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22.02.2022

Stationäre und mobile Paketstationen statt Robotern und Drohnen

Wie sich die Paketzustellung zum Endkunden bis 2040 entwickeln könnte

Marcel Peppel / Jürgen Ringbeck / Stefan Spinler - 22. Februar 2022

Tipps für Praktiker

Die „letzte Meile“ der Auslieferung von Waren ist seit jeher eine Herausforderung: Für Händler ist sie vor allem teuer – rund die Hälfte der gesamten Lieferkosten wird für die letzte Etappe aufgewendet. Hinzu kommt, dass Händler nicht einfach den günstigsten Anbieter für die Auslieferung wählen sollten: Sind die Kunden nicht vom Service des Logistikdienstleisters überzeugt, kann sie das vom Kauf abhalten. Für Kommunen ist der CO2-Ausstoß durch die Lieferwagen problematisch. Er belastet die Umwelt und gefährdet die Gesundheit der Menschen. Darüber hinaus kommt es besonders in Innenstädten zu Verkehrsstaus und Sicherheitsproblemen, wie z.B. auf Fußgänger- und Fahrradwegen parkende Lieferfahrzeuge. Nicht zu vergessen ist, dass die Städte stetig wachsen, was die Lage in den nächsten Jahren noch verschärfen dürfte.

Logistikdienstleister stehen unter Druck

Logistikdienstleister müssen innovativ sein, wenn sie diesen Schwierigkeiten begegnen wollen. Ihr Handlungsspielraum ist durch den enormen Preisdruck eingeschränkt, denn die Gewinnspannen sind gering und die Personalkosten hoch. Kosteneffizienz ist daher entscheidend. Schaffen sie es zum Beispiel, den „drop factor“ zu erhöhen – das heißt, möglichst viele Pakete an möglichst wenigen Haltepunkten abzuliefern – geht das schneller und reduziert die Benzinkosten. Auch der Einsatz von neuen Technologien wie Drohnen oder die Optimierung der Routenplanung und der Abläufe im Sortierzentrum durch den Einsatz künstlicher Intelligenz könnte sich als vorteilhaft erweisen.

Kunden legen bei Logistikdienstleistern großen Wert auf Qualität und Sicherheit. Niemand freut sich über ein verbeultes Paket, und wenn eine Lieferung verloren geht, ist der Ärger groß. Auch Datenschutz ist ein wichtiges Thema, denn die Kunden geben persönliche Daten wie die Lieferadresse und die bevorzugte Lieferart an. Darüber hinaus ist den Kunden zunehmend eine möglichst umweltfreundliche Lieferung wichtig – ein weiterer Grund für die Logistikdienstleister, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Für die Dienstleister ist es mit einem „weiter so“ also nicht getan.

Nachhaltigkeit und Flexibilität stehen bei Kunden hoch im Kurs

Dadurch, dass Online-Shoppen für immer mehr Menschen zur Normalität wird, verschärft sich die Lage zunehmend. Welche Entwicklungen in diesem Sektor wahrscheinlich sind, erklärten im Rahmen der Delphi-Studie 36 Experten und Expertinnen aus verschiedenen Bereichen. Insbesondere Nachhaltigkeit wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Im Jahr 2040 werden bei der Zustellung per Lieferwagen wahrscheinlich ausschließlich E-Fahrzeuge genutzt – vorausgesetzt, der Strom wird nachhaltig erzeugt. In Großstädten ist der Einsatz von Lastenfahrrädern absehbar, weil sie umweltfreundlich sind und das Verkehrsaufkommen kaum erhöhen.

In Zukunft wird die Bereitschaft der Kunden, persönliche Daten preiszugeben, wahrscheinlich noch steigen. Der Grund dafür ist, dass sie sich eine individualisierte Zustellung wünschen, die sich gut in ihren Alltag einfügt, zum Beispiel durch unterschiedliche Annahmeorte. Fest installierte Paketstationen sollen dabei aber keinesfalls aus der Mode kommen, sondern eher noch an Bedeutung als elementarer Bestandteil des Liefernetzwerks gewinnen.

Innenstädte werden nicht wie im Science-Fiction-Roman aussehen

Wer damit gerechnet hat, seine Pakete in ein paar Jahren von einem Roboter ausgehändigt zu bekommen, wird allerdings enttäuscht sein: Für einen großflächigen Einsatz von delivery bots sei ihr Radius zu begrenzt, sie könnten Staus auf den Gehwegen verursachen und außerdem keine Treppen steigen. Verwendung könnten sie daher nur in geschlossenen Bereichen, wie z. B. in einem Krankenhaus oder auf einem Universitätscampus, finden. Auch die Vorstellung, dass ausschließlich Drohnen die Zustellung übernehmen könnten, gehört eher in das Reich der Fantasie. Ihr Einsatz wird limitiert bleiben und könnte höchstens in ländlichen Gebieten deutlich ausgeweitet werden. Mobile, autonomfahrende Packstationen können hingegen eine flexiblere Abholmöglichkeit bieten und werden dadurch eine weitere Komponente im Liefernetzwerk.

