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15.02.2022

Warum die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens problematisch ist

Die Finanzierung einer solchen Maßnahme würde in Deutschland große Verwerfungen mit sich bringen

Michael Frenkel - 15. Februar 2022

Tipps für Praktiker

Das Konzept des bedingungslosen oder universellen Grundeinkommens gibt es seit 200 Jahren und ist in politischen Debatten und in der Wissenschaft nach wie vor sehr gefragt. Auch in Wahlprogrammen und -kampagnen taucht das Thema immer wieder auf. Häufig diskutiert wird die Einführung dieses Konzepts unter anderem auch in Deutschland.

Was für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens spricht

Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens betonen, dass durch diese Maßnahme zahlreiche positive Entwicklungen angestoßen werden. So würde ein Grundeinkommen von 1.200 Euro pro Erwachsenen pro Monat (für Kinder würde die Hälfte bemessen) zu einer Reduzierung der Armut, einem humaneren Umgang mit Bedürftigen und einer niedrigeren Kriminalitätsrate führen. Bei Menschen, die bislang nur ein sehr niedriges Einkommen haben, könnte es zu einer Verbesserung der körperlichen und geistigen Gesundheit und zu gesteigerter Zufriedenheit führen. Zudem würde das bedingungslose Grundeinkommen die Möglichkeit bieten, Risiken einzugehen, wie zum Beispiel die Gründung eines eigenen Unternehmens. Auch die Folgen erwartbarer Arbeitsplatzverluste durch Roboter und künstliche Intelligenz würden dadurch abgemildert.

Welche finanziellen Konsequenzen die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens hätte

Am Beispiel Deutschlands wird sichtbar, dass die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens große finanzielle und andere Probleme mit sich bringen würde. Sollte ein Grundeinkommen in der von den Befürwortern der Maßnahme geforderten Höhe kommen, würde dies eine erhebliche Umverteilung von Einkommen erfordern und voraussichtlich auch negative Auswirkungen auf die Arbeits- und Kapitalmärkte haben.

Befürworter des Grundeinkommens führen, gefragt nach einer möglichen Finanzierung der Maßnahme, oft ins Feld, dass die Einführung eines Grundeinkommens die Streichung mehrerer anderer derzeit bestehender Leistungen ermöglichen würde, was den Finanzierungsbedarf verringern würde. Die Studie skizziert drei verschiedene Szenarien, die sich darin unterscheiden, inwieweit bestehende Sozialleistungen gekürzt werden könnten.

Bei der ersten und mildesten Variante würden das Langzeitarbeitslosengeld, das Kindergeld und die Zahlungen an Studierende gestrichen. In einem zweiten, umfassenderen Szenario würde zusätzlich der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer gestrichen. Und im dritten und drastischsten Szenario, das die Streichung von Sozialleistungen beinhaltet, würden zudem alle Rentenzahlungen gestrichen.

Wie radikal die Maßnahmen auch ausfallen würden, in keinem der drei Szenarien könnte durch die Streichung von Sozialleistungen das Grundeinkommen vollständig finanziert werden. In der Folge würden massive Steuererhöhungen unvermeidlich. Die Studie untersucht, inwieweit die Einkommensteuer, die Mehrwertsteuer, die Vermögensteuer, die Finanztransaktionssteuer und die Umweltsteuern erhöht werden müssten, um die erforderlichen Einnahmen zu erzielen. Je nach Szenario, welches von der Regierung gewählt würde, müssten zur Finanzierung der Einführung eines Grundeinkommens in Höhe von 1.200 Euro pro Erwachsenen und Monat sowie der Hälfte dieses Betrags für Kinder die gesamten Steuereinnahmen um 50 bis über 100 Prozent des derzeitigen Niveaus erhöht werden. Dies würde zu einer massiven Umverteilung von Einkommen führen. Außerdem kann es, je nach Ausgestaltung des bedingungslosen Grundeinkommens, zu massiven Preissteigerungen kommen, die die Kaufkraft des Grundeinkommens deutlich aushöhlen kann. Noch problematischer könnten die Konsequenzen ausfallen, wenn die Einführung eines Grundeinkommens die Menschen dazu motivieren würde, weniger zu arbeiten.

