WHU
06.06.2023

Führt ein Verbot von Provisionen zu besserer Finanzberatung?

Interessenkonflikte von Finanzberatern werden möglicherweise nur verlagert

Nic Schaub / Simon Straumann - 6. Juni 2023

Tipps für Praktiker

 

Eine große Zahl privater Haushalte nimmt Finanzberatung in Anspruch. In einer Umfrage des Deutschen Aktieninstituts gaben beispielsweise rund ein Viertel der Befragten an, dass Finanzberatung bei ihren Anlageentscheidungen von „hoher“ oder „sehr hoher“ Bedeutung ist. Das Problem dabei: Finanzberater unterliegen Interessenkonflikten. Auf der einen Seite sollten sie im Interesse ihrer Kunden handeln und ihnen die für sie besten Produkte empfehlen. Auf der anderen Seite müssen Finanzberater aber auch im Interesse ihres Arbeitgebers agieren und Produkte empfehlen, welche die Profite des Unternehmens maximieren.

In der provisionsbasierten Finanzberatung sind die Interessenkonflikte besonders stark ausgeprägt. Bei dieser Beratungsform werden die Berater nicht direkt von den Kunden für ihre Beratungsleistungen bezahlt, sondern primär indirekt durch Provisionen von Anbietern, wenn sie deren Produkte verkaufen. Naheliegend ist, dass die Berater im Zweifel jene Produkte empfehlen, für die sie die höchsten Provisionen erhalten.

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission in den vergangenen Monaten darüber nachgedacht, Provisionszahlungen an Finanzberater gänzlich zu verbieten. Doch die Effektivität eines solchen Verbots ist umstritten und wurde von der EU-Kommission mittlerweile wieder verworfen.

Eine aktuelle Studie der WHU hat nun am Beispiel der Schweiz untersucht, wie sich ein Provisionsverbot auf Privatanleger auswirkt. Dazu wurden die Folgen eines Bundesgerichtsurteil in der Schweiz aus dem Jahr 2012 analysiert, das es Banken in der Vermögensverwaltung nicht mehr erlaubt, Provisionszahlungen von Produkteanbietern einzubehalten.

Die Analyse der Schweizer Daten zeigt, dass der Anteil bankeigener Fonds und bankeigener strukturierter Produkte in den Kundenportfolios signifikant anstieg, nachdem die Banken angekündigt hatten, auf Provisionen zu verzichten. Bankeigene Produkte haben jedoch oft schlechtere Renditen als andere auf dem Markt verfügbare Produkte. So lag im Untersuchungszeitraum beispielsweise die durchschnittliche risikoadjustierte Rendite von bankeigenen Fonds unter der durchschnittlichen risikoadjustierten Rendite von anderen Fonds. Die Folge: Die risikoadjustierte Portfoliorendite der Privatanleger verschlechterte sich nach dem Provisionsverzicht der Banken.

Damit hat das Provisionsverbot in der Schweiz nicht zu einer Beseitigung der Interessenkonflikte in der Finanzberatung geführt, sondern lediglich zu einer Verlagerung derselben. Dies ist weder im Interesse der Kunden noch im Interesse politischer Entscheidungsträger und sollte bei der Ausarbeitung von zukünftigen Maßnahmen berücksichtigt werden.

Tipps für Praktiker

  • Kunden sollten ihrem Finanzberater mit einer Portion Skepsis gegenübertreten. Sie müssen verstehen, weshalb der Berater ihnen ein bestimmtes Produkt empfiehlt und darauf achten, dass er auch wirklich in ihrem Interesse handelt.
  • Oft macht es Sinn, sich eine Zweitmeinung von einem anderen Finanzberater einzuholen. Honorarbasierte Finanzberater sind nicht von den Provisionszahlungen der Produkteanbieter abhängig und sollten somit unabhängiger agieren.
  • Privatanleger sollten versuchen, bei Finanzfragen möglichst viel selbst zu verstehen, so dass sie ihrem Finanzberater auf Augenhöhe begegnen und gezielte Fragen stellen können.
  • Politische Entscheidungsträger sollten bei einem Verbot von Provisionszahlungen in der Finanzberatung nicht nur beabsichtigte Effekte im Blick haben, sondern auch unbeabsichtigte.

Literaturverweise und Methodik

In der Forschungsarbeit „How Does a Ban on Kickbacks Affect Individual Investors?“ untersuchten die Forscher Prof. Dr. Nic Schaub und Prof. Dr. Simon Straumann von der WHU – Otto Beisheim School of Management, wie sich ein Verbot von Provisionszahlungen von Produkteanbietern an Finanzberater auf Privatanleger auswirkt. Dazu fokussierten sie sich auf ein Bundesgerichtsurteil in der Schweiz aus dem Jahr 2012, das es Banken in der Vermögensverwaltung verboten hat, Provisionszahlungen von Produkteanbietern einzubehalten. Die Autoren analysierten mehr als 20.000 Wertpapierportfolios von über 10.000 Bankkunden in der Schweiz zwischen 2010 und 2020.

Co-Autoren

Prof. Dr. Nic Schaub

Prof. Dr. Nic Schaub ist Professor für Household Finance an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Seine Forschungsinteressen gelten den Finanzentscheidungen privater Haushalte, der verhaltensorientierten Kapitalmarktforschung und der Preisbildung am Aktienmarkt.

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Prof. Dr. Simon Straumann

Prof. Dr. Simon Straumann ist Juniorprofessor für Finance an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Seine Forschung beschäftigt sich mit den Finanzentscheidungen privater Haushalte, Finanzintermediation sowie der Preisbildung am Aktienmarkt.

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