie werden für neue, anspruchsvollere Aufgaben zur Unterstützung des Managements genutzt.

Der finanzielle Nutzen, den die Unternehmen aus der Verschiebung der Controllingtätigkeiten generieren, lässt sich monetär nicht immer leicht bewerten. Im Sinne der Amortisationsrechnung erschwert dies die Entscheidung, ob Personaleinsparungen im Controlling die Kosten der Digitalisierung gegenfinanzieren sollten, oder ob die freiwerdenden Ressourcen im Controlling perspektivisch einen größeren Nutzen bringen, weil sie für höherwertige Aufgaben eingesetzt werden können. Ein Großteil der Beschäftigungsverhältnisse im Controlling steht in eben diesem Spannungsfeld.

Die Auswertung aktueller Arbeitsmarktdaten der Bundesagentur für Arbeit gibt nun erste Hinweise, wie sich die Lage für die Controller weiter entwickeln könnte. Dass sich die Beschäftigtenzahlen im Controlling bis 2016 kontinuierlich nach oben bewegten, haben frühere Analysen gezeigt. Im Vergleich zur Entwicklung der Beschäftigtenzahlen insgesamt sowie jener in anderen Finanzberufen (wie der Buchhaltung oder der Steuerberatung) wuchsen die Beschäftigtenzahlen unternehmensübergreifend sogar überproportional.

Der Blick in die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit macht deutlich: Die Entwicklung ist für die Controller weiterhin sehr erfreulich. Der Trend der Vorjahre hat sich auch in den Jahren 2017, 2018 und 2019 fortgesetzt. In diesem Zeitraum sind etwa 10.000 zusätzliche Stellen im Controlling entstanden. Damit waren Ende 2019 knapp 120.000 Personen in Positionen beschäftigt, die dem Rollenbild des Controllers entsprechen. Und: Die Steigerungsrate lag in diesem Zeitraum erneut deutlich über jener der Beschäftigtenzahlen insgesamt sowie der benachbarter Finanzberufe.

Die Bestrebungen der Unternehmen zur Nutzbarmachung der Digitalisierung scheinen aktuell also noch keine negativen Konsequenzen für die Beschäftigungszahlen der Controller zu haben. Dies kann sowohl daran liegen, dass Potenziale der Digitalisierung im Controlling an vielen Stellen erst zu einem Teil ausgeschöpft werden, oder daran, dass die Verschiebung der Controlleraufgaben hin zu höherwertigen Tätigkeiten für die Unternehmen einen ausreichend hohen Wert hat, sodass sie keinen spürbaren Abbau an Controllerpositionen forcieren.

Sicherlich ist es eine Mischung aus beidem. Das Ergebnis für die Controller ist jedoch klar: Erstens, die Bäume für Controller wachsen noch. Ein etwaiger Niedergang des Berufsstandes lässt sich bisher empirisch nicht belegen. Zweitens bleibt der Transformationsdruck, den die Digitalisierung auf das Controlling ausübt, weiterhin bestehen und wird sich zukünftig weiter intensivieren. Die Gefahren für das Berufsfeld bestehen also weiterhin. Sollte sich dies tatsächlich eines Tages spürbar in den Daten widerspiegeln, werden bis dahin sicherlich noch einige Jahre ins Land gehen.

Tipps für Praktiker

  • Als Unternehmer sollten Sie das Rollenbild der Controllerinnen und Controller ständig weiterentwickeln! Versuchen Sie, von den Fähigkeiten zu profitieren, die diese auch in anderen Bereichen als in ihren traditionellen Aufgabengebieten haben.
  • Das Controlling verspricht weiterhin gute Karriere- und Entwicklungschancen. Nutzen Sie als Controller diese, indem Sie Ihr potenzielles Aufgabenspektrum erweitern und offen sind für neue Entwicklungen.
  • Unterschätzen Sie die Wirkung der Digitalisierung auf das Controlling nicht und unterstützen Sie als Unternehmerin oder Unternehmer Ihre Controllerinnen und Controller dabei, sich neue Kompetenzen anzueignen und sich auf neue Aufgabenbereiche einzustellen.

Literaturverweis und Methodik

Co-Autor der Studie

Dr. Stefan Grunwald-Delitz

Dr. Stefan Grunwald-Delitz ist Head of Cash Management Group and Division Wiring & Cable Solutions bei LEONI in Nürnberg. Er verfügt über langjährige und breite Erfahrung im Controlling führender deutscher Industriebetriebe. Seine Promotion am Institut für Management & Controlling der WHU schloss er im Jahr 2018 mit summa cum laude ab. In seiner Forschung adressiert er insbesondere die Entwicklung der Controllerprofession sowie Management Controls und Dynamiken in Organisationalen Routinen.

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