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20.01.2022

Wie reagieren Investoren auf Inflation?

Privatanleger tun sich mit einer angemessenen Antwort schwer

Fabio Braggion / Felix von Meyerinck / Nic Schaub - 20. Januar 2022

Tipps für Praktiker

Inflation zählt zu den bedeutendsten wirtschaftlichen Risiken, denen Haushalte ausgesetzt sind. Nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie ist die Inflation in den Industrieländern zurückgekehrt. In Deutschland beispielsweise überstieg die jährliche Teuerungsrate im November 2021 zum ersten Mal seit fast drei Jahrzehnten die 5-Prozent-Marke. Haushalte sollten sich also Gedanken darüber machen, wie sie auf die steigende Inflation reagieren.

Geld auf dem Giro- oder Sparkonto liegen zu lassen ist in Zeiten hoher Inflation keine gute Idee

In Zeiten hoher Inflation ist es in der Regel keine gute Option, Geld auf dem Giro- oder Sparkonto zu belassen. Dies gilt insbesondere im heutigen Umfeld, in dem Giro- und Sparkonten (fast) keine Zinsen mehr erwirtschaften. Aufgrund der niedrigen Zinsen sinkt der Realwert des Geldes auf dem Konto kontinuierlich. Das bedeutet, dass man in einem Jahr mit 100 Euro weniger Waren und Dienstleistungen kaufen kann als mit 100 Euro heute. Daher muss über Alternativen nachgedacht werden, um den Realwert des finanziellen Vermögens zu erhalten.

Ein möglicher Ansatz, sich gegen Inflation abzusichern, sind Aktieninvestitionen, entweder direkt durch den Kauf von Einzelaktien oder indirekt durch den Kauf von Aktienfonds, wie z. B. börsengehandelten Fonds (ETFs). Wenig ist jedoch bislang darüber bekannt, wie Anleger auf die Aussicht steigender Inflation reagieren.

In der Theorie finden sich zwei gegensätzliche Vorhersagen, wie Anleger mit Inflation umgehen

Zur Reaktion von Anlegern auf Inflation gibt es zwei Theorien. Einerseits besagt die sogenannte Absicherungs-Hypothese (Hedging Hypothesis), dass Anleger eher dazu neigen, Aktien zu kaufen als zu verkaufen, wenn sie von steigender Inflation ausgehen. Dies geschieht, weil Anleger verstehen, dass Aktien einen Anspruch auf einen Teil der Gewinne darstellen, die durch die zugrunde liegenden Sachwerte erwirtschaftet werden. Daher bieten Aktien den Anlegern die Möglichkeit, den realen Wert ihrer Anlage zu erhalten. Tatsächlich zeigen Studien, dass sich Inflation und Aktienrenditen über längere Zeiträume parallel entwickeln, was darauf hindeutet, dass Investitionen in Aktien einen gewissen Schutz vor Inflation bieten.

Andererseits legt die sogenannte Geldillusions-Hypothese (Money Illusion Hypothesis), die vom Nobelpreisträger Franco Modigliani zusammen mit Richard Cohn entwickelt wurde, nahe, dass Anleger in Zeiten höherer Inflationserwartung weniger dazu neigen, Aktien zu kaufen als zu verkaufen. Der Grund dafür ist, dass den Anlegern bei der Wertbestimmung von Aktien in Inflationszeiten Fehler unterlaufen. Bei zunehmender Inflation werden von jenen, die der Geldillusion unterliegen, steigende Nominalzinsen für festverzinsliche Wertpapiere wie Unternehmens- oder Staatsanleihen beobachtet. Sie lassen dabei jedoch außer Acht, dass die Dividenden von Aktien (bzw. die nominalen Erträge von Unternehmen im Allgemeinen) ebenfalls mit der Teuerung steigen. Infolgedessen erscheinen diesen Investoren Aktien im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren weniger attraktiv. Angesichts dieser beiden konkurrierenden Hypothesen kann die Frage, wie Anleger auf Inflation reagieren, nur mittels empirischer Untersuchung beantwortet werden.

