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27.11.2020

Unternehmenssteuern: Zahlt am Ende der Verbraucher?

Untersuchungen von Steuerexperten im deutschen Tankstellennetz zeigen, dass kommunale Steuererhöhungen für Unternehmen häufig an die Verbraucher…

Martin Jacob / Maximilian Müller / Thorben Wulff - 27. November 2020

Tipps für Praktiker

Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland wird zunächst in drei Kategorien unterteilt: Die Besteuerung des Ertrags, des Verbrauchs und der Substanz. Die maßgeblichen Einnahmen der Kommunen in Sachen Ertrag werden aus der Gewerbesteuer generiert beziehungsweise aus ihrem Anteil an der Einkommenssteuer. Da die Kommunen aber die Höhe der Gewerbesteuer als einzige in dieser Kategorie selbstständig festlegen können, konzentrieren sich die Untersuchungen der Autoren dieser Studie auf diese Steuer. Denn jährlich erhöhen hunderte Kommunen in Deutschland die Gewerbesteuer, um die eigenen Finanzlöcher zu stopfen. Dabei gibt es regional große Unterschiede.

Gewerbesteuererhöhung gleich Benzinpreiserhöhung?

In ihrer Studie haben die drei Forscher das dichte deutsche Tankstellennetz mit seinen mehr als 15.000 einzelnen Filialen betrachtet. Dabei haben sie Tankstellen in Kommunen, die die Gewerbesteuer erhöht haben, mit jenen verglichen, die dies nicht taten. Bei der großen Mehrzahl der untersuchten Tankstellen kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Kraftstoffpreise im Durchschnitt um 0,1 Eurocent pro erhöhtem Prozentpunkt der Gewerbesteuer höher lagen, als bei vergleichbaren Filialen in benachbarten Kommunen, in denen die Gewerbesteuer gleich blieb. Erhöhte eine Gemeinde die Gewerbesteuer beispielsweise um zehn Prozentpunkte, zogen die Benzin- und Dieselpreise an dort beheimateten Tankstellen auch im Durchschnitt um einen Cent an. Damit konnten sie zeigen, dass kommunale Steuererhöhungen nicht zwingend die Inhaber oder geringqualifizierte Mitarbeiter der Tankstellen treffen, die in anderen Branchen sonst häufig als erste betroffen sind, sondern am Ende meistens den Verbraucher. Das zumindest gilt für Kraftstoff. Auch wenn der Fokus der Studie dem Tankstellennetz gilt, resultiert daraus eine weitere Annahme: Andere Unternehmen, die Produkte verkaufen, auf die Verbraucher kurzfristig nicht verzichten können, werden ihre Preise möglicherweise ebenfalls an eine Erhöhung der Gewerbesteuer anpassen. Diese Erkenntnis ist auch für die politischen Entscheidungsträger in den Kommunen relevant, wenn sie ihre Einnahmen mittels Gewerbesteuererhöhung aufbessern wollen. Sie sollten darauf achten, dass diese Erhöhung einer Unternehmenssteuer nicht ohne Umschweife beim Verbraucher landet.     

Warum manche Tankstellen die Steuererhöhungen schnell und andere gar nicht weitergeben

Obwohl im Vergleich der Kommunen fast flächendeckend beobachtet wurde, dass Erhöhungen der Gewerbesteuer schnell und oftmals vollumfänglich an den Endverbraucher weitergegeben wurden, zeigte sich in einigen Gemeinden ein abweichendes Bild: Hier blieben die Preiserhöhungen komplett aus. Nach Analyse der Forscher treten diese Phänomene überwiegend in grenznahen Kommunen auf. Sie zeigen den Einfluss der durchschnittlichen Kraftstoffpreise im benachbarten Ausland auf die heimischen Tankstellen. Grund ist die Preiselastizität. Lagen die Benzinpreise in unmittelbar angrenzenden Ländern ohnehin höher als in Deutschland, zogen auch hier die Tankstellen nahe der Grenze nach einer Gewerbesteuererhöhung die Preise zügig an. Grenzten die Kommunen mit Steuererhöhungen jedoch an Länder, die einen im Durchschnitt niedrigeren Benzinpreis als Deutschland haben, so müssen die Tankstellen aufgrund der Wettbewerbssituation auf eine Preissteigerung verzichten.