Alternativen zum bedingungslosen Grundeinkommen

Welche Alternativen gibt es also zum bedingungslosen Grundeinkommen? Eine Alternative wäre es, das Grundeinkommen auf einem niedrigeren Niveau anzusetzen. Das würde jedoch die Frage aufwerfen, ob damit ein menschenwürdiges Leben möglich ist, wie es von den Befürwortern des Konzepts gefordert wird. In jedem Fall wäre es leichter zu finanzieren, wie frühere Modellrechnungen für deutlich geringere Beträge gezeigt haben. Doch auch diesem abgemilderten Konzept würde es an Effizienz mangeln. Eine andere Alternative wäre, keine universellen Transfers zu gewähren, sondern gezielte Programme zur Armutsbekämpfung zu entwickeln. In diesem Fall wären die Transaktionskosten und steuerlichen Verzerrungen wesentlich geringer. Das bedeutet natürlich, dass solche Transfers an Bedingungen geknüpft sein müssten. Dadurch wären sie aber wirtschaftlich effizienter und würden mit größerer Wahrscheinlichkeit politisch akzeptiert und als gerecht empfunden werden. Eine weitere Alternative, die aus wirtschaftlicher Sicht dem bedingungslosen Grundeinkommen vorzuziehen wäre, wären Geldtransfers für die Ärmsten der Gesellschaft in Kombination mit staatlichen Ausgaben für Bildung, Infrastruktur und Gesundheit. Dies würde das Wirtschaftswachstum fördern und wäre ein eher marktorientierter Weg, um den Lebensstandard der Armen anzuheben.

Tipps für Praktiker

  • Betonen Sie in politischen Diskussionen um das bedingungslose Grundeinkommen die große Problematik dieses Vorschlags und unterstützen Sie die Forderung, dass ein Konzept der Einkommensförderung stärker auf die Menschen ausgerichtet wird, die die Unterstützung wirklich brauchen, statt mit der Gießkanne vorzugehen.
  • Setzen Sie sich als politischer Entscheidungsträger dafür ein, dass, im Falle der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, dessen Höhe niedriger angesetzt wird als von den Befürwortern des Konzepts gefordert. Andernfalls würde es zu enormen steuerlichen Verwerfungen und Umverteilung in der Gesellschaft kommen.
  • Betonen Sie, dass es für eine langfristige Bekämpfung von Armut auf die Ausgaben für Bildung, Forschung, Infrastruktur und Gesundheit ankommt.

Literaturverweis

  • Frenkel, M. (2022): Why an Unconditional Basic Income is Problematic in Germany, in: Journal for Markets and Ethics, zur Publikation angenommen.

Autor der Studie

Prof. Dr. Michael Frenkel

Michael Frenkel ist Prorektor für Internationale Beziehungen und Professor für Makroökonomik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Er ist außerdem Direktor des Center for EUropean Studies (CEUS) an der WHU. Seine umfangreichen internationalen Erfahrungen sammelte er bei seiner mehrjährigen Tätigkeit für den Internationalen Währungsfonds und bei Aufenthalten als Gastprofessor, die er neben zahlreichen weiteren an der Harvard University absolvierte. Professor Frenkel war als Berater für den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die Europäische Kommission tätig. Viele Jahre lang war er im Auswärtigen Amt für die wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung junger deutscher Diplomaten zuständig. Professor Frenkel hat mehr als 100 Publikationen in den Bereichen Makroökonomik und internationale Finanzen veröffentlicht und ist Mitglied des Redaktionsbeirats des Global Finance Journal, des International Journal of Business, des Journal of Economics and Statistics und des Journal of Markets and Ethics.

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