WHU
30.01.2023

Wie sich während eines anstrengenden Tages ihr Akku wieder aufladen lässt

Ein paar Minuten Spaß abseits der Arbeit können helfen, das eigene Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit zu steigern

Vera Schweitzer / Fabiola Gerpott - 30. Januar 2023

Tipps für Praktiker

Wir erleben es ständig im Arbeitsalltag: Eine E-Mail hier, eine Nachricht auf dem Smartphone da und zwischendurch ruft jemand unangekündigt über die firmeneigene Kommunikations-Software an. Angesichts der rasanten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die das Geschäftsleben immer schneller und unvorhersehbarer machen, stellt sich die Frage, wie wir mit all dem umgehen können, was auf uns zukommt, und wie wir gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit auf das richten können, was erledigt werden muss. Die Veränderungen in der Arbeitswelt verlangen von uns häufig Selbstkontrolle, um uns auf unsere Aufgaben zu konzentrieren oder unsere Launen im Griff behalten zu können. Forschende der WHU – Otto Beisheim School of Management, des Trinity College Dublin und der Universitäten Wuppertal, Wien, Graz und Florida zeigen nun in einer Studie, dass eine kurze Unterbrechung des Arbeitstages mit etwas Positivem zu einem deutlich verbesserten Wohlbefinden führen kann. Schauen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrer Mittagspause beispielsweise ein kurzes, lustiges Video auf YouTube, hilft ihnen das, den Stress abzubauen, der am Arbeitsplatz entsteht, wenn sie ständig freundlich und gelassen sein müssen. Erleben Angestellte zwischendurch etwas Positives, fühlen sie sich besser, was sich auch auf ihre Leistungsfähigkeit auswirkt.

Ständige Selbstkontrolle ist anstrengend und kräftezehrend

Aber warum sollten wir uns mit Selbstkontrolle und -disziplin überhaupt beschäftigen? Sicherlich geht es nicht nur darum, unsere Neujahrsvorsätze einzuhalten. Selbstbeherrschung wird ständig von uns gefordert, sei es bei der Arbeit, zu Hause oder in anderen Bereichen unseres täglichen Lebens. Jede Situation, in der wir gezwungen sind, auf eine Art und Weise zu reagieren, die unseren eigentlichen Gefühlen, Gedanken oder Verhaltensweisen nicht entspricht, erfordert Selbstkontrolle. Wenn Sie beispielsweise eine E-Mail von Ihrem Vorgesetzten oder Ihrer Vorgesetzen erhalten, in der Sie gebeten werden, einige langweilige Berechnungen zu machen, ist es möglicherweise Ihr erster Instinkt, die Anfrage zu ignorieren und sie bis zur letzten Minute aufzuschieben. Wenn Sie diese langweilige Aufgabe aber sofort erledigen, stellen Sie Ihre Professionalität unter Beweis und machen auf Ihre Vorgesetze oder Ihren Vorgesetzten und Ihre Kolleg:innen einen guten Eindruck. Sie üben dabei Selbstkontrolle aus, die Ihnen hilft, sich an die Arbeit zu machen und dem Impuls zu widerstehen, den Sie beim ersten Lesen der E-Mail hatten. Eine solche E-Mail ist ein klassisches Beispiel für einen "Bedarf an Selbstkontrolle". Ein weiteres Beispiel, das im Arbeitsalltag häufig auftaucht, ist die Notwendigkeit, sich beim Umgang mit einem unfreundlichen Kunden oder Mitarbeitenden zu beherrschen. In solchen Situationen verspüren Sie das Erfordernis, entgegen Ihres eigenen Wesens und Temperaments zu handeln oder dieses sogar völlig zu ignorieren, um die Aufgabe angemessen erledigen zu können.

