WHU
21.03.2022

Was Familienunternehmen aus der Krise lernen können

Erkenntnisse aus zwei Jahren Pandemie

Nadine Kammerlander - 21. März 2022

Tipps für Praktiker

Im Rahmen einer Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management wurden Familienunternehmen und externe Stakeholder befragt, wie sie die Krise erlebt haben. Daraus ergaben sich konkrete Handlungsempfehlungen für das Krisenmanagement. Wenn Familienunternehmen diese beachten, werden sie auf eine mögliche nächste Krise deutlich besser vorbereitet sein.

Krisensignale und Vorbereitung

Zu Beginn der Krise erkannten viele Familienunternehmen aufgrund ihrer involvierten Führung klar die Krisensignale. Jedoch hatten sie keine geeigneten Strukturen, um Maßnahmen umzusetzen, und blieben dadurch oft zu lange passiv. Dieses „Feuerwehrprinzip“, wie einer der Unternehmer es nannte, bei dem die Firma erst einmal abwartet und dann „löscht“, hat zur Folge, dass der Stresspegel im Unternehmen steigt und sich die Reaktionskapazitäten verringern. Unternehmen sollten deshalb eine offene und transparente Kommunikation etablieren. Sie sollten sich frühzeitig mit der Geschäftsführung und Geschäftspartnern austauschen, um Maßnahmen einzuleiten. Auch für die Mitarbeitenden ist eine offene Kommunikation in Krisensituationen sehr wichtig. Ein positives Beispiel dafür war ein Unternehmen, das seine Beschäftigten über einen eigenen Social-Media-Kanal auf dem Laufenden hielt.

Administration und Organisation

Was sich in der Krise bewährt hat, ist die zügige Einrichtung von Lenkungskreisen und Arbeitsgruppen. Sie bieten den Rahmen, um Krisensignale einzuordnen, Lösungen im Trial-and-Error-Prinzip zu entwickeln und sich um die Umsetzung im Unternehmen zu kümmern. Auch externe Stakeholder wie Berater, Finanzierer und Anwälte können mit einbezogen werden, um die Perspektive zu erweitern. In den Lenkungskreisen kommt eine Stärke von Familienunternehmen zum Tragen: Dadurch, dass der Gesellschafterkreis überschaubar ist, können Entscheidungen sehr schnell getroffen werden. Auch das Vertrauensverhältnis, das zwischen den Beschäftigten und dem Familienunternehmen besteht, hilft bei schnellen Entscheidungen. Diesen Vorteil sollten die Unternehmen in Krisensituationen unbedingt nutzen.

Darüber hinaus ist es zur Bewältigung des administrativen Aufwands wichtig, dass routinierte Prozesse auch digital abgebildet werden können. Wenn alltägliche Abläufe nicht in digitaler Form möglich sind, entsteht ein großes Problem, sobald sie nicht mehr wie üblich vor Ort erledigt werden können. Wie sich im Lockdown gezeigt hat, verlangsamen sich diese Prozesse stark, was für das Unternehmen letztlich zu einer zusätzlichen Kapitalbelastung führt. Unternehmen sollten dieses Problem in Angriff nehmen, um besser auf mögliche Krisen vorbereitet zu sein.

Liquidität und Transparenz

In diesem Bereich zeigten die Familienunternehmen eine konservative Einstellung und achteten auf eine genaue Kontrolle. Nur wenige Unternehmen rechneten zu Beginn der Krise mit Szenarien. Dies empfiehlt sich jedoch, um die negativen oder positiven Effekte finanzieller Entscheidungen zu modellieren. Dafür ist es notwendig, auch in ruhigen Zeiten kontinuierlich Daten zu erheben und zu sammeln, um ein Gespür für die Profitabilität von Entscheidungen zu entwickeln. Auch ist Transparenz im Umgang mit den Finanzierern wichtig. Unternehmen sollten an einem vertrauensvollen Miteinander arbeiten. Sie sollten ihren Verpflichtungen mit besonderer Sorgfalt nachkommen, denn zu spät eingereichte Unterlagen wecken Zweifel an der Integrität und der Verlässlichkeit des Unternehmens. Eine klare und proaktive Kommunikation hingegen stärkt das Vertrauen, was dem Unternehmen in der Krise helfen kann, wenn es seine Ziele einmal verfehlt.

