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16.09.2022

Wenn Führungskräfte nach oben buckeln und nach unten treten

Um die eigene Karriere voranzubringen, nutzen Führungskräfte zuweilen fragwürdige Mittel. Unternehmen können etwas dagegen tun.

Fabiola H. Gerpott / Niels Van Quaquebeke - 16. September 2022

Tipps für Praktiker

 

Führungskräfte – gerade im mittleren Management – stehen oft unter großem Druck. Sie müssen liefern, um voranzukommen und nicht in der Karriere-Sackgasse zu landen. Manche setzen deshalb in dieser Situation auf eigennützige Verhaltensweisen: Während sie für die eigenen Vorgesetzten die Extrameilen gehen und gar nicht nett genug sein können, beuten sie ihr eigenes Team komplett aus. Das Ziel ist der maximale Ressourcen-Gewinn zum eigenen Vorteil.

Aus Sicht dieser Führungskräfte hat ein solches Verhalten noch einen anderen Nutzen. Wenn sie sich gegenüber den eigenen Mitarbeitenden nicht kontrollieren müssen und ihre Emotionen an ihnen auslassen, spart das Energie. Diese können sie nutzen, um sich noch erfolgreicher bei Entscheidungsträgern im Unternehmen zu positionieren. Einen Haken hat diese Strategie, die in der Forschung als „Kiss-up-kick-down“ oder kurz als „KUKD“ bezeichnet wird, allerdings: Je länger die Führungskräfte das Nach-oben-Buckeln und Nach-unten-Treten praktizieren, desto stärker verliert es an Wirksamkeit. Eine Führungskraft muss folglich also möglichst schnell befördert werden oder in ein anderes Unternehmen wechseln, wenn sie damit für die eigene Karriere etwas erreichen möchte.

Was können Unternehmen gegen solches Verhalten tun?

Für Unternehmen ist es wichtig, zu verstehen, welche Funktion das Nach-oben-Buckeln und Nach-unten-Treten für eine Führungskraft haben kann: Es soll dem Aufstieg auf der Karriereleiter helfen. Ein solches Verhalten bewährt sich besonders in Unternehmen, in denen das Karrieremodell „Up-or-out“ an der Tagesordnung ist: Wer hart arbeitet, wird befördert, wer versagt, muss gehen. Auch Organisationen mit traditionellen Anreizsystemen sind ein guter Nährboden für das KUKD-Verhalten. Bei ihnen steht nicht die Leistung des Teams, sondern die Leistung des Einzelnen im Fokus. Die Arbeit im Homeoffice stellt einen zusätzlichen Risikofaktor dar, wenn nicht explizit darauf geachtet wird, dass es auch einen regelmäßigen Austausch zwischen den Hierarchieebenen über und unter der jeweiligen Führungskraft gibt.

Um solchen Verhaltensmustern rechtzeitig entgegenzuwirken, können Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um die Transparenz zwischen den Hierarchieebenen zu erhöhen. So setzen einige Großkonzerne wie Google mittlerweile auch auf regelmäßige Bewertungen von Managern durch Mitarbeitende, beziehungsweise auf nach oben gerichtetes Feedback. Kommt dabei heraus, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden nicht angemessen behandeln, werden sie dementsprechend nicht befördert. Einen weiteren Ausweg aus respektlosem Verhalten gegenüber Angestellten bietet auch die Möglichkeit, eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten. Bei solchen Ombudspersonen können Mitarbeitende sich beschweren, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Dieses Feedback hilft Unternehmen ebenfalls dabei, gegen unerwünschtes Verhalten von Führungskräften vorzugehen.

Zudem ist es wichtig, bei Managern bereits früh auf Hinweise zu achten, die auf KUKD-Verhaltensweisen hindeuten. So könnte beispielsweise der emotionale Unterton von Managern in der Online-Kommunikation automatisch analysiert werden, sofern die Datenschutzbestimmungen des jeweiligen Landes dies erlauben.

Tipps für Praktiker

  • Achten Sie in Ihrem Unternehmen auf das Verhalten von Managern gegenüber deren Mitarbeitenden. Sollten die Führungskräfte diese nicht respektvoll behandeln, sollten Sie einschreiten und etwas ändern! Andernfalls verfallen die Mitarbeitenden in Resignation und sind auf Dauer weniger leistungsfähig.
  • Setzen Sie bei der Bewertung von Führungskräften auf 360-Grad Feedback, bei dem Manager von den eigenen Vorgesetzten, Kollegen auf gleicher Ebene sowie eben auch von den eigenen Mitarbeitenden Feedback erhalten.
  • Sorgen Sie für einen regelmäßigen Austausch zwischen den Hierarchie-Ebenen! So können Führungskräfte, die auf KUKD-Verhaltensweisen zurückgreifen, ihre Mitarbeitenden nicht von anderen Führungskräften im Unternehmen isolieren.
  • Achten Sie als Manager darauf, nicht unfair oder respektlos gegenüber Angestellten in ihrem Team aufzutreten. Auch wenn sie Ihnen dadurch kurzfristig mehr Leistung zur Verfügung stellen, sind deren Ressourcen begrenzt und ihr Engagement wird nachlassen. Erschöpfen Sie Ihre Mitarbeitenden nicht durch maßlose Forderungen!

Literaturverweis

  • Gerpott, F./Van Quaquebeke, N. (2022): Kiss-Up-Kick-Down to Get Ahead: A Resource Perspective on How, When, Why, and With Whom Middle Managers Use Ingratiatory and Exploitative Behaviors to Advance Their Careers, in: Journal of Management Studies. https://doi.org/10.1111/joms.12855

Co-Autoren der Studie

Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott

Fabiola H. Gerpott ist Expertin für Leadership, Diversitätsmanagement und organisationales Verhalten an der WHU – Otto Beisheim School of Management und Inhaberin des Lehrstuhls für Personalführung. Sie engagiert sich dafür, dass Vielfalt von Führungskräften und Mitarbeitern in Organisationen mehr Wertschätzung erfährt. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, inwiefern empirische Daten dabei helfen können, die Zukunft der Arbeit auf humane und produktive Weise zu verändern.

Prof. Dr. Niels Van Quaquebeke

Niels Van Quaquebeke ist Professor für Leadership and Organizational Behavior an der Kühne Logistics University in Hamburg und Distinguished Research Professor an der Universität Exeter. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen evidenzbasiert ein besseres Verständnis von Führung am Arbeitsplatz zu vermitteln und diese Führung zu verbessern.

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