Das Beispiel Deutschlands in den 1920er Jahren legt nahe, dass Privatanleger der Geldillusion unterlagen

In einer kürzlich erschienenen Studie beleuchten die Professoren Fabio Braggion, Felix von Meyerinck und Nic Schaub die Frage, wie Anleger mit Inflation umgehen, indem sie sich die Handelsmuster von Investoren in Deutschland in den 1920er Jahren, zur Zeit der Hyperinflation, anschauen. Diese Zeitspanne bietet für eine solche Untersuchung ideale Voraussetzungen. Erstens finden sich in Bankarchiven Daten über die Wertpapierportfolios von Anlegern und deren Wertpapiertransaktionen. Zweitens war die Inflation in Deutschland in den 1920er Jahren hoch, was die Gefahr großer finanzieller Verluste barg, und somit die Aufmerksamkeit der Anleger erregte. Drittens sind vom Statistischen Reichsamt, dem Vorläufer des heutigen Statistischen Bundesamts, monatliche Inflationsdaten für hunderte deutsche Städte in den 1920er Jahren verfügbar.

Für die Analyse haben die Autoren Daten über Wertpapierportfolios und -transaktionen von mehr als 2.000 Kunden einer deutschen Bank zwischen 1920 und 1924 erhoben. Diese wurden mit den monatlichen Inflationsdaten des Statistischen Reichsamts verknüpft. Die Ergebnisse der Analyse deuten darauf hin, dass Privatanleger nicht verstanden haben, dass Aktien eine Absicherung gegen Inflation boten. Stattdessen unterlagen sie der Geldillusion. Im Gegensatz dazu finden sich keine Hinweise, dass professionelle Anleger von der Geldillusion betroffen waren. Diese Studie liefert den ersten direkten Nachweis zur Reaktion von Anlegern auf Inflation.

Tipps für Praktiker

  • Viele Privatanleger verstehen nicht, dass Aktien einen Anspruch auf die Erträge von Sachwerten darstellen und somit, zumindest auf lange Sicht, einen gewissen Schutz vor Inflation bieten. Daher sollten Anleger in Zeiten hoher Inflation sorgfältig über Aktieninvestitionen nachdenken.
  • Ausbildungsprogramme und Finanzberatung sollten darauf abzielen, das Finanzwissen von Privatpersonen zu verbessern. Genauer gesagt, müssen Ausbildungsprogramme und Finanzberatung darüber aufklären, wie Haushalte ihr finanzielles Vermögen vor Inflation schützen können.

Literaturverweis und Methodik

In der Forschungsarbeit „Inflation and Individual Investors‘ Behavior: Evidence from the German Hyperinflation“ untersuchten die Forscher Prof. Dr. Fabio Braggion, Prof. Dr. Felix von Meyerinck und Prof. Dr. Nic Schaub, wie private Investoren auf Inflation reagieren. Dazu verwendeten sie einen einzigartigen Datensatz, der Informationen über die lokale Inflation und die Wertpapierportfolios und -transaktionen von mehr als 2.000 Kunden einer deutschen Bank zwischen 1920 und 1924 enthält.

Autoren

Prof. Dr. Fabio Braggion

Prof. Dr. Fabio Braggion ist Professor für Finance und Financial History an der Universität Tilburg. Er ist außerdem Mitglied des Centre for Economic Policy Research (CEPR) und des European Corporate Governance Institute (ECGI). Seine Forschungsinteressen gelten der Finanzgeschichte, dem Bankwesen, der Unternehmensfinanzierung und FinTechs.

Prof. Dr. Felix von Meyerinck

Prof. Dr. Felix von Meyerinck ist Assistenzprofessor für Finance an der Universität St. Gallen. Er ist zudem Forscher am Hamburg Financial Research Center. Seine Forschung fokussiert sich auf die empirische Unternehmensfinanzierung und die Finanzentscheidungen privater Haushalte.

Prof. Dr. Nic Schaub

Prof. Dr. Nic Schaub ist Professor für Household Finance an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Seine Interessen gelten den Finanzentscheidungen privater Haushalte, der verhaltensorientierten Kapitalmarktforschung und der Preisbildung am Aktienmarkt.

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