Aber warum ist es für uns so anstrengend, uns selbst zu beherrschen, wenn wir bei der Arbeit mit dieser Anforderung konfrontiert werden? Die Forschung hat gezeigt, dass die Ausübung von Selbstkontrolle ein besonders anstrengender kognitiver Prozess ist, der unsere persönlichen Ressourcen erschöpft und schwinden lässt. Diese inneren Ressourcen, die auch als "regulatorische Ressourcen" bezeichnet werden, sind erforderlich, damit wir uns bei der Arbeit motiviert und engagiert fühlen, über den Tellerrand hinausschauen oder unseren Kollegen helfen können. Spüren wir, dass wir uns im Arbeitsalltag ständig selbst beherrschen müssen, fühlen wir uns schlechter und unsere Leistung leidet darunter. Werden unsere regulatorischen Ressourcen immer weiter erschöpft, behindert dies auch die Bewältigung künftiger Ereignisse, für die Selbstbeherrschung erforderlich ist. Das kann wiederum dazu führen, dass wir in eine Abwärtsspirale geraten, in der uns die Anforderungen an unsere Selbstkontrolle nicht mehr erfüllbar scheinen.

Wie ein kleines positives Ereignis die Ressourcen mühelos wieder auflädt

Das wirft die Frage auf: Was können wir tun, um zu verhindern, dass wir diesen gefährlichen Weg einschlagen? Frühere Forschung hat beispielsweise nahegelegt, dass Selbstreflexion oder dass wir uns um besseren Schlaf bemühen, uns helfen könnten, den Bedarf an Selbstkontrolle besser zu bewältigen. Paradoxerweise sind aber genau diese Lösungsvorschläge auch ziemlich anstrengend, weil sie ebenfalls Selbstkontrolle erfordern. Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich zwingen, nach einem langen und stressigen Tag eine Reflexion über Ihre Erfahrungen und Gefühle bei der Arbeit zu schreiben. Oder Sie würden versuchen, früher als sonst ins Bett zu gehen und müssten dabei möglicherweise weiteren Ablenkungen (wie eingehenden E-Mails von der Arbeit, Textnachrichten oder der Lieblingssendung im Fernsehen) widerstehen. Obwohl Reflexionen und besserer Schlaf im Allgemeinen ratsam sind, sind sie weniger effektiv, wenn sie ein hohes Maß an Selbstkontrolle erfordern.

Um eine Lösung für dieses Paradoxon zu finden, haben wir uns in unserer Studie auf die Macht der Emotionen konzentriert. Jahrzehntelange Forschung hat gezeigt, dass Emotionen eine entscheidende Rolle in unserem Leben spielen. Insbesondere kann schon eine kleine Dosis Positivität – das heißt eine positive Emotion wie Fröhlichkeit oder Spaß – dazu beitragen, unsere regulatorischen Ressourcen wieder aufzufrischen. In der Wissenschaft ist dieses psychologische Phänomen als "Undoing-Effekt" (dt.: Annulierungs-Effekt) bekannt. Positive Emotionen ermöglichen es Menschen, sich von vorangegangenen negativen Ereignissen zu lösen und zu erholen, beispielsweise von Situationen, die ihnen große Selbstkontrolle abverlangt haben. Die positiven Emotionen, die wir beim Anschauen eines lustigen Videos im Internet nach mehreren Stunden intensiver Arbeit empfinden, tragen dazu bei, unsere regulatorischen Ressourcen wieder aufzuladen – ohne dass wir dafür irgendetwas tun müssten (außer auf "Play" zu drücken).

Wir haben unsere Theorie mit 85 Erwerbstätigen (hauptsächlich aus der Wissenschaft, dem Bildungswesen und der IT-Branche) mithilfe einer komplexen Längsschnittbefragungsmethode (u. a. mit der „Tagebuchmethode“) über einen Zeitraum von zwei Wochen getestet. Konkret konnten wir zeigen, dass eine kurze positive Unterbrechung (z. B. ein YouTube-Video mit einer Szene aus der britischen Comedy-Serie „Mr. Bean“) den Menschen helfen kann, den täglichen Bedarf an Selbstkontrolle (z. B. bei unfreundlichen E-Mails oder langweiligen Aufgaben) bei der Arbeit zu bewältigen. Zusätzlich ermöglichen die positiven Emotionen es Angestellten, engagierter, kreativer und hilfsbereiter gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen aufzutreten.

