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25.02.2022

Warum der angekündigte Multi-Milliarden-Euro-Fonds für europäische Tech-Start-ups keine gute Idee ist

Öffentliche Mittel sind nicht geeignet, um sie als Wagniskapital einzusetzen

- Expertenmeinung -

Dries Faems - 25. Februar 2022

Tipps für Praktiker

Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire kündigte am 7. Februar 2022 die Einrichtung eines öffentlich finanzierten, milliardenschweren Fonds an, für den das deutsche Bundesfinanzministerium bereits eine Milliarde Euro zugesagt hat. Le Maire zufolge besteht das Hauptziel dieses Fonds darin, „bis 2030 zehn Technologieunternehmen mit einem Marktwert von jeweils mehr als 100 Milliarden Euro hervorzubringen“. Meiner Meinung nach ist dieser neue Fonds aus mehreren Gründen keine gute Idee.

Im Markt sind bereits genügend finanzielle Mittel im Umlauf

Kehren wir zu den Grundlagen zurück und stellen wir uns eine einfache Frage: Wann sollten staatliche Institutionen in den Markt eingreifen? Die Antwort, die Wissenschaftler in der Regel geben, lautet, dass der Staat eingreifen sollte, wenn Marktversagen vorliegt. Diese Situation ist durch die ineffiziente Verteilung von Waren und Dienstleistungen auf dem freien Markt definiert, die ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage verursacht. Und wie sieht es aktuell in der Praxis aus? Betrachtet man beispielsweise den Bereich der Technologiefinanzierung, so ist schwierig zu erkennen, worin das aktuelle Marktversagen bestehen könnte. Der Technologiemarkt wird mit dem Geld privater Investoren überschwemmt. In einem Umfeld, in dem es umfangreiche private Finanzierungsmöglichkeiten gibt, müssen wir uns fragen, ob wir zusätzliche Steuergelder in dieses System pumpen sollten.

Öffentliche Investoren bevorzugen weniger riskante Investitionen

Die Vergabe von Risikokapital ist, wie der Name schon sagt, ein hochriskantes Spiel. Man muss zahlreiche unterschiedliche Investitionen sorgfältig auswählen und in Kauf nehmen, dass die meisten davon scheitern werden. Letztendlich wird nur eine geringe Anzahl von Treffern eine positive Rendite erzielen. Dies bedeutet, dass das Scheitern fester Bestandteil des Risikokapitalspiels ist. Regierungen und die steuerzahlenden Bürger neigen jedoch dazu, Misserfolge nicht gutzuheißen. Wenn also zu Beginn der erste Teil der Unternehmen trotz der Unterstützung durch den Fonds scheitert, ist zu erwarten, dass die politischen Entscheidungsträger kalte Füße bekommen und sich sichereren Optionen zuwenden. Die Wahrscheinlichkeit, letztlich den Jackpot zu knacken, wird dadurch jedoch nur geringer.

Öffentliche Finanzierung ist ein politisches Instrument, das nicht unbedingt den besten Kandidaten zugutekommt

Wenn Tech-Fonds von Politikern aufgelegt werden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass damit auch politische Zwecke verfolgt werden. Es ist kein Zufall, dass Le Maire, der sich im April nationalen Wahlen stellen muss, die Ehre hatte, diesen Plan nun anzukündigen. Darüber hinaus ist es unvermeidlich, dass bei der Entscheidung darüber, wer das Geld tatsächlich erhalten soll, viele politische Erwägungen eine Rolle spielen werden. So wird das deutsche Finanzministerium wahrscheinlich bestrebt sein, einen angemessenen Anteil der Mittel für deutsche Unternehmen zu sichern, selbst wenn Unternehmen aus anderen Ländern bessere Aussichten hätten. Auf diese Weise ist es weniger wahrscheinlich, dass die Mittel an die besten Kandidaten vergeben werden, was den Jackpot in noch weitere Ferne rücken lässt.

Aus diesen Gründen halte ich es für recht unwahrscheinlich, dass der neu angekündigte Fonds sein Ziel, zehn Unternehmen mit einer Marktbewertung von 100 Milliarden Euro hervorzubringen, erreichen wird. Stattdessen wird der Fonds wahrscheinlich zu einem Schlachtfeld für politische Grabenkämpfe werden und letzten Endes nur zu Mittelmäßigkeit führen. Anstatt in das Spiel mit dem Risikokapital einzusteigen, würde ich empfehlen, dass sich die Europäische Kommission auf ihre eigentlichen institutionellen Aufgaben konzentriert: Erstens sollte sie dafür Sorge tragen, dass Europa als echter, digital integrierter Markt funktioniert, in dem europäische Technologieunternehmen problemlos expandieren können. Zweitens sollte sie diesen Technologieunternehmen einen Rechtsrahmen bieten, der deren Risikobereitschaft fördert – und sie nicht davon abhält, Risiken einzugehen. Auch wenn dies vielleicht weniger sexy und auffällig ist als eigene Investments als Risikokapitalgeber, könnte die Konzentration auf die zuvor genannten Bereiche den europäischen Technologieunternehmen dabei helfen, ihre ehrgeizigen Wachstumsziele auf geeignetere Weise zu erreichen.

Tipps für Praktiker

  • Öffentliche Institutionen sollten sich darauf konzentrieren, Marktversagen zu verhindern, statt in Tech-Start-ups zu investieren.
  • Als politischer Entscheidungsträger sollten Sie die Bemühungen in Europa vorantreiben, einen wirklich digital integrierten Markt zu schaffen, in dem Unternehmen leicht expandieren können. Sorgen Sie dafür, dass es einen ordnungspolitischen Rahmen gibt, der junge Unternehmen dazu ermutigt, Risiken einzugehen.

Literaturverweis und Methodik

-Gerpott F. H./Rivkin, W./Diestel, S. (2023): Keep it steady? Not only average self-control demands matter for employees’ work engagement, but also variability, in: Work & Stress, DOI: 10.1080/02678373.2023.2180784.

Autor

Prof. Dr. Dries Faems

Dries Faems ist Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship, Innovation and Technological Transformation an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er ist Experte für Zusammenarbeit bei Innovationen. In seiner Forschung und Lehre befasst sich Prof. Faems mit Inhalten wie Allianzen für Forschung und Entwicklung, Zusammenarbeit bei der digitalen Transformation und Innovations-Ökosystemen. Er koordiniert außerdem den WHU Innovation Ecosystem Hub, der darauf abzielt, Wissenschaft und Praxis bei der Zusammenarbeit für gemeinsame Innovationen zu vernetzen. 

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