Weitere Preistreiber für den Verbraucher

Bei ihrer Analyse des deutschen Tankstellennetzes konnten die Forscher auch weitere Preistreiber für den Verbraucher identifizieren. Markentankstellen und Tankstellen, die direkt an Autobahnen liegen oder 24 Stunden lang geöffnet haben, die im Durchschnitt höhere Preise an der Zapfsäule abrufen, geben auch die Gewerbesteuer stärker weiter. Ist der Verbraucher sich dessen bewusst, kann er Sparpotenziale ausnutzen.

Tipps für Praktiker

  • Haben Sie ein Auge auf die Steuerpläne Ihrer Kommunalpolitiker, denn Gewerbesteuererhöhungen gehen bei Produkten des täglichen Bedarfs oftmals zu Ihren Lasten als Verbraucher.
  • Vergleichen Sie Benzinpreise mit jenen in anderen Gemeinden und entscheiden Sie ggf. nach Entfernung und Aufwand, wo Sie tanken. Denn auch die Gewerbesteuer hat Einfluss auf die Kraftstoffpreise!
  • Vermeiden Sie Preistreiber bei Kraftstoffpreisen: Markentankstellen sowie Tankstellen, die direkt an der Autobahn liegen oder 24 Stunden lang geöffnet haben, erheben im Durchschnitt höhere Preise an der Zapfsäule!  

Literaturverweis und Methodik

Zu der Erkenntnis, dass Unternehmenssteuern oftmals direkt an den Endverbraucher weitergegeben werden, kommen Prof. Dr. Martin Jacob und Doktorand Thorben Wulff von der WHU – Otto Beisheim School of Management sowie Prof. Dr. Maximilian Müller von der ESMT in Berlin. In ihrer Studie haben die drei Forscher das dichte deutsche Tankstellennetz mit seinen mehr als 15.000 einzelnen Filialen untersucht. Die Ergebnisse sind im Einzelnen in der Studie „Do Consumers Pay the Corporate Tax?“ („Zahlen Verbraucher die Unternehmenssteuern?”) niedergelegt.

Autoren der Studie

Prof. Dr. Martin Jacob

Martin Jacob ist Experte für die Auswirkungen der Besteuerung von Privatpersonen und Unternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Sein besonderes Forschungsinteresse gilt dem Einfluss von Steuerpolitik auf Unternehmen und deren Investitionen. Seit 2019 ist er Inhaber des adidas Lehrstuhls für Finanzen, Rechnungslegung und Steuerlehre der WHU.

Prof. Dr. Maximilian Müller

Maximilian Müller ist Kapitalmarktexperte und setzt sich mit Fragen der Offenlegung, Regulierung und Besteuerung auseinander. Maximilian Müller hat an der WHU promoviert und war danach Juniorprofessor und schließlich Inhaber des Lehrstuhls für Financial Reporting an der WHU bis 2019. Seit 2020 gehört er der Fakultät der ESMT in Berlin an. Als Academic Advisor unterstützt er die Othoz GmbH bei der Entwicklung quantitativer Anlagestrategien.

Thorben Wulff

Thorben Wulffs Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Steuerinzidenz und empirischer Steuerforschung, die sich mit den realen Auswirkungen von Steuern zum Beispiel auf Verbraucherpreise und Investitionsentscheidungen von Unternehmen auswirkt. Er ist Doktorand am adidas Lehrstuhl für Finanzen, Rechnungswesen und Steuerlehre der WHU – Otto Beisheim School of Management.

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