Kommunikation

Die Kommunikation lief bei vielen Familienunternehmen in der Krise nicht reibungslos. Zwar standen sie in einem intensiven digitalen Austausch mit externen Stakeholdern, doch entstand bei diesen der Eindruck, die Unternehmen würden ihnen wichtige Informationen vorenthalten oder aus taktischen Gründen nur schrittweise mitteilen. Auch die interne Kommunikation könnte in vielen Fällen noch verbessert werden. Dafür ist es wichtig, die Beschäftigten im Umgang mit digitalen Medien zu schulen, um das volle Potential der digitalen Kommunikation ausschöpfen zu können. Für Familienunternehmen kann es sich lohnen, Kommunikationsberater als professionelle Unterstützung hinzuzuziehen, denn eine gelungene Kommunikation mit allen beteiligten Stakeholdern ist für das erfolgreiche Krisenmanagement von großer Bedeutung. Nur so können Unternehmen die richtigen Informationen erhalten und schnell agieren. Haben sie eine gute Kommunikationsstrategie und kontrollierte Informationsflüsse, sind sie besser auf Krisensituationen vorbereitet.

Krisenerholung und Lernen

Als die Lage sich entspannte, erholten sich Familienunternehmen schnell. Als großes Plus erwies sich die Loyalität der Beschäftigten: Dadurch, dass sie bei den Unternehmen blieben, blieb auch ihr Know-how erhalten. Außerdem stärkten die gemeinsam durchlebten Krisenzeiten das Zusammengehörigkeitsgefühl. Vertrauen und Loyalität sollten von Unternehmen belohnt werden. Dazu bieten sich zum Beispiel Team-Events an, aber auch eine einfache Ansprache, in der das Unternehmen seinen Dank ausspricht, kann Wertschätzung zum Ausdruck bringen.

In der Krise wurden immer wieder alltägliche Prozesse angepasst und weiterentwickelt. Die Familienunternehmen gingen dabei pragmatisch vor und hatten vor allem die tägliche Leistungserbringung im Blick. Die Dokumentation dieser Prozesse kam deshalb oft zu kurz und das neue Wissen blieb stark an die einzelnen Beschäftigten gebunden. Nach der Krise sollte das neu gewonnene Know-how aktiv reflektiert und verschriftlicht werden. So können sich auch die Lenkungskreise einen Überblick verschaffen, welche Maßnahmen während der Krise gut funktioniert haben. Sie können Best Practices entwickeln, auf die in zukünftigen Krisensituationen zurückgegriffen werden kann.

Tipps für Praktiker

  • Bemühen Sie sich um ein proaktives Krisenmanagement! Familienunternehmen haben in Krisensituationen durch die schnelle Entscheidungsfindung und kurze Reaktionszeit Vorteile, die Sie unbedingt nutzen sollten.
  • Treiben Sie die Digitalisierung voran. Routinierte Prozesse sollten bei Bedarf auch digital möglich sein. Schulen Sie außerdem Ihre Mitarbeitenden im Umgang mit digitalen Medien und Plattformen, um Hindernisse bei der internen Kommunikation zu vermeiden.
  • Erheben Sie auch in ruhigen Zeiten kontinuierlich Daten. Das erlaubt Ihnen, in Krisenzeiten mit Szenarien zu rechnen, wodurch Sie Profitabilitätseffekte besser abschätzen können.
  • Achten Sie auf eine gezielte und professionelle interne und externe Kommunikation. Dazu kann es hilfreich sein, Unterstützung von Kommunikationsberatern in Anspruch zu nehmen. Eine gelungene Kommunikation schafft Vertrauen, was in Krisenzeiten besonders wichtig ist.
  • Zeigen Sie Ihren Mitarbeitenden Ihre Wertschätzung! Familienunternehmen profitieren auch in Krisen von der starken Beziehung zu ihren Beschäftigten. Vertrauen und Loyalität sollten daher belohnt werden.

Literaturverweis und Methodik

Für die qualitative Studie wurden 52 Interviews geführt, hauptsächlich mit Familienunternehmen, aber auch mit hochkarätigen externen Stakeholdern wie Unternehmensberatern, Anwälten und Finanzierern. Die Interviewpartner wurden selektiv und nicht zufällig ausgewählt. Sie wurden 2020 und 2021 in zwei Zeitfenstern von zwei bis drei Monaten mit einem semistrukturierten Interviewbogen befragt. Die teilnehmenden Unternehmen gehören verschiedenen Branchen an, haben einen Umsatz zwischen 5 Miillionen Euro und 5.300 Millionen Euro und durchschnittlich etwa 3000 Mitarbeiter.

  • Welz, D./Kammerlander, N./Welz, M./Zöller, M./Kost, J. (2022): Wie Familienunternehmen die Krise meistern. Lessons Learned aus 12 Monaten Covid-19 Krisenerfahrung, WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar.

Co-Autorin der Studie

Prof. Dr. Nadine Kammerlander

Nadine Kammerlander ist Inhaberin des Lehrstuhls für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Ihr Forschungsinteresse gilt den Themen Innovation, Mitarbeiter und Governance in Familienunternehmen und Family Offices. Ihre wissenschaftlichen Beiträge werden regelmäßig in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht und mit renommierten Forschungspreisen ausgezeichnet.

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