Tipps für Praktiker

  • Achten Sie bei Ihrer täglichen Arbeit auf die Anforderungen, die an Ihre Selbstkontrolle gestellt werden. Immer wenn Sie mit einer Menge unfreundlicher E-Mails konfrontiert werden, stundenlange Meeting-Marathons über sich ergehen lassen müssen oder eine Aufgabe angehen müssen, die sie seit Wochen vor sich herschieben, denken Sie daran: Es ist ganz natürlich, sich am Ende des Tages gestresst und erschöpft zu fühlen.
  • Erkennen Sie das Potenzial solch anstrengender Momente und suchen Sie sich etwas, über das Sie lachen können (bspw. ein lustiges Video oder ein unterhaltsames Gespräch mit einem Kollegen), um Ihre persönlichen Ressourcen wiederaufzuladen und den Rest des Tages eine bessere Leistung bringen zu können.
  • Ändern Sie Ihre Denkweise. Das nächste Mal, wenn Sie in der Mittagspause auf ein lustiges Katzen-Video bei YouTube stoßen und insgeheim darüber lachen, nehmen sie die positive Emotion ruhig offen an. Es wird Ihnen helfen, sich vom stressigen Morgen zu erholen und bietet in emotionaler Hinsicht eine gute Vorbereitung für den Rest des Tages.
  • Wenn Sie Ihren Tag mit lustigen Videos unterbrechen möchten, übertreiben Sie es nicht. Begrenzen Sie diese positiven Impulse auf drei bis fünf Minuten. So entkoppeln Sie sich nicht komplett von Ihrer eigentlichen Aufgabe und müssen viel nachholen, was wiederum neuen Stress bedeuten würde.
  • Erlauben Sie als Manager Ihren Mitarbeitenden im gewissen Rahmen Spaß abseits der Arbeit zu haben, auch wenn das bedeutet, dass sie sich nicht durchgängig auf die Arbeit konzentrieren. Es wird sich am Ende auszahlen!
  • Wenn Sie in der Personalabteilung arbeiten, denken Sie darüber nach, wie Sie eine positive Stimmung unter den Angestellten fördern könnten. Sie könnten den Mitarbeitenden beispielsweise täglich per Newsletter Vorschläge für kurze, witzige Videos machen oder einen Witz des Tages im Intranet posten.

Literaturverweis

Schweitzer, V. M./Rivkin, W./Gerpott, F. H./Diestel, S./Kühnel, J./Prem, R./Wang, M. (2022): Some positivity per day can protect you a long way: A within-person field experiment to test an affect-resource model of employee effectiveness at work, in: Work & Stress, 1-20.

Co-Autorinnen der Studie

Vera Schweitzer

Vera Schweitzer ist Doktorandin am Lehrstuhl für Personalführung der WHU – Otto Beisheim School of Management. Ihre Forschung konzentriert sich vor allem auf die Mikrodynamik des Organisationsverhaltens und darauf, wie kurze Unterbrechungen den Mitarbeitenden helfen können, die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu bewältigen. Sie beschäftigt sich auch damit, wie die Neugier von Mitarbeitenden geweckt werden kann, damit sie sich verstärkt in ihre Arbeit einbringen.

Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott

Fabiola H. Gerpott ist Expertin für Leadership, Diversitätsmanagement und organisationales Verhalten an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Sie engagiert sich dafür, dass Vielfalt von Führungskräften und Mitarbeitern in Organisationen mehr Wertschätzung erfährt. Dabei gilt ihr besonderer Fokus der Alters- sowie Geschlechtervielfalt in Führungspositionen.

WHU