Ein Trend kristallisiert sich bei den Zukunftsszenarien klar heraus: Die Zahl der Lieferwagen, die heute noch synonym mit Last-Mile Delivery sind, wird nicht ins Unendliche steigen. Stattdessen wird der Sektor in den nächsten Jahren immer stärker segmentiert. Je nach Waren, Kundenwünschen und Liefergebieten werden sich unterschiedliche Zustellungsarten etablieren.

Tipps für Praktiker

  • Bemühen Sie sich als Logistikdienstleister um eine rasche Reduzierung des CO2-Ausstoßes und entwickeln sie ein breiteres Serviceangebot für Ihre Kunden! Überlegen Sie auch, welche Hardware und Software nötig ist, um auf die individuellen Wünsche Ihrer Kunden einzugehen.
  • Fest installierte Paketstationen werden auch in Zukunft wichtig sein. Logistikdienstleister sollten daher mehr stationäre und mobile Paketstationen einrichten. Lastenfahrräder und Drohnen werden zwar auch zum Einsatz kommen, sind im Vergleich aber weniger relevant.
  • Online-Händler profitieren ebenfalls von einer engen Zusammenarbeit mit ihrem Logistikdienstleister. Gehen Sie gemeinsam neue Wege und bieten Sie den Kunden einen auf sie zugeschnittenen Service!

Literaturverweis und Methodik

Für die Delphi-Studie wurden 17 Zukunftsthesen formuliert und einem Expertenteam zur Evaluierung vorgelegt. Die 36 Mitglieder dieses Teams kamen aus unterschiedlichen Bereichen wie Logistikdienstleistung, Online-Handel, Wissenschaft, IT-Dienstleistung und Politik. Eingeladen wurden nur Personen, die einschlägige Berufserfahrung bzw. Publikationen in dafür relevanten Bereichen vorweisen konnten. Nach einer Zwischenanalyse durch die Autoren nahmen die Experten und Expertinnen eine zweite Evaluierung vor, bei der ihnen das Feedback der Gruppe zur Verfügung stand und sie die Möglichkeit hatten, ihre ursprünglichen Annahmen anzupassen. Abschließend wurden aus den Antworten des Expertenteams drei Zukunftsszenarien entwickelt und Empfehlungen für die betroffenen Akteure in Wirtschaft und Politik abgeleitet.

Autoren der Studie

Marcel Peppel

Marcel Peppel ist Doktorand am Institut für Logistikmanagement der WHU. Seine Forschungsinteressen gelten der Zukunft von Last-Mile Delivery sowie neuen Netzwerkmodellen für die Zustellung auf der letzten Meile unter Berücksichtigung von Kosten- und Umwelteffekten. Vor Beginn seines Promotionsstudiums war er drei Jahre als Strategieberater für Porsche Consulting tätig.

Prof. Dr. Jürgen Ringbeck

Nach seiner Promotion an der Universität Osnabrück war Jürgen Ringbeck als Partner bei McKinsey & Company in Düsseldorf und übernahm dann die weltweite Führungsverantwortung für den Reise- und Logistiksektor bei Booz Allen Hamilton (seit 2008 Booz&Company). Darüber hinaus blickt er auf ein langjähriges Engagement als Strategic Advisor des World Economic Forums und der UN WTO (World Tourism Organization) zurück. Als Gründer und Geschäftsführer der Ricon GmbH ist Jürgen Ringbeck seit 2014 aktiver Investor und Beiratsmitglied innovativer junger Unternehmen. Er ist seit 2014 Honorarprofessor an der WHU und lehrt zu verschiedenen Themen der Unternehmensführung und dem Transportmanagement im Master-Studiengang.

Prof. Dr. Stefan Spinler

Stefan Spinler ist Inhaber des Lehrstuhls für Logistikmanagement an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Seine Forschung konzentriert sich vorwiegend auf die Bereiche Nachhaltigkeit von Lieferketten und deren Risikomanagement. Alle Forschungsaktivitäten werden zusammen mit führenden Logistikdienstleistern und Industrieunternehmen durchgeführt. Professor Spinler war bereits als Gastprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der University of Pennsylvania, The Wharton School, tätig.

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